#Pflicht

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<<Sometimes you get the best light from a burning bridge. – Don Henley>>


Während die beiden also noch verschwunden waren, entschieden wir und dazu, einfach weiter zu spielen.

Ich schnappte mir schnell die Flasche und drehte sie so schnell ich konnte, in der Hoffnung sie würde auf Kim zeigen, wenn sie sich ausgedreht hatte.

Jax half mir bei meinen Angelegenheiten, auch wenn er noch nichts von seinem Glück wusste, also würde ich mich um sein, beziehungsweise unser heutiges Hauptproblem kümmern.  Genau dieses Problem, das schlaftrunken in heißem roten Fummel gegenüber von mir saß, versuchte hochkonzentriert nicht zu kotzen, als sie der Flasche beim Drehen zuschaute.

„Kim,", zufrieden sah ich zu meiner Freundin herüber, als die Flasche tatsächlich bei ihr stehen blieb. „Wahrheit oder Pflicht?"

Sie brauchte einige Sekunden, um die Worte zu formen, obwohl ich auch so schon wusste was sie nehmen würde. „Gib mir ne Pflicht, Rush."

Ihr betrunkenes Grinsen entblößte ihre obere weiße Zahnreihe, an der sich ein minimaler Rückstand ihres roten Lippenstiftes befand.

„Gutes Mädchen", murmelte ich leise zu mir selbst und klopfte mir für meinen genialen Plan schon mal gedanklich auf die Schulter.

„Bereit für deine Pflicht Kimi?", zwinkerte ich ihr zu, was sie mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem schlichten Nicken erwiderte.

„Okay, pass gut auf, ja? Du wirst folgendes tun: Du wirst dir jetzt mit deinem Handy ein Taxi rufen, dir Geld dafür aus meiner Geldbörse nehmen und mit Mason zu uns in die WG fahren-"

„Was?! Nein, dass macht sie sicherlich nicht!", protestierte Carl sogleich und legte ihr einen Arm um die Schultern.

Mit einem schlichten Augenverdrehen ignorierte ich die halbe Portion von Mann und redete unbekümmert weiter. „Deine Plicht ist erst erfüllt, wenn du seelenruhig auf unserer Couch eingeschlafen bist."

„Sie ist meine Freundin, sie fährt doch nicht mit Mason nach Hause! Du hast sie ja wohl nicht mehr alle!", bellte Carl zu mir herüber und zog Kim mit einer ruppigen Bewegung näher zu sich heran.

„Aber ich muss das machen! Das ist meine," kurz unterbrach sich Kim selbst, hielt ihre Hand vor ihre blutrot geschminkten Lippen, bevor sie tief durchatmete und weitersprach. „Pflicht. Das ist meine Pflicht."

„Du kannst doch nicht ehrlich verlangen, dass ich dich einfach mit diesem Typen wegfahren lasse! Wegen einem bescheuerten Spiel?!" Mit weit aufgerissenen Augen starrte er seine Freundin an, diese zuckte aber nur mit den Schultern und starrte zurück.

„Mason ist mein Kumpel, ich fahr doch nicht das erste Mal mit ihm nach Hause. Außerdem wollten du und deine Freunde unbedingt spielen, kann ich doch nichts dafür!", murrte Kim und schielte zu mit zusammengekniffenen Augen zu ihrem Freund herüber.

„Ich behalt meine Finger schon bei mir. Obwohl du natürlich wieder verdammt heiß aussiehst, Kimi", versprach Mason und grinste zu den beiden hinüber.

Das schien Carl aber keinesfalls zu beruhigen. Er begann Kim etwas zu zuflüstern und wartete gespannt auf ihre Antwort.
„Nein, das ist keine Option", wank sie aber nach kurzem Überlegen ab.

„Dann lass ich es sie nicht machen", bestimmte er und warf erst Mason und dann mir einen angesäuerten Blick zu.

Während die Freunde von Carl zu tuscheln begannen, tauschten Conner, Mason und ich einen ratlosen Blick aus.

Es kam zwar selten vor, aber ich war ein bisschen mit meinem Latein am Ende. Manch einer denkt vielleicht wir würden übertreiben und sollten sie machen lassen, aber das ging einfach nicht.
Nicht, wenn Kim uns allen wie eine kleine Schwester ans Herz gewachsen ist. Und seine betrunkene kleine Schwester schafft man nach Hause, wenn sie ziemlich einen über den Durst getrunken hat.

Nach ein paar langen Sekunden sackte ein Kopf gegen meine Schulter. Freya lehnte sich leicht an mich und schaute aus ihren grünen Augen zu mir rauf.

„Wie wichtig ist es euch, dass sie von hier wegkommt?", murmelte sie. Ich ignorierte den Drang, einen Arm um sie zulegen, aus Sorge, sie würde sich dann ganz von mir los machen.

„Auf einer Skala von eins bis zehn, wären wir bei elf", brummte ich und beobachtete Carl und Kim, die angefangen hatten zu diskutieren. Gut, eigentlich disskutierte nur Carl und Kim wank einfach alles augenverdrehend ab. „Sie ist zu betrunken, um weiter hier zu bleiben."

Wäre ich nicht so besorgt wegen Kims Zustand, könnte ich vielleicht darüber lachen.

„Ich regele das für dich", flüsterte sie zu mir, ehe ihr Kopf sich wieder von meiner Schulter erhob und sie die beiden Streithähne fixierte.

„Chase hat es sich anders überlegt. Ich soll mit ihr nach Hause fahren." Ihre glasklare Stimme ließ Kim und Carl auseinanderfahren, beide schauten nun zu dem Mädchen neben mir, das seelenruhig vor sich hinlächelte.
Wahrscheinlich war sie selbst froh, wenn sie nach nur knapp einer Stunde wieder vor dieser Kinderparty fliehen konnte.

„Ich meine, ich bin nicht an Frauen interessiert, also kannst du sie gefahrlos mit mir nach Hause fahren lassen. Jeder hier kann sehen, dass sie ins Bett gehört und da die Party hier wahrscheinlich noch weiter gehen wird, sollte sie irgendwo schlafen, wo es ruhiger ist." Freya lächelte zwar wie ein Engel, während sie zu Carl sprach aber ihre Stimmlage machte ihm bewusst, dass sie keinen Wiederspruch duldete.

„Siehst du! Chase ist ein großer Junge, jetzt sei du auch einer und lass mich das richtig spielen. Komm schon Freya, ich habe eine Aufgabe zu erfüllen." Mühsam versuchte Kim sich aufzurappeln, landete dabei aber immer wieder auf ihrem Hintern.

„Du kannst sie zu uns in die Wohnung bringen, wenn du willst, ich schätze wir fahren gleich auch, wenn Jax wieder da ist", sagte ich an Freya gewandt, die schon dabei war aufzustehen.
Am liebsten wäre ich einfach jetzt schon mit den Mädchen mitgefahren, aber dann hätte der Gartenzwerg, alias Carl, wahrscheinlich wieder einen Aufstand geprobt.

„Schon gut, ich glaube es tut ihr ganz gut, wenn sie nach dem Aufstehen keine Vorträge von euch anhören muss." Zwinkerte sie mir zu und klopfte sich den Dreck von der Hose.

„Okay, aber dann nimm wenigstens mein Geld für ein Taxi." Eilig holte ich mein Portmaine hervor und kramte ein paar Scheine heraus. Zögernd nahm sie sie entgegen und steckte sich das Geld in die Hosentasche.

Mit einer halben Drehung wandte sie sich kurz zu Amanda, die sie abwartend ansah. „Willst du auch mit?"

„Also ... " Der Blick der Inderin wanderte kurz rüber zu Conner, der sie sanft anlächelte.

Ich wusste was sie meinte, ohne dass sie es sagte. Es war wirklich süß, dass sie ihn scheinbar so unglaublich unausstehlich fand, aber trotzdem hier bei ihm bleiben wollte.
So was nannte man dann wohl Hass-Liebe.

„Ich versteh schon", lachte Freya und grinste Amanda wissend an. Die beiden waren gute Freundinnen, sie musste auch ihr nicht erklären, welches Dilemma sich in ihrem Kopf abspielte.

„Pass gut auf Amanda auf", wies sie mich schließlich an, woraufhin ich wortlos salutierte und ihr dabei zusah, wie sie Kim schlussendlich auf die Beine zog.

„Und ruf mich an wegen unserer Wette. Ich kann es kaum erwarten mit dir glücklich und zufrieden, in ewiger, rein platonischer Freundschaft zu leben."


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