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An diesem Morgen klingelte es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder an unserer Wohnungstür, und als ich gestriegelt und geschniegelt öffnete, hakte Violet sich auch schon bei mir unter, rief Clara ein „Sorry, aber wir sind irgendwie zu spät dran" zu (ich hatte bis zu diesem Moment die Uhrzeit komplett verdrängt) und zog mich hinter sich her durchs Treppenhaus. 

Im Schweinsgalopp rannten wir die unzähligen Stufen hinunter, unsere Schritte hallten im Flur wider. 
Ein Glück, dass die meisten unserer Nachbarn auch um diese Uhrzeit auf dem Weg zur Uni waren, sonst hätte sich sicherlich der Eine oder Andere über uns beschwert. 
Als wir uns endlich in die Tube drängen konnten, war selbst auf Lynns sonst so blassen Wangen ein zarter Rotschimmer zu erkennen. 
Violet kniete sich nieder, um ihre Schuhe wieder ordentlich zuzubinden und wäre beinahe rücklings umgefallen, als die Tube ruckartig anfuhr, wäre nicht so ein Gedränge gewesen. 

Ich hingegen hatte meine Hände in meine Seite gestemmt und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. 
Dabei überlegte ich, wann ich das letzte Mal wirklich Sport gemacht hatte. 
Leider bestätigte mein Gehirn mir, was mein Körper signalisierte: ich ging zwar ab und an ganz gerne spazieren, aber meine Ausdauer war am Ende. 
Kein Wunder, ich hasste Joggen einfach. 
Davon bekam man nur Seitenstechen. 

Und auch wenn ich es liebte zu tanzen, war „Wir sprinten am frühen Morgen mal vollbepackt mit unseren Taschen durch so gefühlt die halbe Stadt" doch eine andere Nummer. 

Gerade noch rechtzeitig ließen wir uns im Hörsaal nieder, wo wir die Vorlesung über uns ergehen ließen.

Wenige Stunden später fühlte ich mich, als hätte mich ein Zug überfahren. 
Völlig geplättet von der Flut an Informationen, mit der ich gerade zugeballert worden war, stolperte ich über den Parkplatz – und wurde tatsächlich beinahe an- oder auch überfahren. 

Eine mir wohlbekannte Stimme ließ einen Fluch los, bei dem vermutlich alle Engel und Heiligen (wenn es sie denn gab) erschrocken erzitterten, dann wurde die Beifahrertür mit der klaren Aufforderung, meinen Hintern in das Auto zu bewegen, geöffnet. 

Grinsend stieg ich ein, woraufhin Louis mit quietschenden Reifen wendete und losfuhr. 
Hastig schnallte ich mich an, denn ich hatte keine Lust, fröhlich durch die Windschutzscheibe zu segeln, wenn der werte Herr das nächste Mal eine halbe Vollbremsung vollführte. 

„Wenn du mich das nächste Mal abholen willst, kannst du mir auch einfach ne Nachricht schreiben, ich beachte dich dann schon. Du musst mich nicht unbedingt fast umfahren", schmunzelte ich dann. 
„So macht es aber mehr Spaß", der Wuschelkopf zog nur eine Augenbraue hoch. 
„Ja, definitiv, finde ich auch. Was geht denn über einen kleinen Beinahe-Herzinfarkt zu Mittag?", der ironische Unterton in meiner Stimme war nicht zu überhören. 

„Eben", stimmte Louis mir aber nur fröhlich zu, und so, wie ich ihn kannte, war jeglicher Widerspruch einfach nur zwecklos. 
„Ich hoffe, du hattest heute Mittag noch nichts vor", fuhr er dann munter fort. 
Traurigerweise musste ich das bejahen. 
„Wenn Schokolade essen, Filme gucken und vielleicht ein bisschen lernen nicht zählt – nein." 

„Zählt nicht, wir haben jetzt nämlich was Besseres vor", elegant umkurvte Louis einen Müllwagen. 
Sagte ich gerade elegant

Streicht das. 

Jedenfalls knallten wir weder in den Müllwagen noch irgendwelche anderen Fahrzeuge oder Passanten. 
„Und was genau machen wir?", hakte ich nach, während ich mich mit meiner Hand vorsichtig am Sitz festhielt. 
„Das, meine Liebe, wird eine Überraschung", der Mann neben mir grinste immer noch. 
„Solange deine Überraschung Essen beinhaltet und ich überlebe, habe ich mal nichts dagegen", mein knurrender Magen bestätigte meine Worte. 

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