Kapitel 34

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Die Tage kamen mir wie Jahre vor

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Die Tage kamen mir wie Jahre vor. Es war so langweilig, in diesem Zimmer zu liegen und nichts zu tun. Ich hatte ja nichtmal einen Fernseher.

Als sich die Tür öffnete, hob ich den Blick und meine stille Hoffnung, dass es Oscar sein könnte, erlosch im selben Augenblick. Eine freundlich lächelnde Schwester kam an mein Bett, tauschte die Flasche aus, die an einem Kleiderständerartigen Gestänge hing und sah mich an.

»Ich bin sicher, dass du bald wieder nach Hause kannst.« Mit diesem Satz ließ sie mich wieder in der Stille der Einsamkeit zurück. Es war Vormittag. Zehn Uhr um genau zu sein und ich fragte mich, was in der Schule gerade vor sich ging. Seit Philip weg gewesen ist, war dieser Ort für mich wieder einigermaßen erträglich gewesen. Die anderen hatten mich in Ruhe gelassen und aufgehört, mit dem Finger auf mich zu zeigen, als wäre ich ein Schwerverbrecher.

Nachdenklich griff ich nach meinem Handy, das auf dem rollbaren Kästchen neben meinem Bett lag. Ich schrieb meinem besten Freund, wohlwissend, dass er nicht antworten würde. Hendrick gehörte, auch wenn man es nicht meinen würde, zu der Sorte von Personen, die ihre Handys während der Schulzeit immer sicher in ihren Schließfächern verwahrten.

Frustriert seufzte ich auf und schwang meine Beine aus dem Bett. Die Schwestern meinten zwar, dass ich liegen bleiben solle, aber das war mir gerade sowas von egal. Ich wollte nicht mehr der Kartoffelsack sein, der in der Ecke lag und darauf wartete gebraucht zu werden.

Mit nackten Füßen ging ich hinüber zum Fenster und blickte hinaus. Ich konnte den ganzen Parkplatz überblicken, der ganz still da lag, wie ein verlassener Spielplatz. Er schien ebenfalls wie ich darauf zu warten, dass wieder Besuch eintraf.

Plötzlich fuhr ein Polizeiwagen auf den Platz. Ich blintzelte ein paarmal, doch meine Augen täuschten mich nicht. Zwei Polizisten Mitte vierzig stiegen aus und gingen auf die Eingangstür zu. Diese schwang auf und verschlang die beiden Beamten.

Noch ein paar weitere Minuten verharrte ich in dieser Position am Fenster und fragte mich, was die Polizisten hier wohl wollte.

Hinter mir öffnete sich die Tür und ich konnte zwei tiefe Männerstimmen wahrnehmen, drehte mich jedoch nicht um. Es konnte ja sein, dass ich einen Mitbewohner bekam und nicht mehr ganz so alleine war, doch als man meinen vollen Namen aussprach, sah ich doch nach hinten.

Dort standen die beiden Polizisten und erst jetzt wurde mir klar, dass es sehr wahrscheinlich war, dass sie einen guten Ausblick auf mein Hinterteil genossen hatten, denn die Patientenkluft hier war wie ein Bademantel, den man eben falsch herum anzog. Kurz gesagt, sie war hinten offen und man hatte mir noch keine Unterwäsche gebracht.

»Ja?«

Ich tat so, als wäre mir die Situation überhaupt nicht unangenehm und es gelang mir erstaunlich gut.

»Wir sind hier wegen des Falles Philip Amstrong. Man hat uns gesagt, dass er Sie zusammen geschlagen hat und das bereits zwei Mal. Ist das korrekt?«

Ich konnte nur mechanisch nicken. Philip hatte was mit der Polizei zu tun? Wieder kam mir in den Sinn, dass Emma und meine Mum gestern so komisch gewesen sind. Sie wollten mir nichts sagen, aber ich war verdammt nochmal gesund!

»Darf ich fragen was vorgefallen ist?«, startete ich einen kläglichen Versuch, doch ich wusste die Antwort bereits bevor sie der Polizist überhaupt aussprechen konnte.

»Das geht leider nicht. Wir sind nur hier um die Aussage Ihres Freundes und Ihrer Mutter zu überprüfen.«

Ich sah, wie der andere Polizist etwas auf seine Notizblock kritzelte und sich dann im Raum umsah, als würde er hier Diebesgut vermuten.

»Die Aussage ist richtig. Er hat mich auf einer Party zusammen geschlagen, meinen Ruf an der Schule ruiniert und mich anschließend im Zoo ein weiteres Mal zusammen geschlagen weshalb ich nun hier liege«, sprach ich und fühlte mich kein bisschen schlecht,  jedes kleinste Detail Preis zu geben, was dieser Arsch mir angetan hatte.

Die Polizisten nickten beinahe synchron, was ein wenig lächerlich aussah und verabschiedeten sich von mir. Ein zweites Mal wurde ich in meiner Stille zurück gelassen und mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis meine Mutter oder irgendjemand anderes sich  dazu herab ließ, mir zu erzählen, was wirklich hier vor ging.

Seufzend presste ich meinen Kopf in das Kissen und starrte an die Decke, die so aussah, wie in diesen billigen Herbergen in denen man auf Klassenfahrten immer untergebracht war. Wie Fliesen.

Ich schloss meine Augen und versuchte, ein bisschen zu schlafen, doch jeder Versuch war zwecklos. Kein Auge würde ich zu tun können, bevor ich nicht wusste, was hier gespielt wurde.

Der Wunsch, endlich wieder nach Hause zu können wuchs von Minute zu Minute mehr und ich hatte mich noch nie so nutzlos gefühlt. Alle hatten etwas zu tun. Oscar war auf seiner Arbeit, Hendrick in der Schule genauso wie Emma und meine Mutter arbeitete ebenfalls. Nur ich lag herum wie ein Waschlappen. Ein ausgetrockneter Waschlappen, denn ich konnte wirklich mal wieder ein Glas Wasser gebrauchen.

Vorsichtig drehte ich mich auf die Seite und starrte die Wand an. So blieb ich liegen und offenbar war ich eingeschlafen, denn als ich meine Augen wieder öffnete, wurde gerade die Tür zu meinem Zimmer geöffnet und Emma kam mit meiner Mutter herein.

Sofort setzte ich mich auf. Ich hatte nicht vor lange um den heißen Brei herum zu reden, denn so würde ich ganz bestimmt nicht die Antwort bekommen, die ich hören wollte. Ich musste sie überfallen und genau das würde ich jetzt auch tun.

»Die Polizei war vorhin hier. Sie wollten eure Aussage nochmal überüberprüfen. Sagt ihr mir jetzt eindlich, was los ist?«

Ich sah ihnen an, wie überrascht sie von meinem Angriff waren und das war gut so. Sie sollten endlich anfangen zu reden. Ich war gesund und wollte definitiv nicht mehr länger warten.

»Schatz, bist du sicher, dass das jetzt ein guter Zeitpunkt ist? Wollen wir das nicht lieber zuhause besprechen?« Meine Mutter sah mich sanft an, doch ich schüttelte den Kopf.

»Nein, das wollen wir nicht.«

Das Mutter-Tochter-Gespann tauschte einen Blick und dann sahen sie mich an. Sie würden es also erzählen. Gleich würde ich endlich die ganze Wahrheit erfahren über Philip Amstrong.

 Gleich würde ich endlich die ganze Wahrheit erfahren über Philip Amstrong

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