"Isst du denn nicht auf?", fragte Jimin besorgt. Jungkook hatte wieder einmal die Hälfte liegen gelassen. "Kein Hunger.", nuschelte Jungkook. Das war gelogen. "Schmeckt es dir etwa nicht?", fragte Yoongi. Man sah dem Jungen seinen Hunger doch an seinem Körper an. "Ich mache dir was anderes." Jungkook schüttelte den Kopf, starrte auf den Bildschirm. Jimin wechselte seine Blicke mit Yoongi aus. Sie hatten keine Ahnung, was los war. Jungkook hingegen wusste es genau. Das ist nicht von Taehyung. Er wollte das Essen von Taehyung gemacht bekommen haben, nicht von Yoongi. Der Bildschirm leuchtete wieder auf und Jungkook konnte sich ein Lachen doch nicht verkneifen. Das leise Glucksen verklang wieder so schnell, wie es gekommen war. Er wollte Taehyung hören. Er wollte den Älteren wieder sehen. "Jungkook...", hauchte Jimin.
Er hat gelacht. Das dachte sich Jimin. Das dachte sich Yoongi. Wieso war der Junge jetzt so glücklich? Der Junge suchte die Ordner ab. Er suchte die Notizen ab und zum Glück gab es nur eine. Taehyung hatte Recht! Das dachte sich Jungkook und las sich die zwei Zeilen durch.
Eine Adresse.
Eine Telefonnummer.Jungkook schloss seine Augen, sah dann aus dem Fenster. Der Regen wurde langsam weniger. "Jungkook? Stimmt etwas nicht?" Er atmete tief ein. "Ich rufe ihn an.", hauchte der Junge, zog im gleichen Moment sein Hand aus seiner Tasche. Er entsperrte es mit einem aufgeregten Zittern. Das ging Jimin viel zu schnell. Er dachte, Jungkook würde wenigstens etwas zögern, aber er tippte schon ganz aufgeregt die Nummer ab. Das wird er nicht machen. Das dachte sich Yoongi und dann klappte Jungkook den Laptop zu, lehnte sich an die Wand hinter ihnen und hielt sein Handy an sein Ohr. Er wollte Taehyung so gerne hören, mehr als alles andere. Er wollte ihn so gerne sehen.
"Hallo?", eine müde -doch eher traurig betrübte- Stimme meldete sich in der Leitung und Jungkook wurde sein Herz so schmerzhaft schwer. Er hört sich nicht glücklich an. "Taehyung!" Seine Stimme überschlug sich etwas und brach ab, sodass er sich räuspern musste. "Jungkook! Mein kleiner Keks. Du hast den Laptop gefunden?" Jungkook musste sofort lächeln. Seine Wangen wurden ihm heiß. Er hat mich seinen kleinen Keks genannt. "Ja, habe ich!"
Jimin sah sich den Jungen an. Den, dessen Wangen plötzlich so rot wurden, dessen strahlendes Lächeln er noch nie so gesehen hatte. Er verstand nicht, was der böse Entführer sagte. Er verstand nicht, wieso Jungkook jetzt so unfassbar glücklich war. Er rutschte näher an Jungkook und lauschte gespannt dem Telefonat.
"Es ist schön deine Stimme zu hören, Jungkook.", hauchte Taehyung voller Sehnsucht. Er wollte ihn nicht über Signale empfangen. Er wollte ihn vor sich stehen haben. Taehyung starrte auf die vollen Einkaufstaschen, wartete bis Jungkook etwas sagte, aber das tat der Kleine nicht. Er blieb vollkommen stumm und Taehyung zählte innerlich die Sekunden, in denen Jungkook nicht antwortete. Seine Finger strichen über die Tischplatte. Etwas stimmte nicht. "Jungkook?", flüsterte er leise. Er hatte schon die Vermutung, dass Jungkook einfach aufgelegt hatte, aber das konnte nicht richtig sein. Er hörte ein zittriges Einatmen, gefolgt von einem herzzerreißenden Schluchzen. "Taehyung! Ich will zu dir! Ich will nach Hause! Wieso nimmst du mich nicht nach Hause?" Es machte Taehyung so traurig, sodass er sich selbst einen Kloß im Hals runterschlucken musste. "Jungkook... Bitte, weine nicht." Das hielt doch niemand der beiden wirklich aus.
Jimin nahm Jungkook schnell in den Arm. Das wollte er nicht. Es war schrecklich Jungkook so sehen zu müssen. Das Jungkook so sehr krank war, hätte ich nicht gedacht. Das dachte sich Jimin. Er strich dem Jungen über die Haare. "Ich will zu dir!" Jungkook presste sein Handy an sein Ohr. Er wollte Taehyung so nahe wie möglich sein. "Das verstehe ich, Kookie. Wir müssen aber noch etwas warten, ja?" Das wir klingt gut. Das dachte sich Jungkook. Du verstehst das überhaupt nicht! "Wieso? Wir waren bei der Polizei! Ich habe alles gesagt. Ich musste mich so oft wiederholen! Ich dachte, wir können endlich nach Hause!" Ja, das wir klang gut. Er verhaspelte sich immer wieder, musste Sätze neu bilden und schluchzte immer auf. "Jungkook. Du musst dich beruhigen, ja?" Jungkook verstand das nicht. "Wieso?" Er hörte den Älteren tief Luft holen. "Weil ich auch gleich weine." Das wollte Jungkook auf keinen Fall.
Wenn er den Älteren zum Weinen brachte, dann machte Jungkook ihn traurig.
Wenn er ihn traurig machte, dann liebte Taehyung ihn nicht mehr.
Wenn Taehyung ihn nicht mehr liebte, dann wird er nicht mehr zu ihm kommen.
Wenn er nicht mehr zu Taehyung kommen kann, dann wird er sterben.Jungkook war kaputt, ein krankes zerbrochenes Kind.
"Wo bist du, Jungkook?" Er hörte das Kind auf schniefen. Seine Stimme klang aber viel ruhiger jetzt. "Bei Yoongi." Er ist nicht daheim? Das dachte sich Taehyung und schloss die Augen. Der Regen sah schlimm aus. "Wieso bist du da?" Jungkook stotterte etwas vor sich hin. "W-weil der... also ich habe a-alles ge-geholt. D-der Regen und ich..." Er machte eine kleine Pause. "Ich weiß nicht, wo ich wohne." Das war es also. Taehyung schmunzelte etwas. "Ach Jungkook..." Was sollte er denn noch zu der Tollpatschigkeit von dem Jungen sagen? "Taehyung?" Es freute den Älteren, dass der Junge nicht mehr weinte. "Was denn?" Es war, als traute sich der Junge nicht, das auszusprechen, was er aussprechen wollte. "Ka-kannst..." Er hätte den Jungen fast nicht verstanden. "Kannst du mich abholen kommen?" Nichts lieber als das. "Jungkook... Ich habe dir gesagt, dass du noch nicht zu mir darfst." Er spürte seine Enttäuschung. "A-aber... kannst du mich nicht dann nach Hause fahren?" Taehyung sah auf die Einkäufe. "Natürlich. Das kann ich machen."
Jungkook war kaputt, ein krankes zerbrochenes Kind.
Diese Worte freuten Jungkook so unheimlich sehr. "Ich schicke dir die Adresse, Tae. Wann bist du da?" Er war nicht mehr ganz so traurig. Eher aufgeregt, denn bald schon kann er Taehyung wiedersehen. "Ich weiß es nicht." Das war Jungkook egal. Er konnte warten. Er würde einfach warten. Jimin dachte sich verhört zu haben. Jungkook will was? Er löste die Umarmung, sah verständnislos zu Yoongi. Er zuckte nur genauso ratlos mit den Schultern. "Tae? Ich liebe dich." Aus Unverständnis wurde Wut und als Jungkook dann auflegte, da sprang Jimin auf.
"Jungkook! Er hat dich entführt und bei sich zu Hause eingesperrt!" Er wusste nichts mehr mit dem Kind anzufangen.
Ein Kind, das in einen viel älteren verliebt war.
Ein Kind, das die Eltern doch sowieso nicht wollten.
Ein Kind, das durch diese kaputt gemacht worden ist.
Ein Kind, das diese grausame Welt nicht verstand."Ich liebe ihn."
Das tat Jungkook ganz sicher. Er liebte Taehyung mit Leib und Seele. Er liebte alles an dem Älteren. Weil der Ältere den Jungen liebte. Es war doch die allererste Liebe, die das Kind hatte. Ungeliebt von den Eltern, ungeliebt von seinen Freunden von damals, ungeliebt von sich selbst. Taehyung hatte ihm gezeigt wie man liebte. Jungkook wollte nichts anderes.
Durch Taehyung liebte Jungkook Taehyung.
Durch Taehyung liebte Jungkook seine Freunde.
Durch Taehyung liebte Jungkook das Lachen.
Durch Taehyung liebte Jungkook sich.
Durch Taehyung liebte Jungkook das Leben.War das falsch?
"Nein, tust du nicht. Du hast das Stockholm-Syndrom."
Wie oft sollte man das dem Kind noch sagen? Wie oft sollte sich das Kind noch rausreden? Wie oft wollten sie sich noch gegenseitig wehtun? Wie oft wird das Kind noch leiden müssen, bis es nicht mehr leiden muss? Wieso sollte das Kind denn noch leben, wenn es nicht mehr lieben kann?Jungkook war kaputt, ein krankes zerbrochenes Kind. War es falsch endlich geliebt zu werden? Wenn es das wirklich war. Das dachte sich Jungkook. Dann will ich nicht mehr leben...
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SТºCKHOLM || Taekook
Fanfiction"Jungkook! Er hat dich entführt und bei sich zu Hause eingesperrt!" Das stimmte nicht. Das war nicht richtig. Sie alle kennen sie nicht. Die Wahrheit. Nur ich habe es gesehen. Nur ich wusste, was Taehyung mit mir gemacht hatte. "Ich liebe ihn." "Nei...