Kapitel 28 - Die Killereule

861 51 2
                                    

--- Ihre Sicht ---

"Charlie!", kreische ich panisch und schlage um mich. Doch leider bringt das gar nichts. Mein Angreifer kommt wieder auf mich zu.

"Charliiiiiiieeeeee! Hilf mir, verdammt noch mal!", schreie ich und suche nach einem Versteck.

"Oh scheiße!", höre ich Charlies Stimme plötzlich aus dem Wohnzimmer. Doch er bewegt sich keinen Millimeter.

"Charlie, tu doch was!", schreie ich wieder, während mein Angreifer erneut zum Sturzflug ansetzt. Dann rast der braune Uhu wieder auf mich zu. Schnell ducke ich mich unter den Tisch.

"Was ist in diese Eule gefahren?", rufe ich. Charlie grinst nur und stößt einen schrillen Pfiff durch die Finger aus.

Sofort legt der Vogel eine Vollbremsung hin und fliegt jetzt auf Charlie zu, dem er auf der Schulter landet. Vorsichtig klettere ich unter dem Tisch hervor.

"Willst du mich verarschen? Wie hast du das gemacht?", frage ich und versuche, meine Haare zu ordnen.

"Man muss nur pfeifen. Daran erkennt er, wo er hinfliegen muss. Alle anderen Menschen greift er an, wenn sie ihm den Brief abnehmen wollen. Sirius hat ihn trainiert. Deshalb haben wir immer benutzt um den Ordensmitgliedern Nachrichten zu schicken. Aber er gehört jetzt meinem Vater.", erklärt er und befreit den Uhu von dem Zettel an seinem Fuß. Fassungslos starre ich ihn an.

"Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mich eventuell vorzuwarnen? Ich hab gedacht, der hackt mir die Augen aus!", sage ich beleidigt.

"So schlimm ist Sweetie jetzt auch nicht!", sagt er. Mir fallen die Augen aus dem Kopf.

"Sweetie? Das Vieh heißt Sweetie? Sweetie? Im Ernst?", rufe ich, aber er lacht nur.

"Komm schon, du bist doch gar nicht wirklich sauer. Siehst du, er ist ganz lieb!", sagt er und hält den Arm mit dem Vogel in meine Richtung.

"Bleib weg damit!", sage ich und weiche ein paar Schritte zurück. Er grinst nur, dann setzt er den Uhu auf dem Tisch ab und faltet den Brief auseinander.

"Von deinen Eltern?", frage ich, den Blick immer noch auf den Vogel gerichtet.

"Ja. Sag mal, hast du nächsten Samstag schon was vor?", fragt er ohne von dem Brief aufzusehen.

"Nein, ich denke nicht."

"Gut, dann hast du jetzt was vor.", grinst er und hält mir den Brief hin, den ich kurz überfliege. Er läuft währendessen zu 'Sweetie' - gibt es eigentlich einen noch dämlicheren Namen für einen aggressiven Uhu? - und hält ihm einen Arm hin, sodass der Vogel bis zu seiner Schulter hinaufklettern kann, wo er letztendlich auch sitzen bleibt. Ich schaue nocheinmal auf den Brief von Charlies Eltern, und muss grinsen. Er ist von seiner Mutter geschrieben und ich weiß jetzt schon, dass es in dieser Familie ganz sicher nicht an Liebe mangelt. Vor allem der Satz "Ich backe extra für dich Apfelkuchen." lässt mich nur noch mehr schmunzeln. Seine Mum scheint eine besonders liebenswerte Person zu sein.

"Was ist denn so lustig?", fragt Charlie, der plötzlich neben mir aufgetaucht ist. Ich schaue ihn kurz an, aber bevor ich etwas sagen kann, stoße ich einen schrillen Schrei aus und weiche von ihm zurück.

"Mach den Vogel da weg!", sage ich und zeige auf den Uhu, der unschuldig an Charlies Haaren knabbert.

"Der tut dir doch nichts! Er ist total niedlich.", sagt er verständnislos.

"Das Vieh da hat mehrere Sturzflüge auf mich angesetzt und hat mich attackiert! Und! Dieses! Viech! Ist! Nicht! Niedlich!"

"Ich weiß nicht, wo dein Problem liegt. Das ist doch nur ein Tier."

"Dass das klar ist, ich liebe Tiere über alles, aber wenn sie mich angreifen, dann hört der Spaß auf."

"Na gut, aber er tut dir nichts mehr, jetzt wo er weiß, dass du nicht "der Feind" bist.", sagt er und setzt der Feind mit den Fingern in Anführungszeichen.

"Trotzdem. Außerdem soll er Romeo nicht zu nahe kommen!", warne ich Charlie. Romeo, mein liebstes Tier und mein Ein und Alles. Er ist süß, hat neugierige Knopfaugen, lebt in einem Käfig im Wohnzimmer und lässt sich gerne spazieren tragen. Wer jetzt an ein Meerschweinchen oder einen Hasen denkt, den muss ich leider enttäuschen. Charlie lacht nur.

"Deiner Ratte passiert schon nichts.", sagt er und setzt Sweetie - ich könnte mich immer noch über diesen Namen krumm und dämlich lachen - wieder ab.

"Auf deine Verantwortung. Und bitte sorg dafür, dass du die Eule so schnell wie möglich aus der Wohnung verbannst.", sage ich.

"Ja, Ma'am!", sagt er und salutiert, woraufhin ich lachen muss. Dann mache ich mich auf den Weg zur Küche.

Die Wunde des BetrugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt