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[Taehyung]

„Taehyung? Ich gehe schon länger nicht mehr zur Uni", erzählte Jungkook mir und schaute mich dabei an, als sei es etwas Schlimmes gewesen. Dann erst verstand ich, dass das wohl mit seiner Angst zusammenhängen musste, aber mir fiel auf die Schnelle keine plausible Erklärung ein. Vielleicht dachte ich gerade auch einfach in eine falsche Richtung.

„Natürlich, schließlich war ich so lang im Koma, dass du dir Sorgen gemacht hast. Ich denke, ich wäre ebenfalls nicht in der Lage dazu gewesen, dann noch Vorlesungen mitzumachen", meinte ich und kratzte mich verlegen lachend am Hinterkopf. „Jetzt bin ich ja aber wieder da und kann dich morgens immer vor der Uni absetzen und auch wieder abholen!"

So locker, wie ich das Ganze gerade betrachtete, war es dann leider doch nicht, wie ich offensichtlich an Jungkooks nicht allzu begeistertem Blick erkannte. Ehrlich gesagt, beunruhigte es mich wirklich, wie seine Augen sich nun immer weiter mit Tränen füllten.

„Du verstehst nicht Taehyung", fing er an zu erzählen, als ich gerade über seine Wange streichen wollte. „Ich gehe schon seit Monaten nicht mehr zu den Vorlesungen, ich bin gar nicht mehr angemeldet in der Universität, ich habe aufgehört, auch lange bevor du den Unfall hattest."

Sofort setzte ich mich aufrecht hin und schaue den Jüngeren sehr verwirrt an, weil ich wirklich nicht verstand, was er mir damit sagen wollte, aber auch, weil ich nun nervös darüber wurde, was als Nächstes folgen mochte. Für einen Augenblick hatte ich sogar Angst davor, dass jetzt plötzlich herauskommen würde, dass Jungkook mir fremd ging und in der Zeit, in der ich immer dachte er säße in Vorlesungen in der Uni, mit seiner Affäre herumziehen würde, jedoch waren wir nicht in irgendeiner billigen Schnulze oder so, sondern im richtigen Leben. Außerdem war ich mir ziemlich sicher damit, dass er so starke Gefühle für mich hatte, dass er sich nicht einmal traute, einen attraktiven Mann anzuschauen, weil er sich selbst innerlich dann damit fertig machen würde.

„Nicht lang vor meinem Geburtstag, hatte einer meiner Professoren mir gesagt, ich solle etwas für ihn aus dem Nebenraum holen, aber ich wusste nicht, welche Tür es war und landete in einer Kammer, die sich nur von außer öffnen lässt", fing der Braunhaarige an zu erzählen und sofort merkte ich, wie er am ganzen Leib zitterte, weil wir uns so nah waren. „Keiner wusste, dass ich da drin war, keiner hat mich gehört und keiner hat nach mir gesucht."

„Was ist mit deinen Freunden?", setzte ich da sofort ein. „Ich dachte du hast Freunde in der Uni! Dachten sie nicht, es ist ein wenig komisch, dass du weggegangen bist, mit all deinen Sachen, die noch im Saal waren?", fragte ich nach, aber Jungkook schüttelte erst nur den Kopf.

„Es war nach der Vorlesung, also hatte ich all meine Sachen bei mir. Ich habe versucht meine Freunde erst anzurufen, von denen ging aber keiner ran und als ich dann dich anrufen wollte, ging mein Handy aus, weil ich kein Akku hatte", meinte er. So fühlte ich mich für einen Moment wirklich schlecht, dass ich nicht für ihn da sein konnte, aber mir wurde gar nicht erst die Möglichkeit gegeben, das zu tun.

„Hätte ich das gewusst, dann wäre ich sofort für dich da gewesen, aber ich bin jetzt wirklich beruhigt, dass ich weiß, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist. Du willst gar nicht wissen, in welche Richtung ich gedacht hatte", sagte ich und konnte etwas erleichtert ausatmen. Nervös lächelnd nickte Jungkook, schaute dabei zur Seite und hatte offensichtlich noch etwas in seinen Gedanken. Das war wohl noch lange nicht die ganze Geschichte.

Und das beunruhigte mich nur noch mehr.

„Jungkook? Bist du gerade auch ehrlich mit mir? Es wirkt so auf mich, als gäbe es da noch etwas, dass dir auf dem Herzen liegt", setzte ich an das ganze Gespräch heran und bekam als eine Antwort nur ein leichtes Nicken, mich anzuschauen wagte mein Verlobter schon fast gar nicht mehr. Dann fiel mir auch etwas auf. „Wie bist du eigentlich da rausgekommen? Das hast du mir noch gar nicht erzählt", meinte ich und sah sofort an der Reaktion seines Körpers, dass er, wohl instinktiv, zusammenzuckte.

„Die Kammer in der ich war gehörte dem Sportteam der Universität, was ich nicht wusste, immerhin gab es darin kein Licht", erzählte Jungkook die Geschichte jenen Tages weiter. „Die haben dann ihre Sachen geholt und mich da gefunden. Mehr war da nicht", hetzte er noch dran und wollte das ganze Gespräch damit auch beenden, aber ich gab nicht locker, denn offensichtlich stand auch noch mehr dahinter.

„Nun rück schon mit der Sprache raus! Was auch immer es ist, ich werde noch immer hier an deiner Seite sein", wollte ich ihm versichern, aber Jungkook hatte wohl eine relativ schwierige Zeit damit, auch nur mit den Gedanken klar zu kommen.

„Taehyung, ich habe das nicht getan, weil ich dich verletzen wollte oder weil ich dich nicht mehr liebe", erklärte er mir, bevor er mir den Rest der Geschichte erzählte.

Darauf war ich wirklich nicht vorbereitet.

———
Ein wenig länger muss ich euch noch quälen! Immerhin wäre es ja zu langweilig, wenn Jungkook die Geschichte an einem Stück enthüllt :p

tempted ᵛᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt