Auf der kaum befahrenen Dorfstraße begann ich dann später, Henry in die Kunst des Rechtsfahrens einzuweisen.
Wenigstens versuchte ich es, musste dann aber feststellen, dass seine Fahrkünste so miserabel waren, dass ich es nicht verantworten konnte, ihn so irgendwo hin fahren zu lassen.„Sobald der Schnee weg ist, lernst du mal richtig Auto fahren", versprach ich.
„Wie hast du es denn so bitte durch die Fahrprüfung geschafft?"
Henry nuschelte etwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart, und riss erschrocken die Augen auf, als ich durch ein beherztes Drehen am Lenkrad einem verirrten Huhn das Leben rettete.„Ups", meinte er nur kleinlaut, während ich fassungslos den Kopf schüttelte.
Unwillkürlich schoss es mir durch den Kopf, dass ein solches Auto an einen Fahranfänger doch komplett verschwendet war.
Wir waren damals entweder mit den großen Familienkombis unserer Eltern durch die Weltgeschichte gegurkt – etwas, das bei mir auch heute noch Alltag war - oder hatten kleine, klapprige Rostlauben besessen, bei denen man vor jedem anstehenden TÜV zwei Rosenkränze gebetet, das Auto mit Weihwasser besprenkelt und eine Kerze in der Kirche aufgestellt hatte.Nach Anrufung sämtlicher Heiliger hatte man sich dann in die Werkstatt getraut und war innerlich tausend Tode gestorben.
War der TÜV erfolgreich überstanden, folgte diese Prozedur aus Dankbarkeit noch ein Mal.Ich konnte zwar nichts Genaues sagen, aber dieses Auto hatte jede Menge PS, das erkannte sogar ich.
Entweder, Henry bekam all das von seinen Eltern in den Arsch geschoben – was ich aber bezweifelte –, oder er selbst war einfach unfassbar reich.
Dies erschien mir zwar auch unwahrscheinlich, aber irgendjemand hatte ja das Kramer-Haus bezahlt.
Und das Auto.
Und einfach mal einen Spontanflug, um umzuziehen?Das war auch nicht gerade typisch, wenn man arbeitete.
Dazu kam, dass er mir immer noch so verdammt bekannt vorkam!Nachdem wir das Auto halbwegs gerade geparkt hatten und das Huhn zurück zu Hermann gebracht hatten – dabei hatten wir verschwiegen, wie wir es gefunden hatten -, gab ich Henry kurzerhand meine Handynummer.
„Ist vermutlich einfacher, wenn wir die Uhrzeit per WhatsApp ausmachen, als wenn ich dich wieder aus dem Schlaf klingle oder so", erklärte ich.Ihm noch kurz zuwinkend eilte ich wieder zu unserem Haus, es war höchste Zeit, mit dem Kochen anzufangen.
Am Nachmittag arbeitete ich mehr oder weniger motiviert an meiner Hausarbeit.
Im Moment war ich zwar noch relativ gut in der Zeit, aber ich wusste, dass ich, wenn ich nicht meinem inneren Schweinehund einen ordentlichen Tritt gab, am Abend und vor allem in der Nacht vor dem Abgabetermin noch jede Menge Stress hätte.
Darauf konnte ich wirklich verzichten, obwohl es immer sehr amüsant war, den Anderen beim Panikschieben zuzusehen.Doch meine höchst produktive Phase wurde durch Clara unterbrochen, welche spontan vorbeikam.
„Du machst doch nicht ernsthaft jetzt etwas für die Uni", entfuhr es ihr fassungslos anstelle einer Begrüßung, als sie die auf dem kompletten Boden verteilten Bücher sah.
Mein Bett und mein Sofa waren mit verschiedenen Ordnern bedeckt, auf meinem Schreibtisch stapelte sich loses Papier, welches entweder nicht genau kategorisierbar war oder bei welchem ich mir immer gedacht hatte, ich würde es später einordnen.Inmitten von diesem Chaos hockte ich vor meinem Laptop, meine Stifte waren kreuz und quer verstreut, und über mein doch etwas außergewöhnliches System einen Überblick zu erlangen war wohl für Außenstehende unmöglich.
Da Clara und ich auch schon zusammen für unsere Abiturprüfungen gelernt hatten, wusste sie zwar, womit sie es zu tun hatte, hütete sich aber, auch nur ein Blättchen um zwei Millimeter zu verschieben.
„Ich dachte, ich ordne mal ein paar Sachen, und ich wollte für ein paar Themengebiete noch was nachlesen", erklärte ich.
„Und die Ordner habe ich ja nur hier, die will ich nicht alle mitschleppen... Aber was machst du eigentlich hier?"
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Magic
Fanfiction„Sing mit!", forderte ich ihn auf. Aus dem Augenwinkel meinte ich zu erkennen, wie sich seine Augen entsetzt weiteten, doch als ich ihn anblickte, war davon nichts mehr zu sehen, und so lenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder nach vorne. „Das... Das...