Chapter 16

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"Mira, ich habe einfach Angst... Das mit Shay ist es nichtmal. Ich freu mich doch auch irgendwo auch für sie. Nur ist mir nochmal mehr bewusst geworden, wie gross sie mittlerweile ist. Ich hab das Gefühl, dass ich alles verpasst habe. Was ist, wenn ich bei den beiden auch so viel verpasse? Shay hat vor allem am Anfang gelitten... Wie sieht das mit zwei kleinen Kindern aus, die ihren Vater brauchen. Ausserdem, was ist bitte mit dir? Was ist, wenn ich dich mal alleine lassen muss? Du würdest es ohne Zweifel locker schaffen, aber ich will dabei sein. Ich will, dass wir eine normale Familie sind. Aber ich will auch die Musik nicht aufgeben. Das kann ich gar nicht... Ich hab einfach keine Ahnung, wie ich das alles hinbekommen soll. Ich will einfach ein guter Vater werden, aber ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll."
Nach seinem Redeschwall steht mein Mund leicht offen und ich sehe ihn ungläubig an. Wincent atmet schnell und es tut ihm sichtlich gut, das gerade ausgesprochen zu haben.
"Wincent, hör mir jetzt mal genau zu" beginne ich und lege meine Hände an sein Gesicht, damit er mich weiterhin anschaut "Als allererstes müssen wir hier mal klarstellen, dass du hier nichts alleine hinbekommen musst. Wir bekommen das hin. Zweitens bekommen wir beide das erste Mal Kinder... Jetzt direkt zwei... Wir müssen beide lernen und uns in unserer Rolle als Eltern finden. Ja, wir müssen definitiv schauen, wie das mit der Arbeit wird. Du willst, kannst und sollst nicht alles aufgeben. Hinter dir steht nämlich noch viel mehr. Aber das ist jetzt erstmal Nebensache. Wir schauen dann mit Amelie zusammen, wie wir das machen. Am wichtigsten ist jetzt eines... Du zweifelst nie wieder daran, dass du ein guter Vater wirst. Du bist zumindest der einzige, den ich mir als Vater für meine Kinder vorstellen kann. Ja, du wirst das ein oder andere Mal nicht da sein, aber wenn du da bist, machst du das beste draus. Du machst die Momente, die man hat, zu etwas besonderem. Schau doch mal, allein vorhin... Wir hatten alle so unglaublich viel Spass. Du bist für Shayenne der tollste grosse Bruder, du gibst alles für sie. Sie liebt dich über alles... Wie auch ich... Wie auch die beiden dich über alles lieben werden. Sie werden mindestens genauso stolz auf ihren Papa sein, wie ich es bin. Wir werden das zusammen schaffen... Wie wir schon viel mehr zusammen geschafft haben."
Jetzt sieht Wincent mich mit grossen Augen an. Langsam lässt er sich gegen mich sinken. Wie kommt er bitte darauf, dass er kein guter Vater werden wird? Wenn jemand ein guter Vater wird, ist das doch er.
Seufzend lasse ich mich mit Wincent im Arm etwas zurückfallen, sodass wir auf dem Sofa liegen. Ich streiche ihm etwas durch die Haare und hebe dann vorsichtig meinen Hoodie an, um Wincents Hand auf meinen Bauch zu legen.
"Für die beiden kleinen Wunder hier bist du ja jetzt schon das grösste Geschenk... Wincent, ich habe auch Respekt vor dem Ganzen. Warum auch nicht? Es ist eine riesige Verantwortung, die wir übernehmen. Aber es ist doch auch unser grösster Wunsch, der in Erfüllung geht. Glaubst du, dass ich deine Blicke nicht sehe, wenn ich mit einem Kind zutun habe? Oder dass ich nicht genauso schaue, wenn ich dich mit Kindern sehe? Schatz, es wird wahr. Wir werden Eltern. Ich werde Mama... Du wirst Papa... Und ich bin mir mehr als sicher, dass du der tollste Vater überhaupt werden wirst. Du kümmerst dich doch jetzt schon rührend, wobei sie gerade mal so gross wie zwei Heidelbeeren sind. Ich merke doch, wie sehr du sie jetzt schon liebst. Seit du allein von meiner Schwangerschaft erfahren hast, hat sich dein Beschützerinstinkt sofort auf die beiden hier fixiert. Und das ist einfach wunderschön."
"Du hast ja Recht. Ich liebe sie jetzt schon so sehr."
"Wir wissen beide, dass ich immer Recht habe. So ein bisschen Panik gehört doch immer dazu... Nur wie wird das dann bitte im Kreissaal bei der Geburt?"
"Wir haben noch einen ziemlich weiten Weg vor uns."
"Werden wir zusammen schaffen" lächle ich und drücke ihm einen Kuss auf den Kopf.
Er entspannt sich immer mehr und beobachtet meinen Bauch genau, während ich ihm durch die Haare streichle.

Am Morgen wache ich noch vor Wincent auf. Ich schnappe mir ein paar Klamotten und gehe kurz ins Badezimmer, wo ich kurz unter die Dusche springe und mich danach bequem in Jogginghose und Shirt schmeisse. Ich gehe dann wieder zurück ins Schlafzimmer, wo Wincent immer noch schlafend in seine Decke gekuschelt liegt. Gott ist das süss. Ich lasse ihn einfach noch ein bisschen liegen bleiben. Ob wir jetzt um zwei oder um drei bei meinen Grosseltern sind, spielt wohl kaum eine Rolle. Ausserdem hat er die Nacht ziemlich unruhig geschlafen.
Ich gehe also erstmal wieder nach unten und mache mir einen Tee und etwas kleines zu Essen. Dann schnappe ich mir mein Frühstück und verkrieche mich mit einer Decke nach draussen auf die Terrasse. Es ist zwar ziemlich kalt, aber genau das tut gerade verdammt gut. Entspannt trinke ich meinen Tee und bin nebenbei ein wenig auf Social Media oder beobachte das kleine Eichhörnchen, welches immer wieder den Baum rauf und runter klettert und zwischendurch in den Büschen verschwindet. Einfach süss.
Irgendwann gehe ich dann doch wieder rein und nach oben. Leider müsste Wincent dann jetzt doch mal langsam aufstehen. Vorsichtig setze ich mich zu ihm aufs Bett und beginne, ihn sanft zu wecken, indem ich ihm etwas über die Wange streichle.
"Morgen" brummt er dann.
"Guten Morgen" lächle ich leicht.
"Wie spät ist es?"
"Kurz vor halb elf."
"Warte... Wir wollten doch schon lange im Auto sitzen."
"Ja, nur sitze ich lieber mit dir im Auto, wenn du ausgeschlafener bist und komme später an... Du hast ziemlich unruhig geschlafen. Das ist mehr als untypisch für dich."
"Hm... Danke."
"Wofür?"

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