καρıтεʟ νıεяzıɢ

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"Guten Tag. Im heutigen Prozess geht es um Jeon Jungkook und seine vergangenen Geschehnisse, die wir heute versuchen zu erklären um dem Schuldigen seine gerechte Strafe zukommen zu lassen."

Jungkook saß ganz vorne und starrte gebahnt auf Taehyung. Er hatte ihn so vermisst, wollte ihn in seine Arme nehmen, wollte ihn küssen und bei ihm sein. Deswegen hatte er auch so ein ungutes Gefühl ihn dort sitzen zu sehen. So ganz alleine neben seinem Anwalt und wieder einfach stellte Jungkook fest, wie falsch es war. Denn der Kleine hatte keinen Anwalt neben sich sitzen. Er hatte nur sich und Jimin. Wenigstens hatte er ihn. Das dachte der Kleine und atmete tief durch. Er hatte Angst, ganz große Angst, denn nur ein paar Plätze weiter saßen seine Eltern. Sie waren sicher ganz böse auf ihr Kind. Das dachte sich Jungkook. Er hatte wieder die vielen Schläge im Kopf, wenn er böse war und das wollte Jungkook nicht. Er wollte nicht schon wieder geschlagen werden, wollte nicht noch einmal angeschrien werden. 

"Jungkook. Ist es wahr, dass du am 12. Oktober von zu Hause weggelaufen bist?" Jungkook räusperte sich, beugte sich zum Mikrofon, das hier auf dem Tisch stand. Sein Hals war ihm so trocken. "Ja.", sagte er leise und doch hörte man ihn im ganzen Raum. Jungkook blickte wieder zu Taehyung. Er wollte neben ihm sitzen, wollte dessen Hand halten, damit er nicht zu einsam war. Jimin lächelte aufmunternd. Dabei sollte er nicht lächeln. Immerhin war das hier ein Gerichtssaal, ein Prozess, eine Strafverhandlung. "Und Kim Taehyung. Sie haben den Jungen gefunden und mitgenommen?" 

Taehyungs Hände zitterten ihm und er schluckte leicht. Der Anwalt zeigte auf seine Notizen, dabei weiß Taehyung sehr genau, was er sagen wird. Die Wahrheit. Nichts weiter als die Wahrheit. "Ja. Ich habe ihn unter der Bushaltestelle gefunden. Er war ganz nass und als ich abgeholt wurde, da habe ich ihm angeboten ihn nach Hause zu fahren." Er atmete tief durch, lehnte sich zurück. "Was haben Sie dazu zu sagen, Jungkook?" Nichts! Das dachte sich der Kleine. Wieso fragte man ihn noch, obwohl Taehyung schon alles gesagt hat? "Äh... I-ich bin seiner Einladung gefolgt u-und bin in das Auto gestiegen." Der Richter wendete sich wieder an den Älteren. "Ist Jungkook wirklich freiwillig eingestiegen?" Taehyung nickte schnell. Das ganze hier war so Nerven aufreibend. "Ja. Ich habe ihm die Tür zwar aufgehalten, aber ich habe ihn nicht gezwungen." Der Ältere sah zu Jungkook und in dem nächsten Moment trafen sich ihre Augen. Plötzlich wurde Taehyung viel ruhiger. Er wusste ganz genau für wen er das hier tat.

Für Jungkook.

"Und nachdem Jungkook Ihnen nicht gesagt hat, wo er wohnt, da haben Sie ihn in Ihre Wohnung mitgenommen?" Taehyung nickte wieder. "Ja, ich habe ihn bei mir eine Nacht schlafen lassen, weil er nicht mit mir geredet hat." Jungkook war das so unangenehm. Hätte er nur früher etwas gesagt, wenn er etwas gesagt hätte, dann wäre das nicht passiert. Nein. Hätte er sich nicht mit Jimin angefreundet, dann wäre das alles nicht passiert. Und nachdem Jungkook gefragt wurde, da wollte der Kleine es besser machen, denn das hier, das war doch der perfekte Moment dafür. "Ich wollte nicht zurück zu meinen Eltern, deswegen habe ich nichts gesagt. Ich hatte Angst, dass er mich wieder zu ihnen bringt, wenn ich ihm verrate, wo ich wohne. Ich war erleichtert, dass er mich bei sich schlafen gelassen hat." 

Und Jungkook hatte plötzlich das Gefühl, dass der Saal so viel ruhiger wurde. Es hörten ihm alle zu. Seine Stimme klang durch alle Lautsprecher, sodass er gut zu verstehen war. Er konnte jetzt endlich die ganze Wahrheit aufdecken. "Wieso wollte Sie nicht zu ihren Eltern?" Jungkook hatte Angst, denn es wurde ihm so oft verboten etwas zu sagen. Er durfte das nicht sagen, denn dann war da seine Mutter... Sie war doch auch jetzt da, sah dem Jungen zu und senkte nur ihren Blick. Vielleicht hatte die Frau endlich verstanden, was sie getan hatte. 

"Meine Eltern haben mich zu Hause geschlagen."

Taehyung war ja so stolz auf Jungkook, dass er leicht lächelte. Du hast es geschafft, Keks! Das dachte sich Taehyung, denn endlich hatte Jungkook alles gestanden. Diese einfachen Worte, erzeugt durch die Schwingungen in den Stimmbänder, weitergeleitet durch die Luft und von allen gehört. Diese einfachen Laute, die zusammen unverständlich verstanden wurden, als ein verängstigtes Geständnis. 

"Frau Jeon? Haben Sie ihren Sohn damals geschlagen?" Jungkook traute sich nicht zurück zu schauen. Er wollte die Frau nicht sehen, die doch eigentlich seine Mutter war. Er wollte die Augen der Mutter nicht sehen, die doch jetzt so voller Schuld waren. "Ja." Ein einfaches Ja. Eine leise Bestätigung für alles, was so viel mehr war als klein. Das ganzen Geschrei, die Schmerzen, die Angst und die Verunsicherung. Das alles war so groß und schwer in Jungkook und dann bekam er nur ein kleines, leises Ja zu hören. Für all die Jahre in denen er leiden musste, für die ganzen Jahre mit den Schmerzen, der Angst und dem Leid. Für die Jahre, in denen er sich verstecken musste, keinen Spaß hatte, keine Freude. Es sollten mehr Wörter kommen, außer ein Ja. Eine Entschuldigung, ein Zeichen der Reue, ein Zeichen der Schuld. Jungkook ließ den Kopf sinken.

Was hatte er sich auch gedacht?

Und den ganzen restlichen Prozess lang antwortete Jungkook nur stur auf die Fragen, die ihm gestellt wurden. Die Aussage der Mutter hatte ihn so enttäuscht, fast schon noch mehr gebrochen, als das Geschrei. Ein Ja? Mehr nicht? Das dachte sich Jungkook die ganze Zeit. Er wollte, dass die Mutter wenigstens etwas Betroffenheit zeigte, aber sie sagte weiter nichts dazu. 

Und Taehyung sah immer wieder zu dem Jungen, der doch jetzt so unfassbar traurig schien. Er wollte Jungkook so nicht erleben, wollte nicht, dass der Junge wegen dieser schrecklichen Frau noch trauriger ist als so schon. Er wollte nicht, dass es dem Jungen an diesem -wirklich guten Tag- schlecht geht. Denn alle werden die Strafe bekommen, die ihnen zusteht. Alle hörten endlich die Wahrheit. Es war doch niemals Taehyung, der dem Jungen böses wollte. Es war der Mensch, der das Kind eigentlich doch am liebsten bei sich haben sollte. Eine Mutter, die ihr Kind schlug. Ein Kind, das von zu Hause weg lief. Ein Kind, das bei dem Älteren Schutz und Geborgenheit gefunden hatte. Er war doch so viel mehr wert als die Mutter es verdient hatte. Taehyung sah wie viel Jungkook wert war. Es war ihm wert um ihn zu kämpfen.

"Frau Jeon wird mit einer Haftstrafe von sieben Jahren für ihre Taten bestraft. Dafür, dass sie ihr Kind sowohl im Kindesalter, als auch als Jugendlicher jetzt, physisch als auch psychisch verletzt und vernachlässigt hat." 

Und trotz dieser Strafe weinte die Frau nicht.

"Herr Jeon wird mit einer Haftstrafe von vier Jahren für seine Taten bestraft. Dafür, dass er seiner Frau mitgeholfen hat Jeon Jungkook zu misshandeln und selbst nichts unternommen hat."

Und trotz dieser Strafe weinte der Mann nicht. 

"Herr Kim wird mit einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro bestraft. Dafür, das er das Kind in seine Obhut genommen hat ohne die Polizei zu informieren. Er wird jedoch nicht dafür bestraft, dass er ein sexuelles Verhältnis mit Jeon Jungkook hat. Berücksichtigt bei der Strafvergabe ist, dass Jungkook freiwillig im Schutz gegen die Eltern dort war und dass man ihm seine Freiheit nicht beraubt hat. Dadurch, dass er die Wohnung jederzeit verlassen konnte und auch sonst keine Gewalt ausgeübt wurde, vermindere ich die Strafe für Kim Taehyung."

Das hörte sich schlimm an. Für Jungkook und für Taehyung. Taehyung fühlte sich aber nicht wegen des Geldes schlecht. Er fühlte sich schlecht, weil er denkt, dass Jungkook sich für alles die Schuld geben wird. Jungkook tat dabei genau das. Wegen mir muss Taehyung so viel...

Und dennoch war Taehyung doch einfach glücklich. Er war glücklich, weil er Jungkook hatte. Weil Jungkooks Eltern ins Gefängnis kommen und er doch weiter mit Jungkook Kontakt haben darf. Er war so glücklich, denn er wollte doch nichts mehr als die zu bestrafen, die das Kind nicht wollten. Ihm reichte das schon. Ihm reichte es, dass die bösen Menschen weg waren.

Und trotz dieser Strafe weinte Taehyung. 

Er war doch so glücklich. Er hatte alles bekommen, was er brauchte. Sicherheit für Jungkook. Das Geld war ihm egal. Geld war so wenig wert. Jungkook hingegen bedeutete alles für ihn. Geld konnte er erarbeiten. Einen zweiten Jungkook hatte er jedoch nicht. 

"Danke...", hauchte er ein letztes Mal in das Mikrofon, bevor der Prozess aufgelöst wurde. Die Eltern wurden abgeführt und Jungkook sah einfach still zu. Er weinte nicht, weil er nicht traurig war. Er war aber auch nicht glücklich, denn niemals wollte er doch, dass seine Mutter ins Gefängnis ging. Er wollte das alles nicht und wenn er bei der Bushaltestelle einfach sitzen geblieben wäre, statt in Taehyungs Auto einzusteigen, was wäre dann passiert...

SТºCKHOLM || TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt