Kapitel 37 - Das Bild

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Nervös drehe ich den silbernen Ring in meinen Händen. Trotz Bills zweifelloser Überzeugung werde ich die Zweifel nicht los. Außerdem habe ich einen heftigen Selbsthass, obwohl ich ja genau genommen nichts für mein Problem kann. Im Treppenhaus höre ich Schritte. Sofort beschleunigt sich mein Herzschlag um ein Vielfaches. Ich schließe die Augen, lasse mich auf die Couch fallen und versuche mich zu beruhigen. Kurz darauf geht die Wohnungstür auf. Schnell lasse ich den Ring in meine Tasche gleiten und fahre mir durch die Haare, als sich schon zwei Arme von hinten um meinen Hals legen.

"Hey.", flüstert Az mir ins Ohr und lässt sich dann neben mich fallen.

"Hey. Du bist früh dran.", stelle ich fest.

"Stimmt.", sagt sie und küsst mich. Ich erwiedere ihn und ziehe sie näher zu mir, während sie ihre Hände in meinen Haaren vergräbt. Nach einer Weile beende ich jedoch den Kuss und sehe ihr in die Augen.

"Gehen wir heute was essen?"

"Klar.", strahlt sie. "Italiener?", fragt sie.

"Erwischt.", gebe ich zu.

"Ich kenne dich einfach zu gut.", grinst sie und steht auf.

Als wir zwei Stunden später wieder nach Hause kommen und sie im Zweiten Stock vor unserer Wohnung anhält, nehme ich ihre Hand und ziehe sie weiter die Treppen hinauf.

"Komm mit! Ich will dir was zeigen!"

"Uh... Ich liebe Überraschungen.", grinst sie.

"Ich weiß!", sage ich und bleibe, nachdem wir um die zwölf Stockwerle hochgelaufen sind, vor der Tür zum Dach stehen.

"Augen zu.", sage ich dann leise.

"Du machst es aber spannend.", lacht sie und schließt die Augen.

"Braves Mädchen.", lache ich und führe sie durch die Tür auf das Dach hinaus. Wie erwartet steht gerade die feuerrote untergehende Sonne am Himmel und die bunten Lichter der Lichterkette, die um die vielen Pflanzen gelegt ist, leuchten. Ich atme tief durch und flüstere dann: "Und ist die Überraschung gelungen?"

Sie öffnet langsam die Augen und ich betrachte sie lächelnd, wie sie mit offenem Mund das Dach vor uns anstarrt.

"Wow!", flüstert sie und schaut die Sonne an. "Das ist wunderschön!"

"Wie du." Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen. Sie lächelt mich an und setzt sich dann auf die Bank mitten auf dem Dach. Ich setze mich neben sie und sie lehnt sich gegen mich.

"Charlie? Hierfür gibt es doch sicher einen Anlass. Hab ich etwa meinen Geburtstag vergessen?", fragt sie lachend.

"Unwahrscheinlich, bei deiner Freude über Überraschungen, oder?"

"Erwischt.", grinst sie.

"Du hast recht. Es gibt einen Anlass hierfür.", sage ich und sehe sie an. "Ich will etwas machen, was ich schon länger vorhabe. Ich hatte mir eigentlich genau überlegt, wie ich das sage, aber mein Kopf ist grade leer also muss ich wohl improvisieren. Ich könnte jetzt Reden schwingen... Darüber, dass du Alles für mich bist und ich mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen kann. Dass ich jeden Fehler an dir nur als eine weiter Eigenschaft sehe, die ich an dir liebe. Dass dein Lachen mich immer glücklich macht und dass ich nicht verstehe, wie um alles in der Welt ich dich verdient habe. Aber weißt du was... Das weißt du alles schon. Und deshalb sag ich dir nur folgendes: Ich habe ein Bild vor Augen. Und es ist der wichtigste und bedeutendste Traum meines Lebens. Ich wünsche mir nichts mehr, als das zu erreichen. Dieses Bild verfolgt mich Tag und Nacht. Und das wird weiter so gehen, bis ich die Gewissheit habe, ob dieses Bild eine Zukunft hat.

Ich sehe eine Wiese unter blauem Himmel. Die Sonne scheint und im Hintergrund steht ein kleines Haus. Und es sitzen zwei Menschen auf dieser Wiese. Hand in Hand. Um sie herum spielen Kinder und Erwachsene unterhalten sich. Und sie lachen alle und sind glücklich. Und die zwei Menschen, die Hand in Hand zwischen ihnen sitzen, die sehen sich einfach nur in die Augen. Und sie wissen, dass - egal was passiert - sie füreinander da sind. Dass sie, wenn sie alt sind, auf ihr Leben zurückschauen und sagen können: Ich habe alles richtig gemacht. Ich habe mein Leben gelebt und bin glücklich. Und sie können mit einem Lächeln im Gesicht Hand in Hand sterben, während alle anderen um sie weinen werden. Diese Menschen sind wir. Ich will, dass wir das sind. Und ich will, dass die Menschen - Erwachsene und Kinder - um uns herum unsere Familie sind. Ich will, dass ich dir noch in 70 Jahren in die Augen schauen kann. Und ich will mit dir Hand in Hand mit einem Lächeln im Gesicht von dieser Welt gehen. Denn ich werde Lächeln. Solange ich mein Leben mit dir verbracht habe, werde ich lächeln. Denn dann ist mein Traum wahr geworden. Das Bild in meinem Kopf ist dann Wirklichkeit geworden. Ich will, dass du immer bei mir bist, und ich hoffe, dass du das auch willst.

Also... Azure Laura McCoy... Willst du mich heiraten?"

Die Wunde des BetrugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt