Wem du deine Liebe schenkst,
dem gibst du die Macht dich zu verletzen."--- Deine Sicht ---
"Ach du meine Güte!", seufzt meine beste Freundin und blickt mit großen Augen wie versteinert an mir vorbei. Verwirrt drehe ich mich um, um den Grund ihres - nennen wir es - Zustandes auszumachen. Ich lasse meinen Blick durch den Raum wandern und betrachte die Menschen, die an der Bar sitzen, um die Billardtische stehen oder knutschend in einer Zimmerecke sitzen.
"Was meinst du?", frage ich dann, als ich nichts Bemerkenswertes erblickt habe.
"Na der Typ da hinten! An der Bar!", sagt sie ohne mich anzusehen. Stattdessen gilt ihre vollständige Aufmerksamkeit dem jungen Mann, der an der Bar sitzt und eine Bierflasche in der Hand hält. Ich sehe ihn nur von schräg hinten, aber muss zugeben, dass sein Körper ein echter Hingucker ist. Kräftige Arme, breites Kreuz und etwas längere schwarze Haare, die ihm bis kurz über die Ohren reichen.
"Siehst du ihn?", fragt Sara und nickt möglichst unauffällig in seine Richtung.
"Ja, aber nur von hinten.", antworte ich und drehe mich wieder zu ihr um.
"Vorhin hat er sich kurz umgedreht und ich sage dir, einen heißeren Typen hast du noch nicht gesehen!"
"Heißer als Finn?", frage ich skeptisch.
"Finn ist dagegen hässlich!", sagt sie und blickt wieder an mir vorbei. Finn ist der absolute Mädchenschwarm auf unserem gesamten Campus. Und ich gebe es wirklich ungerne zu, aber ich stehe auch auf ihn. Er sieht aber auch verboten gut aus. Mit seinen blonden verstrubbelten Haaren und seinen meerblauen Augen. Außerdem ist er der Kapitän unserer Basketballmannschaft. Beinahe jedes Mädchen an unserem Collage hat schonmal für ihn geschwärmt.
Der Typ an der Bar muss also wirklich verdammt gut aussehen, um Finn zu übertreffen. Unauffällig drehe ich meinen Kopf wieder in seine Richtung und stelle mit Bedauern fest, dass ich immer noch nicht mehr als seinen Rücken und rechten Arm sehen kann. Schade eigentlich. Ich widme mich wieder meinem Cocktail und sehe Sara belustigt dabei zu, wie sie den unbekannten Mann ansieht.
"Sprich ihn doch einfach an, wenn du ihn so toll findest!", schlage ich ihr vor. Sie verdreht die Augen.
"Du weißt genau, dass ich das nicht mache! Und du würdest das auch nicht machen!", meint sie.
"Stimmt auch wieder!", sage ich. Für so etwas bin ich einfach zu schüchtern. Außerdem vertrete ich die Meinung, dass man nicht nach der Liebe suchen muss. Irgendwann läuft sie einem über den Weg. Und so lange kann ich warten. Was bringt mir ein gutaussehender Freund, den ich nicht liebe!
"Ich hab eine Idee!", sagt Sara und reißt mich aus meinen Gedanken.
"Und die wäre?"
"Mein Cocktail ist leer. Ich gehe mir einen neuen holen!"
"Du kannst doch einfach eine Bedienung rufen.", sage ich. Sie verdreht die Augen.
"Und was hab ich dann davon?", fragt sie genervt.
"Achso, wir reden noch von dem Typ?"
"Manchmal frage ich mich ernsthaft, was du in deiner Phantasiewelt so machst, dass du unser Gesprächsthema vergisst.", meint sie grinsend.
"Ich war einfach in Gedanken. Den Typ hab ich schon verdrängt!", sage ich achselzuckend. Sie verdreht die Augen und steht auf. Dann läuft sie an mir vorbei auf die Bar zu. Direkt neben dem Mann setzt sie sich auf einen Barhocker und bestellt sich etwas. Kopfschüttelnd drehe ich mich wieder um und rühre etwas gelangweilt in meinem Cocktail herum.
Ich hatte eigentlich überhaupt keine Lust, heute hierher zu kommen. Nur durch Saras Überredenskünste und meine Faulheit, ihr zu widersprechen, hat sie mich schließlich von zu Hause wegschleifen können. Deshalb bin ich jetzt noch genervter, dass sie mich hier alleine sitzen lässt.
Ich schaue ein bisschen den Billard spielenden Menschen zu und muss innerlich etwas grinsen. Das letzte Mal, das ich Billard gespielt hab ist schon mindestens zwei Jahre her. Wahrscheinlich würde ich keine einzige Kugel mehr treffen. Mein Blick schweift weiter über die Menschen und bleibt letztendlich an einer Gruppe junger Männer hängen. Sie sitzen in einer Ecke des Raumes an einem Tisch und lachen. Den Jüngsten würde ich auf 18, den ältesten auf 30 schätzen. Alle sind sehr kräftig gebaut und tragen einfache T-Shirts und Jeans. Durch die entblößten Arme entdecke ich, dass viele von ihnen Brandnarben haben. Und dabei handelt es sich nicht um kleine Narben, die man bekommt, wenn man die Hand auf eine heiße Herdplatte legt. Nein, diese Narben sind um einiges größer und erstrecken sich teilweise sogar über den kompletten Unterarm. Ich will meinen Blick gerade wieder von der Gruppe abwenden, als ich erstarre. Es kommt mir vor, als hätte mich jemand in einen Tunnel gestellt, dessen Ausgang mir nur einen Blick ermöglicht. Und zwar auf die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Der Braunton erinnert mich stark an flüssige Vollmilchschokolade oder heißen Kakao. Den Mann, dem sie gehören, kann ich nicht ansehen, so sehr versinke ich in seinen Augen. Schließlich schaffe ich es aber doch wegzusehen, indem ich mich zwinge, kurz die Augen zu schließen. Doch kaum hab ich sie wieder geöffnet und mich aus meiner Starre gelöst, dreht sich der junge Mann auch schon wieder weg und ich sehe nur noch seine roten Haare.
Erst jetzt bemerke ich, dass mein Mund offen steht. Peinlich berührt schließe ich ihn wieder und blicke meinen Cocktail vor mir an. Immer wieder spielt sich die Situation von eben vor meinem inneren Auge ab. Es waren nur drei Sekunden, in denen ich ihn betrachtet habe. Und dennoch kann ich ihn einfach nicht vergessen.
Nach etwa fünf Minuten kommt Sara schließlich wieder von der Bar zurück und setzt sich grinsend mir gegenüber.
"Und?", frage ich.
"Er heißt Theo und ist 23!", sagt sie.
"Aha!", sage ich nur, während ich den Mann mit den braunen Augen von hinten betrachte. Er hat genauso wie die anderen Männer eine Brandnarbe am Arm, obwohl seine verhältnismäßig groß ist. Fast sein halber rechter Unterarm ist betroffen.
"Er hat meine Nummer!", sagt Sara und rutscht aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her.
"Toll!", sage ich geistesabwesend.
"Hörst du mir überhaupt zu?", fragt sie dann etwas empört.
"Jaja, ein Typ namens Theo, 23 Jahre alt, er wird dich anrufen!", fasse ich das bisherige Gespräch zusammen.
"Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
"Alles Ok!"
"Nun sag schon! Hast du auch einen entdeckt?", fragt sie grinsend.
"Mehr oder weniger."
"Was soll das heißen?", fragt sie verwirrt.
"Ich hab ihn nur für ein paar Sekunden gesehen, aber trotzdem geht mir das Bild nicht aus dem Kopf."
"Wo ist er? Wie sieht er aus?", fragt sie aufgeregt.
"Er sitzt ziemlich genau hinter dir. Aber ich... Naja, es war komisch. Er hat sich kurz umgedreht, aber ich hab nur auf seine Augen geachtet."
"Was? Wie geht das denn?", fragt sie. Immer noch sieht sie ziemlich verwirrt aus.
"Ich bin gerade selber ziemlich verwirrt. Ich hab seine Augen gesehen und war wie versteinert. Und dann hat er sich auch schon wieder umgedreht. Wahrscheinlich hat er mich noch nicht einmal gesehen."
"Du hast dich in die Augen eines Typen verknallt?", gluckst sie.
"Jaja, lach du nur! Ich fand sie einfach nur schön, nichts weiter!", wimmele ich sie ab.
"Welche Farbe hatten sie? Das sagt viel über einen Menschen aus, weißt du?"
"Braun. Wie Schokolade oder Kakao oder-"
"Hundehaufen?", schlägt sie vor und bricht in Gelächter aus.
"Du bist so unsensibel!", beschwere ich mich, kann mir aber ein Grinsen nicht verkneifen.
"Und was sagt das jetzt deiner Meinung nach über ihn aus?", frage ich sie.
"Naja, Braunäugige sind meistens offen, ehrlich, treu, vertrauensvoll und humorvoll, können aber auch ernst sein. Außerdem hab ich gehört, dass sie sehr romantisch sein sollen, sich aber nicht schnell verlieben.", erklärt sie.
"Du solltest aufhören, diese Horoskop-Seiten zu lesen. Das tut dir nicht gut!", sage ich.
"Hast du dich etwa noch nie gefragt, warum manche Dinge geschehen? Es muss so etwas wie Schicksal geben. Manches kannst du nicht mit das war ein Zufall erklären. Und so ist es auch mit der Augenfarbe. Die Augen sind die Fenster zur Seele. Also sagen sie auch etwas über deine Seele aus.", sagt sie bestimmend.
"Na schön! Glaub, was du willst. Ich halte das für-"
"Schwachsinn! Ich weiß! Aber du musst es ja nicht glauben!", meint sie.
Etwas Recht muss ich ihr aber schon geben. Seine Augen haben wirklich erstaunlich ehrlich und treu auf mich gewirkt. Aber das heißt nicht, dass alle von Sara genannten Eigenschaften auf den Mann zutreffen. Was mache ich mir eigentlich Gedanken darüber? Ich hab ihn nur für drei Sekunden gesehen.
"Weißt du, was der beste Beweis dafür ist, dass es so etwas wie Schicksal gibt?", fragt Sara. Ich schüttele den Kopf.
"Deine Haare!", meint sie triumphierend. Ich verdrehe die Augen.
"Das mit meinen Haaren ist ein dämlicher Genfehler! Nichts weiter!", sage ich.
"Ach komm schon! Welcher Mensch bekommt durch einen Genfehler dunkelblaue Haare?"
"Ich!", sage ich beleidigt.
"Und wie erklärst du dann deinen Namen? Azure bedeutet doch nichts anderes als blau. Und du hattest den Namen schon vor deiner Geburt!", argumentiert sie.
"Zufall!", antworte ich prompt. Sie seufzt.
"Ich gebe es auf! Glaub was du willst!", meint sie dann grinsend.
DU LIEST GERADE
Die Wunde des Betrugs
Fanfiction> Dies ist die Geschichte einer Frau namens Azure, die einem Mann verfällt. Doch er ist kein gewöhnlicher Mann. Er ist ein Zauberer. Er ist Charlie Weasley... PS: ICH WÜRDE MICH ÜBER KOMMENTARE FREUEN, DASS ICH WEIß, WIE EUCH DIE STORY GEFÄLLT :)