Kapitel 25 - Lügen

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Vorsichtig schleiche ich mich in die Wohnung direkt unter die Dusche. Es tut gut, den ganzen Schmutz, Blut, Schweiß und Tränen abzuwaschen. Das Wasser steht auf kältester Stufe, sodass sich die Tropfen wie Nadeln in meine Haut bohren. Aber es tut gut. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es schon beinahe halb neun morgens ist. Es kommt mir vor, als wären bereits zwei Tage vergangen, seitdem Bills Patronus gekommen ist. Dabei sind es gerade mal neun Stunden.

Als ich fertig bin, sehe ich zuallererst nach Az. Sie schläft immer noch tief und fest. Sie sieht so friedlich aus. Wenn sie wüsste, was passiert ist... Sie wird es auch nicht erfahren, wenn es sich vermeiden lässt. Ich lege mich vorsichtig neben sie und lege einen Arm um sie. Sie dreht sich in meinen Armen um und legt ihren Kopf auf meine Brust, sowie ihre linke Hand daneben. Wenn ich nicht die ganze Zeit an das Geschehene denken müsste, dann würde ich es sicherlich mehr genießen.

"Charlie?", flüstert Azure neben mir.

"Morgen, Az!", sage ich und gebe ihr einen Kuss auf den Scheitel, während ich mit der Hand über ihre Locken streiche.

"Morgen!", sagt sie lächelnd und wuschelt mir mit der Hand durch die Haare, was sie immer macht um mich zu ärgern. Dann stützt sie sich auf ihren rechten Arm und blickt lächelnd auf mich herab, wobei ihr die Haare ins Gesicht fallen. Ich nehme sie in ihrem Nacken zusammen und lasse sie ihr über den Rücken fallen. Dann ziehe ich sie zu mir runter und küsse sie, aber sie löst sich nach nur wenigen Sekunden von mir und sieht mir in die Augen.

"Charlie? Was ist los?", fragt sie.

"Nichts. Was soll denn los sein?", frage ich. Sie seufzt und verdreht die Augen.

"Jetzt mach nicht auf unwissend, Charlie! Ich weiß genau, dass du mich gerade anlügst!", sagt sie und setzt sich auf.

"Und ich weiß genau, dass nichts los ist! Schonmal dran gedacht, dass dich dein Gefühl auch mal täuschen könnte?", frage ich. Dummerweise klingt meine Stimme genervter, als ich beabsichtigt habe.

"Ja!", sagt sie schlicht. Ok, auf diese Antwort war ich jetzt nicht vorbereitet. Doch bevor ich überhaupt über eine Antwort nachdenken kann, redet sie weiter: "Aber ich weiß, dass deine Stimme zittert, du ganz kalte Hände hast, aussiehst, als hättest du kaum geschlafen und andere Klamotten an hast als gestern Abend. Also ich denke, in diesem Fall kann ich meinem Gefühl vertrauen." Scheiße! Das klingt einleuchtend... "Also, willst du mir jetzt sagen, was los ist, bzw. wo du die ganze Nacht über warst?", fragt sie.

"Az, es ist nichts los, ich konnte nur nicht schlafen und war frische Luft schnappen. Worüber regst du dich auf?", frage ich. Sie sieht mich einen Moment lang an, doch dann steht sie wortlos auf und bleibt mit verschränkten Armen am Fußende des Bettes stehen.

"Ok, pass auf! Da du anscheinend immer noch nicht kapiert hast, dass du der mieseste Lügner bist, den ich kenne, hoffe ich mal für dich, dass du das noch lernst. Dann kannst du mir in Zukunft alles mögliche verheimlichen, ohne dass ich es merke. Das ist doch genau das, was du willst, oder Charles?", sagt sie. Sie redet weder laut, noch klingt sie sauer. Trotzdem zucke ich bei ihren Worten zusammen, nicht zuletzt deswegen, weil sie mich Charles nennt. Ohne eine Antwort abzuwarten, läuft sie aus dem Zimmer. Seufzend lasse ich mich zurück in mein Kopfkissen fallen. Jetzt hab ich ein richtiges Problem: Az ist - zurecht - sauer auf mich, um das wieder glatt zu bügeln muss ich ihr alles erzählen, dann weiß ich aber nicht, wie sie darauf reagiert. Und zu guter Letzt weiß ich nicht, ob Fred überlebt. Ich könnte heulen...

Aber ich habe eigentlich kaum eine andere Möglichkeit, als Azure alles zu sagen. Anders kann ich ihre Fragen nicht beantworten. Und wie sie schon richtigerweise erkannt hat, ich kann nicht lügen. Obwohl mir das keiner glaubt, manchmal ist das echt ein Fluch.

Ich richte mich langsam auf und reibe mir die Müdigkeit aus den Augen. Dann atme ich kurz durch und verlasse das Schlafzimmer. In der Küche sehe ich Azure mit dem Rücken zu mir stehen. Es sieht aus, als würde sie etwas vor sich auf der Küchenzeile betrachten.

"Az? Es tut mir leid. Ich..."

"Halt die Klappe!", ruft sie plötzlich. Erschrocken über ihren harten Tonfall verstumme ich. Sie dreht sich zu mir um und kommt auf mich zugerannt. Bevor ich überhaupt nur ansatzweise kapiert habe, was hier abgeht, wirft sie sich mir schon um den Hals. Jetzt bin ich komplett verwirrt.

"Verdammt, Charlie! Geht es dir gut? Hast du dich verletzt? Ist alles ok? Wie geht es deiner Familie?", weint sie an meiner Schulter.

"Was!", frage ich verwirrt. "Az, was ist los?" Vorsichtig lege ich die Arme um sie und versuche sie zu beruhigen. Aber sie schluchzt nur noch mehr.

"Geht es dir gut?", fragt sie wieder.

"Ja... Ja mir geht's gut! Az? Was ist los?", frage ich wieder. "Azure! Beruhig dich! Es ist alles ok! Mir geht's gut!", sage ich und befreie mich aus ihrem Klammergriff. Stattdessen nehme ich ihr Gesicht in meine Hände und rede weiter auf sie ein. Nach einer Weile hat sie sich tatsächlich beruhigt.

"Sicher, dass alles OK ist?", fragt sie.

"Ja, alles ok. Az, sag mir doch, was los ist!" Statt zu antworten geht sie ein paar Schritte zurück und greift nach etwas auf der Küchenzeile.

"Wieso hast du nie gesagt, was du bist?", fragt sie und hält mir meinen Zauberstab vor die Nase. Ich kann sie nur fassungslos anstarren.

"Woher... Ich meine, wie...?"

"Hier!", sagt sie und hält mir einen Zettel hin.

Die Wunde des BetrugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt