Kapitel 21 - Vertraust du mir?

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Er steht einfach nur da und sieht mich an. Doch plötzlich schaut er vom Boden auf und macht zwei Schritte auf mich zu, sodass wir nun direkt voreinander stehen. Ich muss ein gutes Stück zu ihm hochschauen und bemühe mich, meine Tränen runterzuschlucken und blicke ihm fest in die Augen. Eine ganze Weile geschieht nichts. Wir stehen uns einfach nur gegenüber und sehen uns in die Augen.
"Ich will mich nicht länger verstecken", sagt er leise. Dann nimmt er eine meiner Haarstränen in die Hand und kommt mir langsam näher. Mein Herzschlag steigt ins unermessliche, so groß ist meine Freude über seine Nähe. Seine Hand wandert langsam zu meiner Wange, was mir eine Gänsehaut über den Körper jagd. Und dann berühren sich unsere Nasen. Es ist wie damals auf der Bank bei den Glühwürmchen. Und genauso wie damals zögert er. Und wieder überkommt mich diese Angst.
"Wehe, du überlegst es dir wieder anders!", flüstere ich.
"Ganz sicher nicht!" Dann legt er seine Lippen ganz vorsichtig und sanft auf meine. Die Schmetterlinge in meine Bauch fliegen so wild durcheinander, wie ich es noch nie erlebt habe. Eine Gänsehaut überzieht meinen ganzen Körper. Ich hab das Gefühl von absoluter Schwerelosigkeit. Ich erwidere den Kuss und lege meine Hände in seinen Nacken. Er zieht mich etwas näher zu sich, was mein Denkvermögen nur noch mehr einschränkt.
Ich weiß nicht, wie lange wir so dagestanden haben, aber es war sicher die schönste Zeit meines Lebens. Noch nie war ich so glücklich.
Ich löse mich vorsichtig von ihm um ihm in die Augen sehen zu können. Sie sind einfach die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Die unendliche Weite in ihnen scheint einfach kein Ende zu nehmen und ich versinke immer mehr in ihnen, je länger ich sie ansehe.
"Az, es tut mir wirklich unendlich leid. Ich hätte nicht einfach abhauen dürfen. Ich hab in den letzten zwei Wochen immer versucht, dich zu vergessen, aber geschafft hab ich es nicht."
"Ging mir auch so, mit der Ausnahme, dass ich mich immer gefragt habe, warum du so zu mir warst. Und du hast keine Ahnung, wie es ist, so unwissend zu sein. Das hat mich am meisten fertig gemacht."
"Weißt du... Ich hab deine Nummer nie gelöscht. Ich konnte es einfach nicht."
"Ich hab deine auch noch.", sage ich. Dann sammele ich etwas Mut für meine nächsten Worte. "Ich muss dich mal was fragen." Er schaut mich fragend an und nimmt meine Hände in seine. "Vertraust du mir?", spreche ich es aus. Er schaut kurz zu Boden.
"Ja, schon, aber..."
"Vertraust du mir? Ja oder Nein? Bitte, ich muss es wissen." Er sieht mich eine Weile nur an.
"Ja.", sagt er dann lächelnd. Und jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Meine Freude steigt ins Unermessliche und ich falle ihm einfach so um den Hals. Zuerst ist er etwas erschrocken. Damit hat er wohl nicht gerechnet. Doch dann lacht er und legt die Arme um mich. Glücklich ziehe ich seinen Geruch ein, während ich meinen Kopf an seiner Schulter vergrabe.
"Ich hab dich so vermisst!", sage ich mit feuchten Augen.
"Ich dich auch, Az!", sagt er und lässt mich wieder los. Kaum hab ich wieder sicheren Boden unter den Füßen, als er mich schon küsst.

Die Wunde des BetrugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt