Kapitel 6

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Es war schon schlimm genug zu wissen, das Alec da draußen war und irgendein bescheuertes Rennen fuhr, aber dass ich ihn nicht sehen konnte, machte mir viel zu große Angst.

Ich hatte jedoch ein noch größeres Problem. Chase, der ja auf mich aufpassen sollten, nahm seinen Job wohl nicht ganz so ernst. Leider...
Er stand hinten bei anderen Motorradfahrern und rauchte...
Dabei hatte ich mir schon vorgestellt wie wir zusammen lachten und das Rennen genossen. (So gut man es eben genießen konnte!)

"Haste ne Zigarette?"

Ein etwas angetrunkener Mann tauchte plötzlich vor mir auf und musterte mich aufdringlich. Seine Augen sahen so... komisch aus. Keine Ahnung, was das war. Vielleicht eine Krankheit, jedenfalls ließ es ihn noch gruseliger wirken.

Ich schüttelte langsam den Kopf und lächelte höflich, in der Hoffnung, er würde gehen, doch er blieb da stehen.

Alec würde mich umbringen, wenn er das sah. Okay, nein. Er würde erst diesen Typen umbringen und dann Chase, da er mich allein gelassen hatte. Was ich Chase auch gerade ziemlich übel nahm!

"Wirklich nicht?"

Ich schüttelte wieder den Kopf und ging ein Stück zurück. Das wurde irgendwie gruselig...

Plötzlich kam der Typ auf mich zu und holte eine Plastiktüte aus seiner Tasche. Ich wusste genau, was das war, doch mir blieb die Spucke weg, um etwas zu sagen.

Das alles war eine dumme Idee. Ich hätte nicht mitkommen sollen, ich hätte auf Alec hören sollen und ich hätte mich erst recht nicht einmischen sollen. Das war alles nicht meins. Ich wollte hier weg. Ich wollte nach Hause. Jetzt. Sofort. Für immer. Einfach. Nur. Weg.

"Sie hat nein gesagt."

Die tiefe Stimme hinter mir ließ mich zusammen zucken. Sofort drehte ich mich um und schaute in hell grüne Augen, die den Typen vor mir finster anstarrten.
Er erinnerte mich an den Teufel.
Und an den Spruch: Wenn Blicke töten könnten...

Der Typ vor mir schaute meinen "Retter" grinsend an.

"Verschwinde."

Diesmal war Justins Stimme bedrohlicher und der Typ verlor sein Grinsen. Er hatte wohl endlich verstanden, dass man sich mit einem badboy nicht anlegen sollte.
Jedenfalls nicht mit diesem.

"Danke", flüsterte ich erleichtert und probierte etwas runter zu kommen. Mein Herz schlug so schnell, dass es nicht mehr normal war und mein Atem- von dem sagte ich lieber nichts.
Er war schneller als Alec auf seinem Motorrad.

"Wo ist Alec?", fragte ich Justin, welcher mich besorgt musterte. Wahrscheinlich hatte er Angst, der Typ hätte mir etwas getan. Ne warte, Justin war nicht so einer. Ihn kümmerte es ein Dreck wie es mir ging. Eigentlich. Er war bestimmt nur so nett zu mir, weil er es Alec versprochen hatte.

"Da drüben. Er hat gewonnen und muss gleich sein nächsten Rennen fahren."

Noch eins? Ich wollte unter keinen Umständen hier bleiben. Wie lange sollte dieser ganze Mist denn noch gehen?
Drei Stunden?

Genervt stöhnte ich auf.

"Ich will nach Hause!"

Justin lachte und erst dann schnallte ich, dass ich das gerade laut gesagt hatte. Oh wow, peinlicher ging es nicht...

"Soll ich dich fahren?"

Pah, das konnte er vergessen!

"Nein."

"Komm schon, Cinderella."

"Lass das!"

Justin zog unschuldig seine Schultern hoch.

"Was?"

"Nenn mich nicht Cinderella."

Er lachte nur, was wohl bedeutete, dass er es nicht lassen würde. Na super...

Alec kam zu uns mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen. Er machte irgend so ein Begrüßungsding mit Justin, dann warf ich mich schon in seine Arme.

"Hey, schon gut. Ich lebe. Jedenfalls noch."

Ups, wenn ich mich freute, dann wurde ich eben stark. Zu stark, sogar für meinen Bruder.

"Alles gut hier?"

Ich schaute zu Justin, der mich nur fragend ansah. Für die Aktion gerade eben konnte ich ihm wohl ein paar Pluspunkte schenken, oder?

"Da war so ein Typ, der betrunken war und mir Drogen andrehen wollte. Aber Justin hat ihn verscheucht."

Alec schaute wütend hinter sich, doch der Typ war natürlich schon längst weg. Seine blauen Augen und seine zerzausten schwarzen Haare ließen seine Wut gut widerspiegeln.
Dann drehte er sich dankbar zu Justin und atmete tief aus.

"Danke, bro. Ich wüsste nicht... Ich kann nicht zulassen, das meiner Schwester was passiert."

OMG, war das süß! Sowas sagte er sonst nie! Ich hätte sterben könne, so glücklich war ich. Trotzdem wollte ich weg.

"Alec? Kann ich mir ein Taxi holen oder so? Ich will nach Hause", gab ich leise zu. Mein Bruder nickte sofort und wollte gerade sein Handy zücken, da funkte Justin ihm dazwischen.

"Ich habe kein Rennen mehr. Ich kann sie nach Hause fahren."

Alec schaute ihn kurz misstrauisch an, dann wechselte sein Blick zu mir, bis er wieder zu Justin glitt.

"Danke, bro. Bis morgen."

Justin nickte.

"Pass auf dich auf, kleine", flüsterte Alec mir ins Ohr. Ich nickte schnell und drückte ihn ein letztes Mal. Das war mir alles zu viel, ich wollte einfach nur schlafen.

"Na, dann komm."

Vor einem silbernen Motorrad blieben wir stehen. Misstrauisch begutachtete ich das Ding, dann schaute ich zu Justin hoch. Er lächelte schief. Was auch sonst...

"Damit fahre ich garantiert nicht!"

"Cinderella, jetzt stell dich nicht so an. Dein Bruder zählt auf mich, ich kann dich nicht um drei Uhr morgens allein durch die Stadt laufen lassen."

Wo er recht hatte, hatte er recht. Ich hasste er trotzdem, doch mir blieb nun wirklich nichts anderes übrig. Außer ich bleib hier, umgeben von Besoffenen und anderen schrägen Leuten. Um hier weg in mein Bett zu kommen tat ich alles. Selbst wenn ich dafür auf dieses bescheuertes Ding steigen musste.

Justin gab mir einen Helm und stieg auf sein Motorrad. Beleidigt setzte ich mich hinter ihn.

"Jetzt halt dich schon an mir fest. Sonst bist du in null Komma nichts auf dem Boden."

Oh ne, das war doch jetzt nicht sein ernst...

"Cinderella", mahnte er mich lachend und startet seinen Motor. Jetzt klang das Gefährt wie ein Tiger. Ein sehr wütender Tiger.

Ich musste wohl...

Vorsichtig schmiegte ich mich an ihn, doch als er in so einem extrem schnellen Tempo losbrauste (das machte er zu hundert Prozent mit Absicht), krallte ich mich so fest an ihn, da meine Panik zu groß war.
Würde ich hier runterfallen, dann...

Denk nicht drüber nach!

Jap, da hatte mein Gehirn ausnahmsweise mal recht. Nur leider machte Panik auch schnell müde. Und da ich sowieso schon viel zu müde war, überkam es mich mit einem Mal und ich konnte meine Augen nicht länger offen halten.

Einmal kurz Augen schließen, nicht mehr...

Wrong bad boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt