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Das war doch nicht möglich!
Da ich die Autoplay-Funktion auf YouTube eingeschaltet hatte, waren weitere Videos abgespielt worden.
Gerade lief Promiflash, einer der qualitativ sehr hochwertigen Kanäle.
Dies war aber nicht der Grund für meinen Schock.
So völlig von der Rolle war ich, weil ich Henry, meinen werten Nachbarn, auf dem Bildschirm sah.
Es sei denn, er hatte einen eineiigen Zwilling.

Trocken schluckte ich und sah zum Videotitel. „Konzerte abgesagt – Mysteriöses Verschwinden von Harry Styles".
Zitternd spielte ich den Clip von vorne ab.

„In den vergangenen Wochen wurden sämtliche Konzerte von Popstar Harry Styles abgesagt – Er selbst twitterte nur 'I need some time for myself, hope you're showing understanding. All the love, H.'
Wo steckt Harry Styles?
Unser geliebter Lockenschopf wurde seit Wochen nirgends mehr gesehen, noch hat man etwas von ihm gehört.
Ein Insider erzählt, Harry gehe es gut, über seinen Aufenthaltsort wollte er jedoch auch nichts preisgeben. Wir wünschen dem One-Direction-Sänger alles Gute und hoffen ihn bald wieder zu sehen!"

Die Bilder, die währenddessen eingeblendet wurden, raubten mir den Atem.
Ungläubig schaute ich das Video wieder und wieder an, doch ich konnte es nicht leugnen.

Ich wusste genau, wo Harry Styles steckte, wie es so nett ausgedrückt wurde.
Er steckte in Deutschland, in einem Kuhkaff, etwa zwanzig Meter von mir entfernt.

Da wurde mir noch etwas Anderes klar: Ich hatte mich ernsthaft in einen Star verguckt!
Der ins Nachbarhaus eingezogen war... Das war doch einfach lächerlich!
So etwas passierte in Filmen.
Es passierte in FanFictions.
Von mir aus passierte es auch noch in Teenager-Träumen, aber das passierte doch nicht im wahren Leben – und schon gar nicht in meinem?

Wie in Trance wankte ich in die Küche und schenkte mir ein Glas Wasser ein, den Blick zum Nachbarhaus sorgfältig vermeidend.
Entschlossen schnappte ich mir meinen Laptop, öffnete Google und tippte „Harry Styles" in die Suchleiste ein.
Als ich durch die Bilder scrollte, stellte ich fest, dass es wirklich keine Zweifel gab.
Ich hatte es mir nicht eingebildet.
Er war es.

Und auf einmal gab so vieles Sinn.
Er war Engländer, das stimmte.
Er war nicht reich, er war verdammt noch mal stinkreich, was den Hauskauf und das Auto erklärte.
Das krampfhafte Verlangen nach Privatsphäre, wie könnte es anders sein, wenn man sein komplettes Leben lang jeden Tag von Paparazzi und Fans verfolgt und fotografiert oder gefilmt wird?
Seine Weigerung, irgendetwas wirklich Privates von sich preiszugeben war auch total logisch, alles konnte früher oder später an die Öffentlichkeit gelangen.
Die Unfähigkeit, Auto zu fahren, war durch einen Chauffeur auch erklärt.
Dass er nicht singen wollte, war auch plausibel, an seiner Stimme hätte ich ihn vielleicht sogar noch erkannt.

Einige Artikel später war ich um einiges schlauer.
Harry war durch One Direction berühmt geworden – ja, das sagte selbst mir noch etwas -, startete aber gerade eigentlich mit seiner Solokarriere durch.
Erst als ich die Riesenliste der alten Lieder sah, wurde mir klar, was für eine große Rolle die One-Direction-Hits in meiner Kindheit gespielt hatten.

Nur an die Namen der Bandmitglieder konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Klar, da war Harry.
Und Louis – dazu fiel mir nur das altbekannte Chicken, stuffed with mozarella, wrapped in parma ham with some home made mash ein.
Gab es da aber nicht noch einen mit L?
Wikipedia lieferte die Antwort; ja, Liam, außerdem noch Niall und anfänglich Zayn.

Aber auch einige der neueren Lieder Harrys kannte und mochte ich, vor allem „Two Ghosts" zog mich immer und immer wieder in seinen Bann.

Das Mittagessen zog an mir vorbei, ich war vollkommen in meine Gedanken versunken. Innerlich versuchte ich, Harry und Henry zu einer Person verschmelzen zu lassen, doch es wollte mir noch nicht so recht gelingen.
Henry war so bodenständig, so nett, so gegenteilig zu allem, wie man sich Stars vielleicht vorstellen mochte.
Er wirkte meistens doch einfach normal, überhaupt nicht abgehoben oder sonst was.
Geistig völlig abwesend schaufelte ich das Essen in mich hinein, nahm aber gar nicht wahr, was ich eigentlich da gerade aß.

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