Kapitel 39 - Ist es wirklich Liebe?

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Am nächsten Morgen wache ich erst am späten Vormittag auf. Az liegt neben mir und hat sich in die Decke eingekuschelt. Jetzt dreht sie sich zur Seite und legt ihren Kopf auf meine Brust, sowie ihre Hand daneben. Ich lege einen Arm um sie und drehe eine ihrer blauen Haarsträhnen in meiner Hand.

"Der Ring ist wunderschön.", flüstert sie plötzlich und betrachtet ihre rechte Hand.

"Für dich nur das Beste!"

"Du bist so süß!", sagt sie lächelnd und fährt mit den Fingern über meinen Oberkörper, was mir eine Gänsehaut am ganzen Körper bereitet.

"Du hast mir gestern einen ganz schönen Schrecken eingejagd."

"Weil ich angefangen hab zu heulen?", fragt sie grinsend.

"Ähm... Ja schon. Ich dachte, du sagst 'nein'.", gebe ich zu.

"Wie hätte ich das denn können?", fragt sie und richtet sich auf, sodass sie auf mich herabschaut. "Du hast genau das beschrieben, was ich mir immer gewünscht habe. Und jetzt ist es soweit. Jetzt ist das alles so greifbar und nah. Wie hätte ich das abschlagen können?", grinst sie und legt sich wieder neben beziehungsweise auf mich.

"Vor allem der Teil mit der Familie war schön.", sagt sie leise. Familie. Oh nein! Das hab ich ja total vergessen! Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich war so aufgeregt und abgelenkt, dass ich vergessen habe, es ihr zu sagen. So ein Mist!

"Az, ich muss dir dringend was sagen.", sage ich vorsichtig.

"Ja?", murmelt sie im Halbschlaf. Sie sieht so glücklich aus. Soll ich ihren Traum von der eigenen Familie wirklich jetzt zerstören? Oder kann das noch warten? Eigentlich kann es nicht warten. Ich wollte es ihr gestern schon sagen, bevor ich ihr den Antrag gemacht habe, aber in der ganzen Aufregung und Freude habe ich das total vergessen. Ich muss es ihr auf jeden Fall bald sagen. Ich habe immer noch die Sorge, dass sie deswegen Schluss macht. Aber ich muss fair zu ihr sein.

"Az, es ist wirklich wichtig."

"Ok.", sagt sie und setzt sich auf.

"Ich hab das doch richtig verstanden, dass du... Dass du Kinder willst, oder?" Sie sieht mich schockiert an.

"Ja... Natürlich... Ich meine, du... Du hast doch gesagt, dass du auch... Charlie?"

"Nein... Ich meine ja, ich will auch Kinder... Aber..." Ich kann nichts mehr sagen, weil ich nicht weiß wie. Ihr Gesicht spiegelt Angst, Verwirrung und... Hass... Es ist Hass, eindeutig.

"Was?", fragt sie tonlos.

"Az, hör mir zu! Ja, ich will Kinder. Ich wünsche mir das wirklich sehr, aber..."

"Was aber?"

"Ich kann nicht.", sage ich laut. "So sehr ich es auch will, es geht nicht! Ich kann und werde nie Kinder kriegen können!" Sie starrt mich mit offenem Mund an. Ich nehme ihre Hände in meine und sehe ihr in die Augen.

"Az, es tut mir so leid. Ich hätte es viel früher sagen sollen. Ich hatte vor es gestern zu sagen, aber ich... Mein Gott... Ich hab es einfach total vergessen. Es tut mir so leid. Ich... Bitte glaub mir, ich wollte nicht..."

"Charles, halt die Klappe!", schreit sie und vergräbt ihr Gesicht in den Händen. Ich will etwas sagen, sie in den Arm nehmen, mich entschuldigen und ich will, dass sie mich jetzt nicht hasst. Aber ich halte den Mund. Das würde sie nur noch rasender machen, da bin ich sicher.

Nach einer Weile sieht sie auf und schaut mir in die Augen.

"Warum hast du es mir nicht gesagt? Und sag jetzt ja nicht, dass du es vergessen hast!", sagt sie und schaut mir tief in die Augen. Ich muss schwer schlucken, bevor ich zur Antwort ansetze.

"Ich hatte Angst, dass du dann 'nein' gesagt hättest. Das wäre das schlimmste, was passieren könnte. Ich hab es zu lange rausgeschoben."

"Du denkst, dass ich jetzt Schluss mache?"

"Nein, ich hoffe nur, dass es nicht so ist!"

"Mir ist schlecht!", sagt sie dann und springt auf, bevor sie schnell aus dem Zimmer ins Bad rennt. Verzweifelt lasse ich mich wieder auf das Bett fallen und vergrabe mein Gesicht in das Kissen. Warum hasst mich das Schicksal so? Was hab ich denn so Schlimmes gemacht, dass ausgerechnet mir sowas passiert?

Nach einer Weile raffe ich mich auf und gehe zur Badezimmertür, die ich verschlossen wiederfinde.

"Azure! Bitte mach auf." Von drinnen höre ich sie leise weinen, aber es passiert nichts.

"Az, bitte."

"Geh weg!", ruft sie.

"Az, es tut mir leid. Ich kann doch auch nichts dafür."

"Ich muss... Das erst... Verarbeiten!", schreit sie und schluchzt auf. Ich lasse mich an der Wand neben der Tür hinabrutschen und schließe die Augen. Ich hab es einfach verkackt. Ich hätte es ihr viel früher sagen sollen. Und vor allem, bevor ich ihr den Antrag gemacht habe.

Nach gefühlten zwei Stunden halte ich es einfach nicht mehr aus, so schweigend und wartend hier zu sitzen. Ich bin kurz davor, wieder nach Az zu rufen, als die Tür aufgeht und sie langsam herauskommt. Ich traue mich gar nicht, sie anzusehen, weil ich Angst davor habe, was sie jetzt sagen könnte. Nachdem sie mich eine Weile nur angesehen hat, setzt sie sich schließlich neben mich und legt die Arme um ihre Beine.

"Ich hab so viel aufgegeben. Wegen dir. Für niemanden außer dir hätte ich das alles gemacht. Weil du der einzige Mensch auf diesem Planeten bist, der mir so viel bedeutet. Weil ich angefangen habe dich zu lieben und wollte was du willst. Aber jetzt..."

"Jetzt weißt du nicht ob du mich liebst?"

"Natürlich liebe ich dich, ich wünschte nur du hättest es mir gesagt. Wenigstens etwas früher."

"Dass du dann gestern hättest 'nein' sagen können?", frage ich. Sie sieht mich nicht an, sondern schaut zu Boden. Ein Stich durchzieht meinen ganzen Körper.

"Ok, das reicht mir als Antwort!", sage ich mit trockener Kehle und stehe auf.

"Charlie! Nein! Warte!", ruft sie mir hinterher, aber ich appariere schon.

Wie konnte ich mich nur so in ihr täuschen? Sie liebt nicht mich, sondern nur ihren Plan vom Leben, zu dem ich ihr verhelfen sollte. Kinder. Bei dem Gedanken an die glücklich lächelnde schwangere Scarlett wir mir ganz übel. Ich habe mir das wirklich sehr gewünscht. Diesen strahlenden Gesichtsausdruck auf Azures Gesicht mit unserem Kind im Arm. Das Wort 'Dad' aus dem Mund dieses kleinen Kindes. Die kleine Hand, die sich um meinen Finger schließt. Das Lachen dieses so kleinen Wesens. Und dann ist das auf einmal weg. Der ganze Traum von diesem Baby zersplittert. In tausend Scherben. Ich fasse es nicht, dass Az mich deshalb nicht heiraten will. Niemals hätte ich gedacht, dass ich nur das Mittel zum Zweck für sie bin. Und jetzt bin ich für sie nutzlos geworden, also will sie mich loswerden.

Sie hat mich damals gefragt, ob ich ihr vertraue. Und ich habe ja gesagt. Weil ich sie nicht verlieren wollte. Ich habe ihr vertraut und so endet das dann... Dabei dachte ich immer, sie wäre anders als die ganzen anderen Frauen, die mich nur ausgenutzt haben. Aber sie ist nicht anders. Sie ist genauso. Ich hatte von anfang an Recht. Sie würde mich genauso verletzen, habe ich gesagt. Sie hat es abgestritten, aber ich hatte Recht. Ich hatte verdammt noch mal Recht. Aber ich habe ihr vertraut, entgegen meinem Instinkt. Und das war der größte Fehler, den ich je gemacht habe.

Die Wunde des BetrugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt