Kapitel 40 - Hilfe!

720 34 0
                                    

"Bill!", schreie ich und hämmere an die Haustür. So langsam kommt wirklich die Enttäuschung in mir hoch. Diese bittere Erfahrung, dem Menschen, den man liebt, egal zu sein. Mein trockener Hals schmerzt noch mehr, als ich versuche, die Tränen runterzuschlucken, die sich in meinen Augen sammeln. Als die Tür vor mir endlich aufgeht, stürme ich sofort an der Person, die mir geöffnet hat, vorbei in die Küche und schnappe mir den hochprozentigsten Drink, den ich finden kann. Ohne mich nach der Person umzusehen setze ich die Flasche an und nehme einen großen Schluck. Die Flüssigkeit brennt wie Feuer in meinem Hals, aber ich nehme noch einen Schluck. Ich hätte wahrscheinlich ewig so weiter gemacht, wenn mir nicht jemand die Flasche aus der Hand nehmen und mich mithilfe einer Ohrfeige aus meiner Trance wecken würde.

"Charlie!", schreit Scarlett und hält die Flasche hinter ihren Rücken.

"Gib mir das wieder!", sage ich monoton und will nach der Flasche greifen. Doch sie schlägt meine Hand weg. Als ich eine weiteren Anlauf starte, spüre ich wieder diesen ziehenden Schmerz in meinem Gesicht.

"Wenn ich dir nicht noch eine verpassen soll, hörst du sofort auf damit."

Aber es ist mir egal. Ich greife schnell nach der Flasche, die ich jetzt tatsächlich gefasst bekomme und wieder ansetze. Scarlett versucht erfolglos mir die Flasche wegzunehmen, aber ich halte sie so, dass sie sie aufgrund ihrer nicht all zu großen Körpergröße nicht erreichen kann. Ich habe keine Ahnung, was danach passiert ist, nur dass ich irgendwann mit tierischen Kopfschmerzen auf einer Couch aufwache.

--- Deine Sicht ---
Hey Scarlett,
Charlie ist weg. Wenn er bei euch ist... Ich muss mit ihm reden. Kannst du Bill fragen, ob er mich abholen kann? Danke!
Azure

So schnell ich kann, binde ich der Eule den Brief ans Bein und werfe sie schon fast aus dem Fenster. Ich hoffe, das sie nicht all zu lange bis nach Frankreich brauchen wird, weil ich weiß, dass Charlie oft unüberlegte Sachen macht, wenn es ihm scheiße geht. Ich will nicht, dass ihm etwas passiert. Gerade habe ich mich hingesetzt und durchgeatmet, als hinter mir ein Knall ertönt. Als ich mich erschrocken umdrehe, sehe ich Bill, der mit etwas verzweifeltem Gesichtsausdruck vor mir steht. Charlie ist also wie erwartet zu ihm appariert.

"Az, Charlie... Er..."

"Was hat er gemacht?"

"Er betrinkt sich!"

"Oh Charlie!", seufze ich und fahre dann an Bill gewandt fort. "Bitte bring mich zu ihm.", sage ich und sehe ihn bittend an.

"Az... Er ist schon vollgedröhnt bis oben hin. Das bringt nichts."

"Ich will trotzdem zu ihm!"

"Was ist überhaupt passiert?", fragt er ohne meiner Bitte Beachtung zu schenken.

"Bill!", schreie ich. "Du bringst mich jetzt sofort zu Charlie oder du kannst was erleben!"

"Azure! Hör mir doch mal zu! Er ist total besoffen! Wenn du jetzt zu ihm gehst, macht er was weiß ich was. Ich weiß zwar nicht was passiert ist, aber er ist stinksauer auf dich. Ich glaube nicht, dass es die beste Idee wäre, wenn er dich in seinem jetzigen Zustand sieht!"

"Bill, bitte!", sage ich, während mir die Tränen übers Gesicht laufen. Er schüttelt nur den Kopf und nimmt mich in den Arm. Jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten und schluchze auf.

"Ich... Es ist... Meine Schuld... Alles!"

"Az, du musst es mir nicht erklären. Aber das wird schon wieder. Alles wird gut. Beruhig dich!"

"Nichts... Wird gut. Er hasst mich..."

"Das stimmt doch gar nicht."

"Du hast doch keine Ahnung!", schreie ich und schlage um mich, bis er mich loslässt.

"Azure!", ruft er verzweifelt. Ich lasse mich auf die Couch fallen und lege mich mit dem Kopf in ein Kissen gedrückt darauf. Ich spüre, wie sich Bill neben mich setzt und mir die Hand auf die Schulter legt.

"Bitte bring mich zu Charlie.", weine ich leise und klammere mich in das Kissen fest. Bill schweigt lange. Sogar so lange, dass ich befürchte, er ist gar nicht mehr da.

"Na schön.", sagt er schließlich leise und steht auf. Vorsichtig erhebe ich mich auch und stelle mich neben ihn. Dann nehme ich seine Hand, die er mir hinhält, und verliere kurz darauf den Boden unter den Füßen.

Die Wunde des BetrugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt