#Carl

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„Jungs!" Auf wackligen Beinen lief Kim uns mit einem Drink in der Hand entgegen, ihr auffällig rotes Kleid klebte an ihrem Körper wie eine zweite Haut.

Schon an ihrem stolpernden Gang und ihren stark geröteten Wangen konnte man ihren Zustand erahnen. Vielleicht hätten wir uns nicht mit Masons Klamotten Frage aufhalten lassen und schon eher kommen sollen.

Lachend stürzte sich unsere Freundin in meine Arme, wobei etwas von ihrem Bier landete auf dem Rücken meines T-Shirts.
Conner und Mason waren die nächsten, bis sie bei Jax hängen blieb, der sicherheitshalber einen Arm um ihre Taille legte. Kichernd legte sie ihren Kopf an seine Schulter und schaute zu ihm auf.
Augenblicklich lächelte auch er zu ihr hinunter und strich mit seiner Hand über ihre Hüfte. FÜr Jax war das hier wohl die unangenehmste Situation. 
Auf der Party des Kerls zu sein, der das Mädchen vögelt, dass du gern hast muss sich wirklich übel anfühlen. 

„Ich habe schon gedacht ihr würdet gar nicht mehr kommen. Hier laufen echt nur Langweiler rum, es wollte noch niemand mit mir tanzen." Kims Blick löste sich von Jax und glitt zu Mason, „Du gehst doch nachher mit mir tanzen, oder?"

Sanft lächelnd nickte Mason ihr zu. Da war es wieder, Kims Magische Wirkung auf jeden von uns.
„Wo krieg ich hier ein kaltes Bier?", durchbrach Conner irgendwann die Stille und zupfte am Kragen seines Shirts herum.

Der Arme Junge war ein kleines Nervenbündel. Er hatte sogar sein Oberteil gebügelt und das kam normalerweise nur zu Feiertagen vor.
Denn seit Amanda zugesagt hatte, dass sie auch kommt, spielte er zwar den coolen - aber ich wusste es besser. Nicht nur weil ich ihn kannte, sondern auch weil ich ihn dabei erwischt habe, wie er Gespräche und Anmachsprüche vor dem Spiegel geprobt hatte. Ich habe ihn nicht gesagt das ich ihn dabei gesehen hatte, es wäre ihm unendlich peinlich gewesen.
Conner pflegte gerne sein Image als Frauenheld und Aufreißer, doch in Wahrheit war er ein kleines Schoßhündchen das Liebe und Geborgenheit suchte.

„Komm mit, ich zeig euch alles." Das Haus, in dem die Party stattfand, war nicht besonders groß, weswegen es leicht war sich alles zu merken. Das Bad und die Küche lagen in der unteren Etage, genauso wie das Wohnzimmer. Nach oben brachte Kim uns nicht, da waren laut ihrer Aussage nur ein Gästebad und die Schlafzimmer.

„So, hier habt ihr euer Bier." Nacheinander bekamen wir alle unseren Becher in die Hand gedrückt, der randvoll mit frisch gezapftem Bier war.
„Die Musik ist ziemlich ... leise.", murmelte Conner irgendwann und nahm einen Schluck aus seinem Becher.
„Carl will die Nachbarn nicht stören", brummte Kim und verdrehte die Augen. Mühsam hievte sie sich auf die Küchenzeile und verschüttete dabei beinahe ihren Drink. Eine kleine Fütze sammelte sich unter ihr auch den hellen Fliesen. „Ihr hattet recht, mit der Langweiler Party. Aber bitte lasst mich hier nicht allein."

„Ach Kimi, würden wir unser Mädchen jemals allein lassen?" Grinsend strich ihr Jax ein paar blonde Strähnen hinters Ohr.
„Ich bin so froh, dass ihr da seid."
Immer wieder strich Jax unserer betrunkenen Freundin über den Kopf, bevor er sich seinem Getränk zuwandte. Seine Hand ließ er aber locker auf ihrem nackten Oberschenkel liegen. 

„Hat Amanda gesagt, wann sie und Freya kommen? Ich würde gern noch mit den beiden Quatschen, bevor ich kotzen muss.", fragte Kim und stellte ihr Getränk neben sich auf die hellgraue Küchenzeile.

Lachend stellte auch ich meinen leeren Becher neben das Fass. „Immerhin hast du realistische Ansichten, wie der Abend für dich enden wird. Aber um deine Frage zu beantworten, ja sie müssten gleich auftauchen. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen nicht vor zwölf kommen, damit die Party vorher in Schwung kommen kann."
„Was soll da in Schwung kommen?! Das Highlight dieser Party ist Wahrheit oder Pflicht, und so wie die drauf sin, wird dabei weder geknutscht, noch muss sich irgendwer ausziehen." Kopfschüttelnd warf sie ihre Hände in die Luft und sah zwischen uns allen hin und her. „Ich meine warum spielt man das dann überhaupt?" 

Gerade wollte ich etwas erwidern, da schwang auch schon die Küchentür auf und ein schmächtiger Junge kam herein. Seine blonden Haare waren ein wenig zu stark gegelt und sein Hemd war bis oben hin zugeknöpft. Eindeutig Carl.

So unauffällig wie möglich zog Jax seine Hand zurück. Auch wenn sein Gesichtsausdruck deutlich zeigte, das er es nicht gern tat.

Uns Jungs nickte Carl nur einmal zu, während er auf Kim zulief und vor ihr stehen blieb. „Was machst du hier drinnen? Meine Freunde fragen schon alle nach dir."

Schmollend verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, „Deine Freunde langweilen mich, ich habe hier mehr Spaß."

„Du bist aber nicht hier, um Spaß mit deinen Freunden in der Küche zu haben.", murrte er und griff nach ihrem Handgelenk, um sie von der Küchentheke zu ziehen. Stolpernd fiel sie in seine Arme und murmelte irgendwas Unverständliches. 

„Alter, lass sie doch noch ein bisschen hier, wir kommen gleich eh ins Wohnzimmer", meinte Mason und musterte Kim ein wenig besorgt. Die schnelle Bewegung hatte ihrem betrunkenen Körper wohl nicht besonders gutgetan. Ihr Gesicht war noch blasser als sonst und ihre Augen waren geschlossen. Ich kannte Kim lang genug, um zu sehen, dass sie sich gerade stark zusammenreißen musste, um nicht mitten auf den Küchenboden zu brechen.

„Nein." Carl drückte Kim ein wenig von sich weg, und musterte sie kurz, bevor er sie am Handgelenk hinter sich herzog. Wie eine hilflose Puppe versuchte sie mit ihm Schritt zu halten aber es fiehl ihr sichtlich schwer. 

„Okay Kleiner, weißt du was? Lass Kim los, sie muss ins Bett und da bring ich sie jetzt auch hin." Jax baute sich zu seiner vollen Größe auf und schnappte sich Kims freie Hand.

„Das ist meine Party und meine Freundin, also entscheide ich, wo sie hingeht und wo nicht."

Es erstaunt mich das Carl sich überhaupt traute so mit Jax zu sprechen. Eigentlich war Kims Freund ziemlich ruhig und schüchtern, vor allem gegenüber Jax. Kein Wunder, unser Kumpel wirkte ziemlich einschüchternd mit seinen Muskeln, der Größe und den Tattoos, die sich auf seinem Oberarm umherschlängelten. Nicht zu vergessen seine possesive Ader, bei allem was Kim betraf.  Aber scheinbar machte der Alkohol Carl zu einem mutigen Vollidioten.

„Sie wird nicht mit dir weiter feiern, sie ist viel zu betrunken." Jax bestimmender Tonfall ließ keine Wiederrede zu, hätte sich Kim nicht vorsichtig aus seinem Griff gewandt. Es kostete sie scheinbar ein wenig Überwindung sich gerade hin zu stellen und nicht in ihren High Heels umzuknicken, aber sie schaffte es und grinste Jax unsicher an.

„Das ist schon okay Jax, Carl hat recht. Ich sollte mich nicht so anstellen. Selbst schuld, wenn ich zu viel trinke."

Selbst ich, zog unter ihrem erstaunlich unterwürfigen Verhalten die Augenbrauen zusammen. Das passt nicht zu meiner blonden Freundin. Sie war nicht unterwürfig - sie war eine aufbrausende Kämpferin, die sich nichts vorschreiben ließ. Und wenn sie sich schon Vorschriften machen lassen musste, dann zumindest nicht von diesem halben Hemd.

„Kim, Jax hat doch recht, wir bringen dich ins Bett." Mason lächelte sie sanft an und streckte ihr seine Hand auffordernd entgegen. Er hatte für gewöhnlich einen guten Einfluss auf Kim, aber gerade schien auch er nicht weiter zu kommen.
Sie ließ zu, dass Carl seinen Griff um ihre Hand bestärkte, so fest das seine Knöchel schon weiß hervortraten. 

"Kim, komm schon. Das musst du dir nicht gefallen lassen." Jax Stimme klang merkwürdig gepresst, während er das Bild vor sich genau so besorgt betrachtete wie die restlichen von uns.

"Ist schon okay Jax. Wirklich, es ist okay", murmelte Kim, mied es aber den jungen Mann anzusehen, der sie so sehr begehrte. 

„Und deswegen, wollte ich nicht das sie kommen", knurrte Carl Kim entgegen und zog sie schließlich hinter sich her, aus der Küche heraus. Sie warf uns einen entschuldigenden Blick über die Schulter zu, ehe die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. 


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