Kapitel 16

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Der traurige Unterton war nicht zu überhören. Und der Fakt, dass Justin deshalb lächelte, machte mich wütend. Wie konnte er sich so darüber freuen, dass sie total in ihn verschossen war, obwohl sie keine Chance bei ihm hatte?

"Nein, wir sind nur normale Freunde", korrigierte ich schnell und machte dem Mädchen ungewollt wieder Hoffnungen. Kurz kitzelte mich Justins heißer Atem, als er sich zu mir runter lehnte (es sah relativ lustig aus, da ich viel kleiner war als er!) und mir etwas ins Ohr flüsterte, wofür ich ihm unauffällig in die Seite knuffte.

"Leider..."

"Tschüss Jane!", schrien ein paar Mädchen und wedelten hektisch mit ihrer Hand. Jane raffte sich nochmal auf, um mindestens genauso energisch zurückzuwinken.

Oh man, ich wäre so gerne auch wieder vier. Den ganzen Tag hatte man Spaß und musste sich über nichts Sorgen machen.
Dieses Alter war Gold wert, auch wenn man das früher nicht erkannte.

"Bis morgen, Justin", säuselte Evelyn und lächelte ihr süßestes Lächeln.

"Bye Eve."

Eve?

Er gab ihr sogar einen Spitznamen? Ouch... Nicht, dass es mich störte, aber... Okay, ja! Es störte mich!

"Eve? Verteilst du jedem Spitznamen?"

Justin lachte und schaukelte leicht seine Schwester im Arm, welche fast eingeschlafen war.

"Sie hat mir gesagt, dass ich sie so nennen soll. Mag sie angeblich lieber. Komisch, dass sie das dir nicht gesagt hat."

Mhh, sehr komisch...

"Eifersüchtig?"

Ich schaute mich in der Landschaft um und suchte nach einer gelassenen Antwort. Wie hatte er immer das Talent alles so darzustellen, als wäre ich in ihn verliebt?

"Oh wow. Du schaffst es immer aus einer normalen Unterhaltung etwas vollkommen Schräges zu entwickeln. So, als wäre ich in dich verliebt."

Bei dem letzten Wort spürte ich seinen brennenden Blick auf mir, doch ich starrte weiter den Baum am Ende der Straße an, als wäre es das Spannendste, was ich je gesehen hatte.

"Bist du das denn?"

Das war eine schöne Frage. Eigentlich nicht. Wieso eigentlich? Weil ich, seit unserem Kuss einfach keine Kontrolle mehr über meine Gefühle hatte.

"Wovon träumst du nachts?"

Ich wich seinem Blick immer noch aus, was mir immer schwerer viel.

"Von unserem Kuss."

Jap, das hatte gesessen. Und das Bittere daran war einfach, dass kein belustigter oder ironischer Unterton da war. Es klang offen und ehrlich.

"Komm schon, Justin. Das war nur ein Kuss."

Er schwieg.

"War es das?"

Irgendwas lief hier gerade völlig aus dem Ruder. Wo war die lustige und lockere Stimmung hin? Das hier war einfach nur unangenehm.

"Du kennst dich doch mit sowas aus!"

Es sollte lustig klingen, doch Justin nahm es ernst. Ich war froh, dass seine Schwester inzwischen schon längst im Land der Träume war.
Das hier war nichts für ihre zuckersüßen Öhrchen.

"Ja."

Da hatte er wohl keinen Spruch parat. Ich schaute ihn unsicher an.
Sein Blick war starr auf den Steinboden gerichtet und er lächelte nicht. Justin lächelte immer. Er lachte immer.
Ich überlegte, was ich sagen sollte, doch Justin unterbrach die Stille.

"Ich weiß wie es ist Menschen zu küssen, die einem nicht viel bedeuten."

Mein Beileid an alle seine Exfreundinnen.

"Aber bei der Party. Dem Flaschendrehen. Als du Chase geküsst hattest, da... ach, keine Ahnung. Ich mochte diesen Anblick einfach nicht. Ich hätte Chase am liebsten... naja egal. Aber als wir uns gegenüber standen und uns küssten, da dachte ich... es war was besonderes.
Ich wollte dich nie wieder loslassen. Ich dachte... du hättest es gemocht."

Innerhalb von Sekunden hatte ich ein wildes Flattern in der Magengegend, wie ich es noch nie hatte. So verletzlich wie er gerade war hatte ich ihn noch nie erlebt.
Und was tat ich Genie? Klar, ich wollte alles abstreiten.
Ich hatte Angst. Immerhin stehen badboys nicht für liebe, hilfsbereite und vor allem treue Menschen. Jedenfalls nicht die an unserer Schule.
Und Justin war nun mal einer dieser badboys. Sie spielten doch nur oder?

"Tut mir leid", murmelte ich, untätig etwas anderes zu sagen. Justin fuhr sich mit einer Hand schweigend durch die Haare. Jetzt war er gar nicht mehr so ruhig wie vor einer Sekunde.

"Ich verstehe nicht. Du kannst jedes Mädchen dieser bescheuerten Schule haben-"

Justin ließ mich nicht mal ausreden.

"Richtig. Jedes Mädchen. Aber was bringt mir das, wenn ich nur ein Mädchen haben möchte, aber es anscheinend nicht haben kann."

WAS?!

Entweder hatte ich mich gerade verhört oder Justin hatte zugegeben, dass er mich von allen bildhübschen Mädchen bevorzugte.

Das konnte nur ein Traum sein. Oder er sagte sowas zu jedem seiner zukünftigen Freundinnen, weil sie genau das hören wollen.

Unauffällig kniff ich mir ins Bein.

Nein, ich war wach. Dann existierte diese schräge Situation also wirklich.

"Ausgerechnet du gehörst Chase."

Okay, das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen!

"Ich gehöre niemanden!"

"Ach wirklich?"

Justin schaute mich mit diesen enttäuschten Blick an, den ich sonst nur bekam, wenn ich eine schlechte Note schrieb.

Eigentlich konnte er diesen Blick besser. Und bei ihm bewirkte es etwas in mir, im Gegensatz bei meinen Lehrern.

Wrong bad boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt