Kapitel 25

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Als sie das Eingangstor passierten, spürte Harry, wie sich Dracos Muskeln anspannten. „Alles ok?" fragte er. Der Blonde nickte kaum merklich und ging weiter. Er öffnete die große Tür und die Beiden traten in den großen Flur. Sie stellten ihre Koffer ab und gingen weiter in das große Wohnzimmer. Die Möbel waren unter einer dicken Staubschicht begraben und kleine Staubpartikel wirbelten bei den Betreten des Raumes auf. Draco blieb mitten im Raum stehen, während Harry sich umschaute, „Das letzte mal, als ich hier war, wollte dein Vater und Bellatrix mich an Voldemort verraten." Draco schaute ihn an, „Ich weiß, ich war dabei." Er zögerte kurz, „Komm ich führ dich ein bisschen rum." Gesagt, getan. Draco zeigte ihm das ganze Haus und erzählte dazu viele Geschichten. Harry erfuhr mehr von Draco, als in der ganzen Zeit zusammen. Er tat ihm leid, weil er so viel Leid erfahren hatte, aber Harry verstand, dass Draco nie der arrogante Junge war, für den er ihn am Anfang gehalten hatte. Als sie in Dracos Zimmer angekommen waren, sagte Harry „Danke, dass du mir das erzählt hast." Er ging herum und schaute sich alles an. Schließlich blieb er an der Fotocollage stehen. „Pansy hat sie mir geschenkt. Jedes Jahr zu meinem Geburtstag schenkt sie mir eine neue, mit den Bildern des letzten Jahres. Deshalb ist die halbe Wand voll. Meine Eltern hassten sie, also die Collagen. Sie wollten immer, dass Pansy und ich heiraten. Aber uns war klar, dass das nie passieren würde." Er war immer näher an Harry herangegangen und umarmte ihn schließlich von hinten. Er legte sein Kopf in seine Halsbeuge. Harry lächelte. Nach einer Weile fragte er, „Schlafen wir heute hier?" Draco verließ seine Position, „Dafür müssen wir hier noch ein bisschen aufräumen. Kannst du das machen, ich würde die Küche putzen und dann können wir was, bzw. ich dir was kochen." Harry küsste ihn auf den Mund, „Hast du keine Angst, dass ich was finde, was ich nicht sehen soll." Draco schüttelte den Kopf, „Keine Geheimnisse. Harry, du bist die einzige Familie, die ich habe." Der Gryffindor küsste ihn wieder. Dann verließ Draco den Raum. Harry machte sich daran, den Raum zu entstauben. Danach bezog er das Bett neu. Er zog die Vorhänge zur Seite und lüftete. Schließlich räumte er seine und Dracos Sachen in den Schrank. Zum Schluss setzte er sich an Dracos Schreibtisch und sammelte die darauf liegenden Bücher ein. Er sortierte sie in das Regal an der anderen Seite des Raumes. Er war fast fertig und hatte nur noch ein Buch in der Hand. Es war etwas kleiner, aber dafür breiter als die restlichen Bücher. Der dunkle Einband mit der kleinen Schlange faszinierte ihn. Er öffnete es und erschrak. Das sonderbare Büchlein war sein Tagebuch. Obwohl Harry es nicht lesen wollte, so waren seine Augen schneller, als sein Wille und so fanden die Worte in sein Kopf:

Es ist dunkel, ich bin allein.
Will mich ertränken in meinen Tränen.
Denn ich habe Angst.
Zu verlieren, dich, mich, das hier. Du bist immer für mich da, sagst du.
Wenn es mir schlecht geht. Und wenn es mir gut geht? Wenn ich nicht im Dunkeln lebe und am Boden liege? Was passiert, wenn du mir das Lachen wieder beigebracht hast? Bleibst du oder hast du deine Aufgabe erfüllt?
Ich habe Angst.
Vor dem Unbekannten. Ich weiß nicht, wie ich leben soll, wenn es wieder Licht in meinem Herzen gibt.
Ich habe Angst.
Dass nichts mehr ist, wie vorher. Du sagst mir, die Ängste wären dumm.
Jetzt habe ich Angst, dass du mich verurteilst, als bleibe ich stumm. Ich habe Angst.
Zu fragen. Zu reden.
Du fragst mich, was los sei und die Stimme in meinem Kopf, meine Stimme, sagt mir, dass ich lieber nicht antworte.
Weil ich Angst habe.
Dich zu verletzten. Das Falsche zu antworten. Also bleibe ich lieber stumm.
Ich habe Angst.
Vor dem Stummbleiben.
Also schreibe ich, denn reden kann ich nicht. Du ließt meine Texte und sagst mir, ich löse in dir Sorgen aus.
Also habe ich Angst.
Vor dem Schreiben.
Doch ohne Schreiben habe ich Angst.
Zu explodieren.
Dann habe ich noch Angst.
Zu essen.
Doch du sagst mir, ich solle das tun. Essen.
Jetzt habe ich Angst nicht zu essen. Doch jeder Bissen tut weh. Weil ich so viel Angst habe, verletze ich mich.
Du sagst ich dürfe das nicht.
Jetzt habe ich Angst, die Anzahl der Narben zu erweitern. Dich zu enttäuschen.
Doch weil ich es lasse und weiter Angst habe, habe ich Angst, dass es mir noch schlechte geht.
Dann dachte ich, Alkohol helfe die Angst zu verdrängen und mit funkelnden Augen trank ich mir Mut an. Ich verlor die gefürchteten Hemmungen und tat das, wovor ich Angst habe.
Ich habe Angst.
Zu weinen.
Ich habe Angst.
Zu lachen.
Ich habe Angst.
Vor dem Leben. Sogar vor dem Sterben.
Aber am meisten Angst habe ich. Vor dir.
Weil du mir so unglaublich wichtig bist.
Ich habe Angst davor Fehler zu machen.
Und damit dich und alle anderen zu verlieren.
Ich habe Angst, dass das was ich liebe verschwindet und ich in meiner Einsamkeit verloren gehe. Deshalb habe ich Angst vor den, was ich liebe und meide es.
Doch dann habe ich Angst, dass ich es nie wiedersehe und alleine bleibe.
Alles was ich also habe sind Angstzustände.
Und Druck.
Den Druck, den du mir machst, und die Angst, den nicht zu erfülle, und die Angst, dass sich eine Angst bewahrheitet.
Es ist dunkel, ich bin alleine.
Will mich ertränken in meinen Tränen.
Denn ich habe Angst.

Ehe er sich versah, blätterte Harry weiter. Auf jeder Seite stand das selbe, nur das Datum veränderte sich kontinuierlich. Ganz am Ende las Harry den letzten Satz und Tränen kamen ihm in die Augen:

Du solltest es erfahren, aber das Schicksal war gegen uns.
Es tut mir leid, H

Die Tinte war an dieser Stelle verwaschen. Draco musste geweint haben. Doch Harry wusste, dass sein Name da gestanden hatte. Er legte das Buch auf den Schreibtisch zurück und ging hinunter in die Küche. Als er ein leises Schluchzen aus der Küche hörte, beeilte er sich dahin. Draco saß weinend am Küchentisch. Sein Hemd war an seinem Handgelenk rot verfärbt. „Schatz, bitte." Harry zog ihn hoch und umarmte ihn. Gemeinsam sanken sie zu Boden. Draco weinte bitterlich, Harry versuchte ihn zu beruhigen, „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin da. Ich mache auch Fehler und Fehler machen ist okay, Fehler machen ist menschlich. Bitte hör auf mich, es tut weh, wenn ich weiß, dass du Angst vor mir hast. Denn ich habe keine vor dir. Weil ich dich liebe, möchte ich dich bei mir haben." Draco hörte auf zu weinen und verstummte. Harry nahm sein Gesicht in die Hände und wischte die Tränen weg. Er lächelte ihn an. „Du hast das Buch gelesen." sagte Draco kühl. „Entschuldigung, ich.." Harry rechtfertigte sich, doch Draco winkte ab, „Du solltest es lesen. Es war mir wichtig. Ich habe viele Fehler gemacht, viele Ängste haben sich bewahrheitet." „Was zählt ist, dass ich jetzt da bin und wir gemeinsam weitergehen. Das Schicksal ist auf unserer Seite." Draco erwiderte sein Lächeln und sie küssten sich innig. Dann stand Draco auf und schwang seinen Zauberstab. Teller, Besteck und Gläser flogen auf den Tisch, der mit einer edlen Tischdecke und Kerzen geschmückt war. Danach flog ein Topf hinterher, „Essen ist fertig. Wenn ich bitten darf." Draco deutete auf einen Stuhl. Harry ließ sich das nicht zweimal sagen und setzte sich. Draco tat es ihm nach. „Wir haben früher immer an der Tafel im Wohnzimmer gegessen. Nur meine Mutter und Tante Bellatrix saßen hier. Mein Vater kam so gut wie nie in die Küche, denn das hier war Dobbys Reich. Du kennst ja Dobby. Danach hat meine Mutter gekocht." Harry nickte, „Dobby, das war ein Jahr. Warte mal, als Dobby das erste mal zu mir kam, meinte er, dass er viel von mir gehört hatte, wie toll ich doch sei. Aber er lebte bei euch, das heißt..." „Ich habe es ihm erzählt. Ich saß oft in der Küche und habe mit ihm geredet, wenn meine Eltern nicht da waren." Sie lachten. Dann fragte Harry ungeduldig, „Was essen wir denn jetzt?" Draco hob den Deckel vom Topf und tat Harry eine Portion auf seinen Teller. „Spaghetti mit Tomatensoße?" lachte Harry. Draco lächelte, „Das ist mein Lieblingsessen. Das gab es bei uns nie, weil mein Vater das nicht angemessen genug empfand für unseren Stand. Jetzt darf ich hier machen, was ich möchte." Sie aßen zusammen und unterhielten sich viel. Als sie fertig waren, räumten sie schnell ab und Draco spülte mit einem Zauber.

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