Dann nach ein paar Wochen schon, da war die Gerichtsverhandlung. Auf diesen Tag haben beide so lange gewartet. Aber diese Zeit war gewiss nicht einsam, wie die Zeit vorher. Natürlich hat sich Jungkook etwas anderes vorgestellt, aber das hier war dann schon genug für den Jungen. Taehyung und er haben wirklich jeden Tag miteinander telefoniert, haben sich oft genug dort gesagt, wie sehr sie einander lieben. Taehyung tat das immer noch und Jungkook liebte Taehyung jetzt nur noch mehr. Sie sahen sich nicht oft, aber wenn Taehyung zwischen seiner Arbeit mal Zeit fand, dann holte er den Jungen von der Schule ab. Die Blicke, die ihm galten, ignorierte der Ältere dann immer. Jungkook tat das schließlich auch. Es war alles gut, solange beide nur zusammen waren. Es war alles gut, solange sie nicht aufhörten zu lieben.
Selbst Jimin hat sich mittlerweile damit abgefunden. Irgendwie wollte er wirklich daran glauben, dass damals nichts dergleiches passiert ist, was sich alle dachten. Und solange Jungkook so strahlte, wie er das tat, dann war es ihm egal. Solange es dem Jungen gut ging, da war es Jimin egal, was er ihnen verheimlichte. Das hieß aber nicht, dass Jimin dem Älteren vertraute. Das tat er sicher nicht. Denn er fand immer noch, dass dieser Mann böse war. Das Jungkook nicht mehr weiß, was er fühlte, was er da eigentlich redete. Aber das dachten sich schließlich alle. Der arme Junge, der krank war. Der Junge mit dem Stockholm-Syndrom. Alle mieden Jungkook deswegen, denn alle malten sich aus, was man mit ihm getan hatte.
Ein Junge, der jeden Tag von seinem Entführer gesagt bekommen hatte, wie sehr er ihn liebte.
Ein Junge, der jeden Tag von seinem Entführer geküsst worden war.
Ein Junge, der jeden Tag eingesperrt wurde.
Ein Junge, der jeden Tag schreckliche Dinge erleben musste.
Ein Junge, der jeden Tag ein Stückchen mehr kaputt gemacht worden ist.
Ein Junge, der jetzt nicht mehr ganz richtig in seinem Kopf war.
Ein kranker, zerbrochener Jungkook."Soll ich wirklich mitkommen?", fragte Jimin leise und sah Jungkook zu, wie er sein Hemd richtete. Der Junge sah krank aus, mit seiner blassen Haut, den dünnen dunkelroten Haaren, den tiefen Augenringen und den trocken spröden Lippen. "Willst du nicht?" Ein Junge dessen Stimme ganz schwach war. "Doch, wenn du es dir wünscht, dann komme ich gerne mit." Ein Jungkook, der schon seit zwei Tagen nichts mehr von seinem Taehyung gehört hatte. "Kommt deine Mutter auch?" Jungkook senkte seine Arme, blickte sich im Spiegel an. "J-ja..." Er konnte nichts gegen dieses ängstliche Zittern machen, das seinen Körper übernahm. Ihm fehlte jetzt eine Stütze und Jimin war keine. "Das ist doch schön! Freust du dich nicht?" Jungkook schüttelte den Kopf. Wieso glaubte ihm eigentlich niemand? "Aber du freust dich bestimmt auf Taehyung." Jimins Stimme klang bitter und vorwurfsvoll. Bei Taehyung allerdings, da breitete sich eine Wärme in Jungkooks Brust aus. Taehyung. Endlich sehe ich dich wieder. Er vermisste den Älteren, von dem er zwei Tage schon nichts mehr gehört hatte. Er vermisste seinen Liebsten so sehr. Auf Jimins Aussage hin, sagte der Junge nichts mehr.
Taehyung strich sich seinen Anzug glatt und brachte die schwarzen Haare in Ordnung. Ihm war schon die letzten zwei Tage übel gewesen, weil er solche schlimmen Befürchtungen vor heute hatte. Die Sonne schien hell in das Badezimmer und wie fast jeden Morgen schweifte sein Blick zu der Badewanne. Er hatte sie lange schon nicht mehr benutzt, aber vielleicht wartete der Ältere damit noch auf Jungkook. Auch, wenn der Gedanke an ein entspannendes Bad ziemlich verlockend klang. Alles wird gut werden. Es ist für Jungkook. Er richtete seine Krawatte noch einmal und seufzte schwer. Wieso hatte er kein gutes Gefühl hierbei? Wieso wollte er nicht in diesen Gerichtssaal treten? "Du machst das für Jungkook.", flüsterte der Ältere und zwang sich nur an den Jungen zu denken. An den Jungen, der vermutlich nur noch mehr Angst hatte. Er würde sicher alles machen, damit es ihm gut ginge. Er hielt sich seine Hand an seinen schmerzenden Bauch. Wieso bekam er immer Bauchschmerzen, wenn er an Jungkook dachte?
' Bis gleich mein Keks. Ich liebe dich und ich vermisse dich. '
Mit zitternden Fingern und rasendem Herz tippte er die Wörter ein und doch konnte Taehyung das nicht abschicken. Er biss sich auf die Lippen, legte sein Handy weg und drückte auf das Gaspedal. Er war sowieso schon etwas zu spät dran. Seine Augen sahen sich den hellen Himmel an. Eigentlich ist heute ein viel zu schöner Tag... Er schluckte den Kloß in seinem Hals runter und zwang sich nicht daran zu denken, wohin er gerade fuhr. Er hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen und wenn er an die kommende Gerichtsverhandlung denken musste, da wollte er am liebsten umdrehen, Jungkook abholen und mit ihm ganz weit weg fahren.
Das konnte Taehyung nicht machen und das wusste er nur zu gut.
"Komm schon. Wir kommen sonst noch zu spät.", drängte Jimin seinen besten Freund -oder was er in Jungkook sah- und schob ihn zum Auto seiner Mutter. Die Frau, die mit Jimin doch ein paar gewisse Ähnlichkeiten teilte, lächelte leicht, als Jungkook in das Auto stieg. Ihm war schlecht und dann musste er sich immer zwingen, an Taehyung zu denken. Er wartet auf mich. "Und bist du schon aufgeregt, Jungkook?" Der Junge sah auf den schönen Himmel. Eigentlich würde er jetzt auf dem Balkon sitzen und mit Taehyung Kakao trinken. "Ja...", hauchte er leise. Jimin sah zu Jungkook nach hinten und lächelte gequält. "Das musst du nicht sein, Kookie. Es wird alles gut. Jeder wird die Strafe bekommen, die er verdient hat." Den letzten Satz nuschelte Jimin undeutlich und doch hörte Jungkook jede einzelne Silbe. Das machte alles nicht besser. Taehyung. Taehyung. Taehyung. Der Junge machte die Augen zu, atmete tief durch und strich über sein silbernes Armband. Er wusste ganz genau, wie Jimin diese Worte gemeint hatte. Ihm entwich eine kleine Träne, die er sich schnell wegwischte. Sein Handy vibrierte auf und er schluchzte leise auf, als er die Nachricht darauf sah.
' Bis gleich mein Keks. Ich liebe dich und ich vermisse dich. '
Taehyung hatte den Jungen nicht vergessen. Er liebte ihn und er wollte, dass Jungkook es besonders jetzt wusste. Jungkook las sich die Nachricht immer wieder durch. Du wirst das richtige machen. Es wird alles wieder gut. Denn nur Jungkook wusste, was Taehyung mit ihm gemacht hatte. Er wusste es so gut. "Jungkook? Wieso weinst du?" Der Junge strich sich über die Augen. Er hatte in den letzten Monaten genug geweint. "Weil ich so nervös bin." Das war gelogen, aber das wusste niemand außer Jungkook. Er weinte, weil er so glücklich war, denn immerhin hatte Taehyung den Jungen offensichtlich noch lieb.
Jungkook hatte Angst.
Angst, dass Taehyung ihn nicht mehr bei sich haben wollte.
Angst, dass Taehyung einfach wieder log und ihn nicht liebte.
Angst, dass Taehyung nur ein Spiel gespielt hatte wie es jeder sagte.
Angst, dass er Taehyung jetzt nie mehr sehen wird.
Jungkook hatte Angst vor seiner Mutter gegen die auch gerichtet werden wird.
Jungkook hatte Angst vor der Frau, die für alles verantwortlich war und der trotzdem jeder mehr glaubte, als dem Kind selbst.Taehyung hatte Angst.
Angst, dass das alles komplett nach hinten los geht.
Angst, dass Jungkook seine Meinung geändert hat.
Angst, dass Jungkook jetzt doch anders empfand.
Angst, dass Jungkook doch nur ein krankes Kind war.
Angst, dass Jungkook das Stockholm-Syndrom hatte.Denn wenn der Junge so etwas hatte, dann war Taehyung hier wirklich das böse. Wenn Jungkook das Stockholm-Syndrom hatte, dann war das hier alles wirklich nur eine Entführung. Wenn er das wirklich hatte, dass waren das bestimmt drei ganz schreckliche Jahre bei Taehyung. Das wollte der Ältere nicht, denn dann ist er derjenige, der den Jungen krank gemacht hatte. Das würde sich Taehyung nie verzeihen, denn der Ältere liebte das Kind, das doch von niemanden sonst geliebt wurde. Der Ältere wollte den Jungen nicht loslassen. Er wollte den Jungen noch viel mehr lieben und Jungkook wollte noch viel mehr von Taehyung geliebt werden.
Endlich wurde Jungkook geliebt und das wollte er immer noch. Er wollte nur von Taehyung liebt werden und jetzt hörte man ihm endlich zu. Man wird Jungkook zuhören. Im Gericht, wenn die Wahrheit endlich ausgesprochen wird...
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SТºCKHOLM || Taekook
Fanfiction"Jungkook! Er hat dich entführt und bei sich zu Hause eingesperrt!" Das stimmte nicht. Das war nicht richtig. Sie alle kennen sie nicht. Die Wahrheit. Nur ich habe es gesehen. Nur ich wusste, was Taehyung mit mir gemacht hatte. "Ich liebe ihn." "Nei...