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Verschlafen drückte ich mein Gesicht fester in mein Kissen, um jeglicher Helligkeit zu entfliehen. Nur am Rande nahm ich wahr, dass mein Kissen etwas fester war als normalerweise, erst als das Kissen sich bewegte und sich beschwerte, ich würde es kitzeln, wurde ich stutzig.
Erschrocken hob ich meinen Kopf und blickte direkt in wunderschöne, jadegrüne Augen.

Henry.

Was machte der denn in meinem Bett?
Desorientiert strich ich mir die Haare aus dem Gesicht, während ich so langsam im Hier und Jetzt ankam.
Auch meine Erinnerungsfunktion kehrte zurück, als ich wacher wurde.
Was hatte ich mir dabei gedacht, Henry bei mir im Bett schlafen zu lassen?
Wie viel hatten meine Eltern von alledem mitbekommen?
Und war die Präsentation gut genug?

„Guten Morgen", unterbrach der Lockenkopf, welcher halb unter mir lag, meine wirren Gedanken.
„Morgen", nuschelte ich und ließ mich gähnend zurück in das Kissen – ja, diesmal wirklich das Kissen aus Stoff – fallen.
„Sag bloß, du bist noch müde?" Seine raue Stimme jagte eine Gänsehaut meinen Rücken hinauf.

Ich grummelte nur, schwang dann aber meine Beine über den Bettrand und erhob mich. „Frühstück?", ganze Sätze wurden meiner Meinung nach morgens echt überbewertet.
In meinem Schuh fand ich dann einen Zettel:

Guten Morgen ihr zwei, ich dachte ich lass euch mal schlafen. Danke, danke, tausend mal danke!!!Drückt mir die Daumen, bis dann. Ach übrigens Schwesterherz, Mama und Papa habe ich gesagt, du hast bis spät in die Nacht an deiner Hausarbeit gearbeitet, sie sollen einen großen Bogen um dein Zimmer machen. Sprich, von Henry wissen sie nichts – und dein Kopf bleibt auf deinem Hals. Allerdings wissen sie auch nichts davon, dass ich die Präsentation vergessen habe – Deal?

Grinsend ließ ich das Papier sinken.
Sich im gleichen Atemzug bei mir zu bedanken, nur um mich damit dann zu erpressen, sah meinem Bruder ähnlich.
Aber ich hätte an seiner Stelle vermutlich nicht anders gehandelt, weshalb ich ihm nicht böse sein konnte.
Schnell entsperrte ich mein Handy und tippte eine Nachricht an Juli: Deal, Daumen sind gedrückt!

Im Schlafanzug machten wir es uns am Küchentisch gemütlich, tranken Tee und genossen die Wärme, welche vom Kamin ausging.
Zwar hatten wir auch eine Zentralheizung, ich liebte aber unseren Kachelofen, weshalb ich ihn im Winter regelmäßig befeuerte.

„Was machst du eigentlich an Weihnachten?", stellte ich eine Frage, welche mir schon länger auf der Zunge gebrannt hatte.
„Meine Schwester sowie meine Eltern sind in England, ich bin hier... Ich schätze, ich werde sie mal anrufen, aber sonst keine Ahnung", Gott waren das elendige Aussichten.
Meine Eltern würden wie jedes Jahr am Heiligen Abend mit Claras Eltern und einigen anderen Freunden Essen gehen, als wir noch jünger gewesen waren, hatten wir da auch immer mit gemusst.
Seit einigen Jahren jedoch machten Clara, Juli und ich uns immer zu dritt einen schönen Spieleabend, was viel mehr Spaß machte, als langweilige Gespräche zu führen.

„Warte mal", schnappte ich mir mein Handy. Morgen Süße, hast du was dagegen, wenn Henry am Heiligen Abend dabei ist?, fragte ich Clara kurzerhand.
Wie meistens antwortete sie mir innerhalb weniger Sekunden: Im Gegenteil, dann lerne ich den ominösen Mr Stones endlich auch kennen;)

„Hast du Lust, am Heiligen Abend zu mir zu kommen?", mit wenigen Worten erklärte ich Henry das Konzept dieses Abends.
„Gerne, wenn es wirklich keine Umstände macht", strahlte der Lockenkopf und sandte in diesem Moment so viel ehrliche Freude und Glück aus, wie es oft nur Kinder tun, dass ich auch lachen musste.
„Dann ist es mir eine Ehre, wenn du kommst", umarmte ich ihn spontan.
Kurz darauf war Henry auch noch in unseren Brauch, uns nichts zu schenken eingeweiht – Clara und ich schenkten uns, seit wir uns mehrmals exakt das Gleiche geschenkt hatten gar nichts mehr, und Juli würde am ersten Weihnachtsfeiertag zusammen mit unseren Eltern sein Geschenk bekommen.

Die Tage vergingen wie im Flug, auch Juli hatte schließlich Ferien, und schon war der Morgen des Heiligen Abends da.
Zusammen mit meinem kleinen Bruder stand ich im Einkaufsladen, vor uns ein gut gefüllter Einkaufswagen.
Wir kauften noch Knabberzeug und Zutaten für das geplante Raclette.

„Okay. Pilze?"

„Check!"

„Salami und Schinken?"

„Check!"

„Ananas?", angeekelt verzog ich das Gesicht.

„Check!"

„Tomaten, Karotten, Gemüsekram?"

„Check!"

„Silberzwiebeln?"

„Ebenfalls check!", arbeiteten wir nochmals den Einkaufszettel durch.

Wieder zu Hause angekommen, begann ich, die Einkäufe in die Küche zu räumen, während Juli das Wohnzimmer saugte.
Mama und Papa beobachteten uns schmunzelnd: „Schon faszinierend, was Weihnachten bei unseren Kindern auslöst... Das sollte doch mehrmals im Jahr sein!"
Sie hatten sich schon in Schale geworfen, würden direkt nach dem Mittagessen, welches heute nur aus belegten Broten bestand, losfahren.

Ziemlich zeitgleich tauchte auch schon Clara auf, welche wie jedes Jahr auch einen Pyjama dabei hatte.
Im Moment trug sie zwar noch eine Jogginghose, wir wollten uns aber alle noch etwas schick machen.
Gemeinsam putzten wir das Haus: Ich schrubbte die Badezimmer, Juli widmete sich weiter dem Kampf gegen den Staub und Clara wischte hinter ihm her den Boden.

Aus dem CD-Player dröhnten Weihnachtslieder, welche wir alle mitsummten.
Clara staubte einige Möbelstücke ab, mein Bruder leerte alle Mülleimer und ich sortierte die Regale im Wohnzimmer sowie dem Flur.
Immer wieder blieben wir andächtig vor dem Weihnachtsbaum stehen, welcher schon seit gestern im Wohnzimmer stand und einfach magisch aussah.
Als Juli dann auch noch die Treppe gekehrt hatte, klatschten wir alle zufrieden ab und ließen uns erschöpft auf das Sofa fallen.

„Ich hüpf noch kurz unter die Dusche", sprang Juli aber gleich wieder auf.
Der Kleine hatte mal wieder Hummeln im Hintern.
Nach einem Blick auf die Uhr warf ich meiner besten Freundin einen vielsagenden Blick zu, welchen sie mit einem Nicken beantwortete.
Sofort kramte ich die alte DVD aus dem Schrank, legte sie ein und beobachtete gemeinsam mit der Blondine, wie der Vorspann von Drei Haselnüsse für Aschenbrödel über den Bildschirm flimmerte.
Was wäre Weihnachten nur ohne diesen Film?

„Gib mir mal ein schärferes Messer!", beklagte sich Clara, mit welcher ich Gemüse kleinschnippelte und Salat wusch.

„Dir? Ein schärferes Messer? Damit ich noch ins Krankenhaus fahren kann?", entsetzt sah ich sie an.

Meine beste Freundin verdrehte nur die Augen und streckte fordernd die Hand aus.
Grinsend reichte ich ihr das Geforderte, was sie mit einem „Geht doch, warum nicht gleich so?" quittierte.
Juli bequemte sich netterweise, das schöne Geschirr zu spülen, während Clara Servietten faltete und ich den Salat anmachte.

„Wir sollten uns so langsam mal fertig machen", gab ich dann das Startsignal für unser alljährliches Badezimmerchaos.
Nachdem ich meine schwarze Jeans und mein bordeauxrotes Spitzenoberteil angezogen hatte, nahm sich Clara meinen Haaren an.
Sie selbst trug eine dunkelblaue Jeans und eine himmelblaue Bluse, welche die gleiche Farbe hatte wie ihre Augen.
Ihre honigblonden, kinnlangen Haare klemmte sie nur mit einem Spängchen zurück.

Mir zauberte sie sanfte Wellen in meine Haare und steckte ebendiese in eine halboffene Frisur zurück.
Juli neben uns stylte sich ebenfalls seine Haare und meckerte dabei leise, seine Frisur würde einfach nie gut aussehen.
Er hatte sich ein graues Hemd zu seiner Jeans angezogen, welches ihn definitiv älter als vierzehn wirken ließ.

Schließlich hatten wir es geschafft.
Meine dunklen Augen wurden von verschiedenen Brauntönen schattiert, meinen Mund betonte ein ebenfalls bordeauxroter Lippenstift.
Eine Silberkette schmiegte sich in meine Halsbeuge und in meinen Ohren funkelten kleine Steinchen.

Clara hingegen hatte auf jeglichen Lidschatten verzichtet, sich dafür aber einen dramatischen Eyeliner gezogen, welcher uns beide einige Nerven gekostet hatte.
Ihre Lippen schimmerten in einem sanften Pfirsichton, welcher sich auf ihren Wangen wiederfand.
Nun reichte ich ihr noch eine goldfarbene Kette, welche sie lächelnd annahm und umlegte.

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