Kapitel 29 - Der Fuchsbau

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"Das ist es?", frage ich und starre mit offenem Mund auf das Bauwerk vor mir. Es ragt viele Stockwerke in die Höhe, die aussehen, als wären sie wahrlos aufeinandergestapelt und als würde das Haus jeden Moment einstürzen.

"Ja, es ist nicht das Schönste, ich weiß."

"Machst du Witze, das ist klasse! Und mal ehrlich... Ich hab praktisch mein ganzes Leben in einer Großstadt verbracht. Und es war eindeutig hässlicher dort.", grinse ich ihn an.

Wir sind beinahe vor der Haustür angekommen, als schon die Tür aufgeht und ein junger Mann herauskommt. Ich erkenne ihn sofort.

"Hi George!", rufe ich ihm entgegen und winke, woraufhin er sich umdreht und uns grinsend entgegenkommt.

"Hey, ihr Zwei! Ihr seid spät dran!", sagt er, als er bei uns angekommen ist, und umarmt mich kurz.

"Ja, es musste ja noch jemand unbedingt dreimal überprüfen, ob der Herd aus ist.", meint Charlie, woraufhin ich ihm in die Seite schlage.

"Hey! Willst du dafür verantwortlich sein, dass unsere Wohnung abfackelt?", frage ich ihn und laufe mit erhobenem Kopf in Richtung des schiefen Hauses. Hinter mir lacht George kurz.

"Charlie, wenn du beleidigt bist, kann ich das zehn Kilometer gegen den Wind riechen, und im Moment rieche ich gar nichts, also gib dir keine Mühe...", rufe ich Charlie im Laufen zu. Dann drehe ich mich um und sehe ihn mein Geplapper mit der Hand nachahmen. Also lag ich richtig. Er grinst nur und folgt dann mir und George.

Kaum hat Charlie an die Tür geklopf, fliegt sie uns schon entgegen und Charlie wird in die Arme seiner Mum gezogen.

"Da seid ihr ja endlich! Schön, dass ihr da seid!", ruft sie in einer Euphorie, die mich schmunzeln lässt.

"Mum, ist gut! Ich freu mich auch. Aber noch mehr würde ich mich freuen, wenn ich atmen könnte.", meint Charlie gequält, woraufhin ihn seine Mutter loslässt.

"Viel Spaß beim Zerquetscht werden!", flüstert mir George schadenfreudig grinsend zu, woraufhin ich ihm einen bösen Blick zuwerfe.

"Hallo!", strahlt die Frau mir entgegen, die jetzt vor mir steht.

"Hallo, ich bin Azure!", stelle ich mich vor und befinde mich kurze Zeit später in ihrer atemberaubenden - das ist wörtlich gemeint - Umarmung.

"Ich bin Molly, es freut mich so, dich kennenzulernen. Charles, hiergeblieben!", sagt sie dann streng, lässt mich los und hält Charlie fest, der sich gerade die Treppe rauf verziehen wollte.

"Woher weiß sie das immer?", höre ich Georges Stimme hinter mir.

"Mum, ich wollte doch nur-", fängt Charlie an, aber wird unterbrochen.

"Du wolltest dich nur vor der Begrüßung drücken, oder?", fragen Molly, George und ich gleichzeitig und brechen in Lachen aus.

"Wir kennen dich einfach zu gut, Charlie!", grinse ich und ziehe ihn am Arm hinter mir her, während ich Molly ins Wohnzimmer folge, wo sie mich einem nach dem anderen vorstellt. Charlie lässt sich erst für die Massenbegrüßung begeistern, als ein Mädchen von etwa 17 Jahren die Treppe runtergerannt kommt.

"Charlie!", ruft sie und springt ihm um den Hals.

"Hey, Kleine!", lacht er und hält sie fest.

"Du bist wirklich gekommen."

"Klar."

"Du warst so ewig nicht da!"

"Ja, ich weiß. Tut mir leid.", sagt er und lässt sie wieder runter.

"Wehe, du machst das noch einmal!", sagt sie wütend, aber Charlie grinst nur.

"Nein, keine Sorge.", meint er und legt einen Arm um sie.

"Hey! Ich bin Ginny!", sagt sie dann zu mir.

"Ich bin Azure, du kannst aber Az sagen.", sage ich lächelnd. Sie lächelt auch, macht sich dann etwas größer und flüstert ihrem Bruder etwas zu, der daraufhin lacht und sie in die Seite zwickt. Sie kreischt kurz und befreit sich aus seinen Armen. Schließlich bleibt sie hinter George stehen, als wollte sie sich verstecken.

"So Kinder! Schluss damit! Es gibt Essen!", ruft Molly und das Gequatsche aller Anwesenden verstummt sofort.

Reife Leistung bei elf Menschen in einem Raum, die alle durcheinander reden. Doch sobald das Wort 'Essen' fällt, sind alle auf der Stelle ruhig und sprinten schon beinahe in die Küche.

Die Wunde des BetrugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt