Doppelgänger

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Corbyns Sicht

Maike und Leslie schienen über irgendwas zu reden, was sie die ganze Zeit vom Unterricht abhielt. Sie hätte auch genauso gut Zuhause bleiben können, denn sie bekam nichts von dem mit, was Mr. Jones erzählte.
Ich glaube ich statte ihr heute einfach Mal einen Besuch ab. Ihre Mutter würde sicher nichts dagegen haben.
Wie immer schrieb ich alles mit, was Mr. Jones oder irgendein anderer Dozent erzählte, denn dann war es für mich leichter es nach zuarbeiten. Denn die Dozenten gaben ja nicht selten hilfreiche Tipps nebenbei.

Schien als hätte Maike mich vergessen, aber irgendwas hatte sie auch schon wieder gestört, an dem, was ich ihr vorhin gesagt hatte. Ich dachte Mädchen stünden darauf, wenn man ihnen sagt, wie wichtig sie einem waren. Irgendwie kam sie mir wütend vor, nachdem ich sie als »mein Mädchen« oder irgendsowas banales bezeichnet hatte. Ich verstand eigentlich nicht, warum man sowas sagte. Eigentlich ist das ja schon ziemlich unterdrückend. Sie gehört immerhin nicht automatisch mir, nur weil sie mit mir zusammen Zeit verbringen will. Wenn dann gehörte sie zu mir.
Gesagt hatte ich das nur, damit ich ihr zeige, wie wichtig sie mir war.

Maikes Sicht

Im Bus kam mir eine super gute Idee für ein Spiel, was ich mit Leslie spielen könnte. Ich erklärte ihr die Regeln bereits im Bus. Bei dem Spiel würde ich dann auch herausfinden, wie die anderen Leute mich beschreiben würden. Naja oder zu mindest, wie Leslie mich beschrieb.
„Ja genau also jeder schreibt fünf Merkmale der gesuchten Person auf eine Karte, atürlich ohne den Namen, und übergibt sie dann den jeweils anderen. Abwechselnd raten die anderen dann. Sie dürfen auch noch Fragen stellen und so.“ erklärte ich begeistert. Leslie guckte konzentriert und versuchte die wahrscheinlich viel zu schnell vorbei ziehenden Informationen zu verarbeiten.
„Im Grunde wie wer bin ich. Nur mit Tipps.“ sagte Leslie am Ende meiner Erklärung. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie Recht hatte. Es war einfach nur Wer bin ich. Wir beide lachten meine Dummheit aus, als wir gerade aus dem Bus stiegen.

„Bist du fertig mit deinem Zettel Maike?“ rief Leslie ungeduldig. Sie suchten genervt.
„Wie lange kann das denn dauern fünf Merkmale von deiner Person aufzuschreiben?“ nörgelte sie. Ich hatte eben eine besondere Person gewählt. Da durfte ich keinen Fehler machen. Er hatte nämlich keine Fehler.
„Warum grinst du so blöd?“ fragte Leslie mich kurz darauf verwirrt und zog verstört eine Augenbraue hoch.
„Nichts, habe an etwas gedacht.“ sagte ich, als wäre es etwas komplett unwichtiges gewesen.
Ich kam nun auch zu ihr und setzte mich vor sie auf den Teppich. Wir übergaben uns gleichzeitig die Zettel.

Maikes Zettel

1. Männlich
2. Liebt singen
3. Mathe-Profi
4. Mag Astronomie (wahrscheinlich)
5. Seine Augen sind schöner als jeder Stern

Leslie's Zettel

1. Weiblich
2. Ist viel zu abgelenkt von Mathe... Nicht Mal Schaukeln kann man in Ruhe. Sie rechnet immer diese Schwingdings aus
3. Mag Musik sehr gerne und singt viel, obwohl sie besser bei ihren Instrumenten bleiben sollte
4. Hat die Beste Freundin der Welt
5. Trägt gerne hübsche Unterwäsche, obwohl ihr Kleidungsstil eher schlicht ist.

Ich las mir den Zettel, den Leslie mir gegeben hatte, genau durch und stuzte. Der ist ja fast wie meiner. Naja die Schwerpunkte sind ähnlich, denn ich bezweifle, dass Corbyn rote Spitzen BHs trägt oder dazu passende Slips. Ich lachte, aufgrund der Vorstellung von einem Corbyn in diesen Sachen.
„Was lachst du. Ich bin die beste Freundin der Welt und das mit der Schaukel war auch immer nervig früher.“ sagte sie empört. Wir schrien plötzlich total hysterisch, als die Tür mit einem schnellen Schwung geöffnet wurde.
„Nein Gott bewahre...“ seufzte ich, als ich Daniel den Raum betreten sah, dicht gefolgt von Corbyn, der noch breiter als Daniel lächelte.
„Hey Süße was hast du denn gegen mich? Ich bin auf Wunsch eines einzelnen hier ja?!“ sagte Daniel gespielt empört, was ihn extrem arrogant wirken ließ. Leslie kriegte sich nicht mehr ein.
„Ja das ist Daniel Seavey, aber trotzdem darfst du den Mund jetzt wieder zu machen. Er ist nur...“ ich überlegte noch für eine zu ihm passende Beschreibung, als ich von hinten hochgenommen wurde. Wie machte er das immer, erstens unbemerkt an mir vorbei zu kommen und zweitens einen Koloss wie mich so leicht hochzunehmen?
„Corbyn!!“ kreischte ich, aber eigentlich wollte ich gar nicht, dass er mich losließ. Er setzte mich auf den Bett ab und setzte sich neben mich. Ich rückte direkt näher an ihn ran. Heute war ich total in Kuschellaune. Das war nicht gut. Ich war einfach in der Sache wie eine Katze. Ich wurde immer so kuschelig, wenn ich meine Tage bekam.
„Och nö darauf hab ich ja jetzt Mal so null Bock.“ flüsterte ich genervt. Corbyn lehnte sich zurück und brachte wieder Abstand zwischen uns.
„Auf mich?“ fragte er besorgt. Mein Kopf war, weil er sich nach hinten gelehnt hatte, von seiner Schulter in seinen Schoß gerutscht.
„Eyy!“ sagte ich empört über den Verlust meiner gemütlichen Position.
„Sollen wir lieber rausgehen, wenn ihr jetzt irgendwelche Pläne habt?“ fragte Daniel, der seinen Arm um Leslie's Hüfte gelegt hatte.
Oh man das war peinlich. Das müsste total falsch aussehen, wie mein Kopf bei Corbyns... Naja auf seinem Schoß lag. Ich schreckte hoch und stieß dabei mit meinem Hinterkopf an sein Kinn.
„Argh!“ schrien wir beide gleichzeitig und hielten uns die schmerzenden Stellen.
„Alles gut. Nein bleibt hier. Bitte. Also das war nicht so, wie es aussah. Es war seine Schuld.“ sagte ich als erstes, weil mir das nicht so dolle wehgetan hatte. Ich war eben ein Dickkopf und in dem Fall war ich sehr stolz drauf.
„Warun meine Schuld?“ nuschelte Corbyn kaum verständlich, aber klang trotzdem verärgert.
„Wer hat sich denn nach hinten gelehnt.“ sagte ich rechthaberisch und sprang dann auf, um Daniel mein Cello aus der Hand zu nehmen.
„Hey lass das stehen. Das ist von meinem... Es ist mir wichtig.“ Warum konnte ich denn auf einmal nicht mehr über ihn reden. Sonst ging es doch auch. Ich hatte den Schmerz des Verlustes halt nie zugelassen, damit ich mich besser auf die wichtigen Dinge konzentrieren kann, aber seit dem ich Corbyn getroffen hatte, kam das alles immer einfach so.
Ich verdrängte die Gedanken an ihn und konzentrierte mich wieder auf Leslie, Daniel und Corbyn.
„Ich kann gut spielen.“ sagte Daniel und Corbyn, sowie Leslie nickten zustimmend.
„Kannst du Gitarre spielen Corbyn?“ fragte Leslie und sah mich mit ihrem Jetz-warte-mal-ab-Blick an. Noch etwas unschlüssig gab ich Corbyn meine Gitarre.
„Spiel doch Geige.“ bat er, als er die Gitarre nahm.
Woher wusste er das? Hatte Leslie es ihm gesagt? Nein wann sollte sie es denn gemacht haben.
Daniel kam ihr gefährlich nahe. Als ob sie sich schon so gut verstanden nach nicht Mal zehn Minuten. Er flüsterte ihr irgendwas zu und sie nickte eifrig, daraufhin sahen sie beide uns erwartend an.
Ich humpelte seitlich zu Corbyn rüber, der sich runter beugte. Dabei ließen wir die beiden nicht aus den Augen.
„Jetzt habe ich Angst...“ flüsterte ich ihm zu. Er nickte zustimmend und dann kicherte ich. Er schien wirklich ziemlich nervös zu sein. Er ist sooo süß.
„Sag ich doch!“ freute sich Leslie stolz und schlug Daniel auf die Schulter.
„Sie steht voll auf ihn.“ sagte sie verräterisch. Ich zuckte nur mit den Schultern und tat so, als hätte ich das nicht gehört.
„Ich will nicht mehr Violine spielen. Rate erstmal zuende.“ sagte ich herausfordernd. Leslie sah zu mir und ich merkte, dass sie sich total unterfordert fühlte. Sie winkte mit der Hand ab.
„Pfff. Ist doch easy. Es ist Bean, ganz klar.“ stellte sie in Windeseile fest, ohne überhaupt nochmal auf den Zettel geguckt zu haben.
Corbyn ging zu den beiden Zetteln, die auf dem Teppich lagen und hob beide auf.
„Die sind ja fast identisch.“ staunte auch er. Ich nickte nur, weil mich das auch schon überrascht hatte. Die Person, die Leslie ausgewählt hatte, musste perfekt zu Corbyn passen. Bestimmt viel besser als ich. Moment ich?
„Ich?“ fragte ich leise und Aha Leslie an. Sie nickte zufrieden darüber, dass ich es auch endlich verstanden hatte.
„Mensch Süße. Er ist dein Doppelgänger. Daniel sagt auch, dass er genauso nervig ist. Man kann nichts machen ohne, dass es vorher genau berechnet wird.“ sie verdrehte die Augen und wir beide senkten lächelnd beschämt den Kopf. Beschämt darüber, dass wir es nicht selber erkannt hatten.
Ich merkte, wie Corbyn mich kurz ansah. Er zögerte und zog seinen Arm wieder zurück, als er ihn gerade nach mir ausstrecken wollte.
„Sollen wir jetzt raus gehen?“ fragte Daniel im Einklang mit Leslie.

Corbyn Besson FF | DoppelgängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt