Kapitel 2

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Der erste Morgen des Schuljahres brach herein. Harry knurrte und streckte sich, als er von den einfallenden Sonnenstrahlen geweckt wurde. Die anderen Jungen schliefen noch. Harry setzte sich auf und beobachtete, wie sich Rons Brustkorb hob und senkte. Vor ein paar Monaten hatten sie noch im Wald geschlafen, sich zerstritten und schließlich Seite an Seite im Krieg gekämpft. Er schaute sich weiter um. Neville drehte sich zur Seite und Seamus schnarchte einmal laut auf. Doch ein Bett war leer. Dean Thomas kehrte nicht nach dem Krieg zurück. Über die Jahre hinweg hatte er seine Freunde wirklich lieb gewonnen, doch es herrschte nicht mehr die ausgelassene Stimmung zwischen ihnen und durch Deans Fehlen war Seamus sehr betrübt. Harry stand auf und ging in das kleine Bad. Er putzte sich die Zähne und wusch sich das Gesicht. Das kühle Wasser tat ihm gut auf seiner warmen Haut und er fühlte sich lebendiger als vorher. Seine Gedanken kreisten noch immer um den jungen Malfoy, in den er sich verliebt hatte. Er versuchte, diese Gefühle zu verdrängen, doch das wollte ihm nicht gelingen. Zu schön waren die Erinnerungen an sein fünftes Schuljahr. Harry versuchte gerade, sein wirres schwarzes Haar zu bändigen, als Ron verschlafen in das Gemeinschaftsbad kam. Er reibte sich über die Augen und streckte sich. Harry schaute ihn erwartungsvoll an, „Schon wach?" Ron brummte, „Ja, leider. Dabei ist es doch Samstag. Eins muss man dem ganzen ja lassen, den ersten Schultag auf einem Freitag zu legen, hat schon was Gutes und jetzt raus hier, ich muss mal." Harry tat, wie ihm geheißen. Er zog sich eine Jeans und einen Hoodie an und verließ den Schlafsaal. Der Gemeinschaftsraum war leer, nur ein paar vereinzelte Schüler hockten auf den Sesseln und lasen ein Buch oder unterhielten sich leise. Doch Harry war nicht nach Kommunikation. Also ging er hinaus und wanderte die Korridore des Schlosses. Unbewusst trugen ihn seine Beine in Richtung des Slytherinkerkers. Irgendetwas löste in ihm den Drang aus, genau dort hinzugehen. Vielleicht war es die Hoffnung, Draco zu sehen, vielleicht war es aber auch die Angst um ihn. Auf jeden Fall war er der Grund, warum sein Herz ihn an genau diesen Ort schickte. Doch der Korridor war leer.

Der blonde Slytherin saß auf seinem Bett und schaute aus dem kleinen Fenster in den trüben See. In Gedanken versunken strich er sich eine Strähne aus dem Gesicht. Er hatte bereits geduscht und war fertig angezogen. Eigentlich wollte er spazieren gehen, doch etwas hielt ihn zurück. Denn da waren diese Schuldgefühle, dieser Scham und diese Wut. Denn er wusste, dass ganz Hogwarts ihn hasste. Schließlich hielt er es nicht länger in seinem kleinen Zimmer aus und verließ den Kerker. Leise hallten seine Schritte auf dem Stein des Korridors wieder. Draco ging mit großen Schritten Richtung des Innenhofes. Dabei merkte er nicht Harry, der in einem der Erker auf ihn wartete. Als Harry den Klang der Schuhe vernahm, schreckte er auf und lief Draco hinterher. Dieser merkte nicht, wie er verfolgt wurde, denn seine Gedanken waren im Krieg stecken geblieben. Wenn er sie nicht bald verdrängen könnte, würde er noch verrückt werden. Die Sonnenstrahlen kitzelten seine Haut, als er zu dem Brunnen ging, an dem er so viele Stunden verbracht hatte. Er setzte sich auf dessen Rand und wäre beinahe in das Wasser gefallen, als sich Harry neben ihn setzte."Hey!" sagte der Gryffindor. Draco wandte seinen Blick ab, doch grüßte leise zurück. Harry schaute ihn weiter an, „Draco, können wir reden? Es ist viel passiert und der Krieg hat uns alle verändert. Bitte schau mich an." Der junge Malfoy gehorchte und blickte geradewegs in die Augen, in die er sich verliebt hatte. „Harry, ich habe Fehler gemacht und glaub mir, das belastet mich schon genug. Ich bin ein Todesser, ich habe Leben auf dem Gewissen, auch wenn ich niemanden direkt getötet habe. Harry, ich habe viele falsche Entscheidungen getroffen. Was willst du noch hören? Ich leide schon genug, da musst du mir nicht noch sagen, was ich bin." Er wollte aufstehen, doch Harry hielt ihm am Handgelenk fest, „Das will ich doch gar nicht." Er ließ ihn los. „Hier, das gehört wohl dir." er reichte ihm seinen Zauberstab. Dracos Augen wurden groß, als er seinen Stab wieder in den Händen hielt, „Danke" und ging. Kurz bevor wieder im Schloss verschwand, drehte er sich noch einmal um. Er zögerte kurz. Seine Stimme klang brüchig, als er sagte: „Den größten Fehler habe ich in meinem fünften Schuljahr gemacht." Eine Träne rollte ihm über das Gesicht. Harry wurde von einer einnehmenden Wut ergriffen, „Was ?" Er konnte nicht glauben, dass Draco ihre gemeinsame Zeit bereute. Dabei hatte er ihm gesagt, dass er ihn liebt. Auch ihm liefen Tränen über das Gesicht. Doch entgegen seiner Erwartungen wurde auch Draco wütend, „Du siehst auch immer nur, was du sehen willst, oder?" Noch lange funkelten sich beide wütend an. Draco wollte es ihm erklären, doch er konnte nicht, seine Kraft reichte nicht aus. Schließlich riss er sich von dem Blick los und lief zurück ins Schloss. Hunger hatte er keinen und in seinem Zimmer ging er nur ein. Also steuerte er geradewegs auf die Bibliothek zu. Ein gutes Buch half ihm immer, sich zu beruhigen. Er stöberte die Regale entlang, bis er an einem Band stehen blieb. Seine Finger fuhren über den empfindlichen Einband und zog es aus dem Regal. Er blätterte ein wenig in den Seiten rum und atmete den staubigen Geruch des alten Buches ein, als plötzlich ein blondes Mädchen mit roten Rüben-Ohrringen neben ihm stand und ihn mit schiefen Kopf anstarrte. Draco zuckte zusammen, „Luna, hast du mich erschreckt." Er klappte das Buch zusammen und drehte sich zu ihr. Sie fesselte ihn mit ihrem Blick und sagte mit ihrer liebevollen, verträumten Stimme: „Du hast mit ihm geredet, aber es lief nicht so, wie du wolltest." Draco nickte und Luna sprach weiter, „Ich verspüre eine große Lust, zu tanzen. Komm mit nach draußen." Draco hatte keine Wahl abzulehnen, denn Luna hatte ihn an die Hand genommen und zog ihn mit. Harry stapfte wutentbrannt zurück in seinen Gemeinschaftsraum. Er verstand nicht, was Draco eigentlich wollte. Was wollte den Harry sehen, was er aber nicht meinte. Dass er ihn nicht liebte, wollte er doch sicher nicht sehen. Harry schmiss sich auf einen der Sessel am Fenster. Er schaute hinaus und sah, wie Draco mit Luna tanzte. Das machte ihn nur noch wütender.

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