Kapitel 1

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Klaviertöne erfüllten die Luft und erfüllten den Raum

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Klaviertöne erfüllten die Luft und erfüllten den Raum. Meine Leidenschaft ist es, Klavier zu spielen. Dies tat ich schon seit ich klein war. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich auf dem Schoß meines Vaters saß, während dieser gespielt hatte. Ab diesem Moment, war mir klar, dass ich das auch wollte. Sieben Jahre war ich damals.

Leidenschaftlich wiegte ich meinen Körper mit. Meine Augen waren geschlossen und ich fühlte mich schwerelos. Das war es, was ich brauchte. Das war es, was mich heilen konnte. Heilen vom Schmerz der Trauer, der so an mir nagte.
Oscar war gegangen. Er hatte mich einfach alleine gelassen.
Noch immer traf mich der Verlust meiner großen Liebe hart, doch langsam wurde es besser. Der Schmerz verflog Schritt für Schritt und die Musik machte es mir einfacher, alles um mich herum  zu vergessen.

Ich war 17 Jahre alt und lebte in Bergen, eine kleine Stadt an der Südküste von Norwegen. Es gab sehr viele Berge, Fjorde und noch dazu war das die zweitgrößte Stadt von Norwegen.
Von meinem Zimmer aus konnte man auf das große weite Meer blicken. Wie gerne würde ich Mal mit einem Boot dort hinaus fahren. Einfach geradeaus. Immer geradeaus bis ich mit dem Ozean am Horizont verschmolz.

»Schatz, du sitzt ja schon wieder am Klavier.«
Meine Mutter kam in das große Wohnzimmer.

Die Scheiben unseres Hauses reichten hinunter bis auf den Boden. Die Decken waren hoch und alles sah sehr modern aus. Eigentlich passte das gar nicht zu Bergen, da die Häuser meistens alle sehr kulturell in Holz gehalten und sehr bunt waren.

Wir waren eben anders. Meine Familie wusste, dass ich schwul war. Ich hatte nie wirklich verstanden, warum man daraus ein Geheimnis machen sollte. Es war eben normal. Liebe ist Liebe. Egal, welches Geschlecht und diese Perspektive vertrat zum Glück auch meine ganze Familie.
Niemals würde ich vergessen, wie sehr sie sich über Oscar an meiner Seite gefreut hatten.

»Ja.«

Ich hob den Blick von meinen Notenblättern und sah zu meiner Mutter hoch, die an meine Seite getreten war und durch das Fenster nach draußen spähte. Wir wohnten eigentlich direkt am Meer, wenn man so wollte. Unser Haus war ganz dicht an einer Bucht  gebaut worden, so dass man bloß die Fenster öffnen musste und schon konnte man das Meer riechen.
Ich liebte mein Zuhause. Es war wie ein Paradies.

»Deine Großeltern kommen nachher noch auf einen Kaffee vorbei. Mach also bitte nicht mehr so lange ja? Sie würden sich bestimmt freuen, wenn du uns mit deiner Anwesenheit berehrst.«

Ich nickte nur und legte meine Finger wieder auf die Tasten.
Sie flogen mit einer Leichtigkeit über das kühle Material, ließen traumhafte Töne erklingen. Bald konnte ich mein Lieblingsstück in einem durch spielen.
Meine Mutter stand daneben und hörte mir zu.
Schließlich legte sie mir eine Hand auf die Schulter, drückte leicht zu und ich sah auf.

»Du spürst den Schmerz immer noch oder? Den in deinem Herzen? Das sieht und hört man richtig, wenn du spielst. Du machst das mit einer unglaublichen Leidenschaft, aber gleichzeitig sehe ich den Schmerz in deinen Augen, was das ganze nicht so fröhlich klingen lässt. Ich hab Gänsehaut bekommen.«

Ich musste lächeln. Meine Mutter war früher einmal Pianistin gewesen, bevor sie schwanger wurde. Sie wusste, wovon sie sprach und deshalb freute mich ihr Lob umso mehr.

»Danke Mum.«

Sie nickte mir nur kurz zu und ging dann wieder davon, um die Küche für das kleine Kaffeekränzchen herzurichten.

Nun war ich es, der nach draußen schaute, die Wellen beobachtete, die gegen die Bucht knallten. Manchmal stellte ich mir noch immer vor, Oscar stände neben mir, würde diesen Ausblick mit mir teilen und dann wartete ich schon fast darauf, seine warmen Hände an meinen Wangen zu spüren. Das hatte er immer getan, bevor er seine perfekten Lippen auf meine gelegt hatte und mich somit zum glücklichsten Jungen der ganzen Welt gemacht hatte, doch nun war er fort. Er hatte die Stadt verlassen und würde wohl nicht mehr wieder kommen.
Auch auf den sozialen Netzwerken war es still geworden. Es war beinahe so, als wäre Oscar nicht nur aus meinem Leben verschwunden, sondern aus der ganzen Welt. Ausgelöscht. Verschwunden. So als hätte es ihn nie gegeben, doch das war Blödsinn. Ich wusste, dass er noch da war. Irgendwo da draußen. Was er wohl gerade machte? Dachte er vielleicht auch an mich? An uns? Vermisste er mich auch so?

Das Klappern des Geschirrs riss mich aus meinen Gedanken. Ich stand auf und schob den Hocker ordentlich unter den Flügel. Dann ging ich zu meiner Mutter in die Küche, um ihr ein wenig zur Hand zu gehen.
Was würde ich nur geben, um Oscar nur ein einziges Mal wieder zu sehen.
Beinahe wäre mir eine Tasse auf den Boden gefallen, die meine Mutter noch im Flug aufgefangen hatte.

»Schatz, du musst aufpassen. Das Geschirr ist ein Erbstück.«

Etwas beschämt nahm ich die Tasse und nickte nur. Ich wusste doch, dass diese Tassen einen großen Wert in unserer Familiengeschichte hatten. Sie waren von meiner Ur-Ur-Ur-Oma und wurden über Generationen weiter gegeben. Sie dürfen nicht kaputt gehen. Das wusste ich. Alles nur wegen Oscar.
Alles nur wegen dir. Siehst du denn nicht, wie ich leide? Siehst du denn nicht, wie sehr ich dich brauche? Komm zurück. Ich halte diesen Schmerz nicht aus.
Kaum hatte ich den letzten Satz zu Ende gedacht, rann schon die erste Träne über meine Wange und tropfte auf den dunkelbraunen Holztisch, der jedoch fein verarbeitet worden war.
Ich war zerbrochen, genau wie die Tasse es gewesen wäre, wenn meine Mutter sie nicht aufgefangen hätte und das nur, weil ich den Jungen, den ich mit jeder Faser meines Körpers geliebt hatte, gehen lassen musste.

»Da bist du ja, Magnus!«

Die freudige Stimme meiner Großmutter riss mich aus meinen Gedanken. Offenbar hatte meine Mutter sie schon herein gelassen. Mit ausgestreckten Armen kam die etwas rundliche, alte Frau auf mich zu. Ihre Wangen waren leicht gerötet von der Kälte draußen.
Hastig wischte ich mir die Tränen weg und ging ebenfalls mit ausgestreckten Armen auf sie zu.

»Hallo Omi, wie geht es dir denn?«
Auch meinem Großvater begrüßte ich mit einer herzlichen Umarmung.

»Super. Ich kann mich nicht beschweren.«
Meine Großmutter strahlte mich an und versprühte wieder ihre, für sie typische, Fröhlichkeit.
Ich musste leicht lächeln. Bei so viel guter Laune konnte man nicht anders.
Wir setzten uns an den Tisch und meine Mutter schenkte allen Kaffee ein. Ich mochte solche "Familiensitzungen". Da konnte ich wenigstens einmal kurz vergessen, was ich verloren hatte.

 Da konnte ich wenigstens einmal kurz vergessen, was ich verloren hatte

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