59. | Wenn alles schwarz ist

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Hermines POV


Es war wie ein Fall. Wie ein unaufhörlicher, endloser Fall. 

Kein Ende in Sicht.

Ich fiel immer weiter, immer tiefer und immer schneller in ein dunkles, pechschwarzes Loch.

Alles um mich herum drehte sich, mein Magen überschlug sich mehrfach und verursachte ein äußerst schmerzhaftes Brennen in meinem Hals, wie eine Säure, die sich von meiner Speiseröhre aufwärts bis hin zu meinem Rachen ausbreitete. Es war, als würde mein Inneres in Flammen stehen und mich verbrennen. 

Mir wurde unglaublich schlecht, gleichzeitig unfassbar heiß und ich spürte ein Stechen unterhalb meiner linken Brust, was mich schmerzerfüllt das Gesicht verziehen ließ.

Ich hatte das Gefühl, als würde ich jeden Moment ersticken. Als würde ich unter tonnenschwerem Sand begraben werden. 

Irgendetwas drückte auf meine Nase und meinen Mund, ich bekam dadurch nur schwer Luft und hatte keine Kontrolle über meine eigene Atmung.

Ein leises Piepsen drang von weit weg an mein Ohr. Ein wiederkehrendes, regelmäßiges, jedoch viel zu hohes und unangenehmes Piepsen.

Mein ganzer Körper schmerzte, mein Kopf dröhnte und meine Hände krallten sich krampfhaft in etwas, das sich wie ein Tuch, wie ein seidiger Stoff anfühlte. 

Erst da fiel mir auf, dass ich nicht mehr fiel. Ich hatte plötzlich wieder Halt und spürte etwas unter meinem Rücken. Etwas Weiches, Nachgiebiges, das sich um meinen Körper schmiegte und meine Haut streichelte.

Meine Augen waren geschlossen und es kostete mich immense Kraft diese zu öffnen. Es war, als würden Gewichte an meinen Lidern hängen. Nur ab und zu verwandelte sich diese Schwärze in ein dunkles Grau, das wieder etwas Licht in diese undurchdringliche Dunkelheit brachte.

Ich klammerte mich daran fest, fokussierte mich mit aller Kraft auf dieses Grau, das für mich wie ein kleines Stückchen Land auf kilometerweiter See war. Etwas, das mich vor dem Ertrinken retten konnte. 

Am Ufer dieser Insel war eine Person zu erkennen. Ein Mann mit blondem, fast weißem Haar, eisgrauen Augen und einem wunderschönen Lächeln auf den Lippen. Er streckte den Arm nach vorne, hielt mir seine Hand entgegen und beugte sich leicht über das strahlend blaue Wasser.

Wie an einem Rettungsseil zog ich mich nach vorne, kam diesem Lichtblick Stück für Stück näher.

Immer wieder kehrte dieses Schwarz zurück, wie eine Welle, die mich überschwemmte und wieder wegtreiben wollte, doch ich blieb stark, kämpfte mich weiter nach vorne, bis das Grau heller, fast weiß wurde und wie ein Schein, wie die Sonne war, die durch die Gewitterwolken brach und das Dunkel ein für alle Mal vertrieb.

Ich fragte mich, ob das der Himmel war. Ob ich mich im Jenseits befand. Ein Ort, der mir Ruhe und Frieden versprach. Weit weg von der grausamen Welt. Von allem Schmerz und Leid.

Denn plötzlich fühlte ich mich unglaublich leicht und befreit. Es gab nichts mehr, das mich nach unten zog. Auch der Druck, der auf meiner Brust lag, wurde immer weniger, ließ irgendwann komplett nach, wodurch ich wieder leichter atmen konnte.

Mein Lider flackerten, sodass immer mehr Licht durch die dünnen Schlitze meiner Augen drang, die ich nach mehreren Anläufen und Versuchen endlich öffnen konnte.

Somit lösten sich auch diese lebhaften Bilder langsam auf, verschwanden komplett und gaben den Blick auf etwas frei, das ich in meiner momentanen Verfassung nicht einordnen konnte. 

Es war weiß. Einfach nur weiß. Nichts Faszinierendes oder besonders Schönes, aber dennoch fesselte es mich derartig intensiv, dass ich meinen Blick nicht davon abwenden konnte und es gefühlt stundenlang einfach nur betrachtete. Still und leise, ohne ein Wort zu sagen.

Look closer - DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt