Kapitel 14

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Novel

Mein Bruder stürmte wie ein Wirbelsturm in mein Arbeitszimmer. Mein Adjutant machte vor Schreck einen Sprung auf die Seite. Mein Lachen blieb mir bei Avels ernstem Gesichtsausdruck im Hals stecken. „Genau, mein lieber Bruder!", er zeigte mit dem Ziegenfinger auf mich und bedeutete meinem Adjutant hinauszugehen. Ich bestätigte es mit einem kurzen Nicken worauf er sich zurückzog. Heute würde viel Arbeit liegen bleiben, dass sah ich bereits kommen.

„Du heiratest und erwähnst es mit keinem Sterbenswörtchen gegenüber mir!", herrschte mich Avel an und verschränkte trotzig die Arme.

„Layla hat es mir gerade erzählt, die es von Elisabeth weiß. Kennst du Mamas Schlachtplan?", fragte Avel und ich verschob zögerlich einige Blätter. Bis Camilla zurück war, stand die Hochzeit ohnehin nicht zur Debatte, aber mit Sicherheit musste Mama ihre letzten Trumpfkarten ausspielen, um den Ministerrat zur überzeugen, nicht durchzudrehen. Nicht, dass sie diese noch länger gebraucht hätte. Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Schließlich schüttelte ich stumm den Kopf. Wahrscheinlich wollte es Mama noch nicht publik machen, aber Avel musste ich sagen. Das mit Mama und eigentlich so vieles mehr. Beth hatte einmal angedeutet, Mama wisse von ihrer Vergangenheit. Ob sie tatsächlich die gesamte Tragweite kannte?

„Mama ist krank", sagte ich schließlich leise und Avel blies langsam Luft aus. „Die Lunge?", fragte er und ich nickte stumm. Im nächsten Moment sprang er auf und stürmte ans andere Ende des Raumes. „Wird sie sterben?" – „Ja" Ich ging Avel nach und legte ihm meine Hand auf die Schulter. Mehr Unterstützung konnte ich ihm Moment nicht bieten. Es kostete mich bereits meine ganze Kraft nicht selbst zusammenzusacken. Mama war mein Leben lang mein Wegweiser gewesen. Sie war das Ideal nach dem ich immer strebte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie plötzlich fort sein sollte.

„Mama wird Elisabeths Verbindungen nutzen wollen, um die Italiener zu besänftigen"

„Als Kronprinzessin muss sie sich daran gewöhnen der Krone von Nutzen zu sein"

„Es gefällt mir trotzdem nicht"

„Ich weiß"

Avel wandte sich lächelnd zu mir um und klopfte mir auf die Schulter. Ich wollte Beth auf jeden Fall davor bewahren zum Spielbar unserer Politik zu werden. Nicht zum zweiten Mal in ihrem Leben soll sie einem Zweck dienen, den sie gar nicht begriff. Ich nickte zur Sitzgruppe. „Es gibt noch etwas, dass ich dir erzähle muss" 

***

Mein Adjutant reichte mir ein weiteres Schreiben das ich seufzend entgegen nahm. Ich konnte an nichts anderes Denken als Beth und das sie ja gesagt hatte. Also war der schwierigste Teil bereits geschafft. Jetzt geht es einzig und alleine nur mehr darum, so schnell wie möglich ein Datum zu finden, damit bereits alles hinter verschlossenen Türen vorbereitet werden kann. Ich will Beth endlich bei mir haben können ohne der Angst, dass uns jemand erwischen und verraten könnte. Ihr Ruf war mir heilig.

Mein Adjutant reichte mir den hundertsten Brief von heute und ich riss ihn genervt auf. Beth hatte Leila in die Universität begleitet und sonst wollte mich anscheinend heute keiner vom Arbeiten abhalten. Mein Adjutant salutierte vor mir und zog sich stillschweigend zurück.

Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, dass es die Abschrift einer Telegrafie in einem Briefumschlag war. Ich erstarrte, als ich den Absender registrierte und überflog dann hektisch mehrere Male die Zeilen, bevor ich mich stöhnend in meinem Sessel zurücksinken ließ. Das hab ich nun davon, dass ich Papa verschwiegen habe, dass Mama krank war. Er kam in Begleitung seiner treuen Gefährtin. Ich wusste das Mama einiges gewöhnt war, aber ob es sie verkraften könnte, wenn Papa mit seiner Geliebten anreiste? Wobei Tante Gwen immer sagte, dass sich niemand so gut mit Liebschaften arrangieren konnte wie meine Mutter. Ob das gut oder schlecht ist habe ich bis heute nicht herausgefunden. Für uns Männer wohl eher Ersteres.

Jetzt wo ich doch eine Ausrede gefunden habe um nicht zu arbeiten, bin ich meinen Stapel von Anträgen schon viel eher zugeneigt wie dem kommenden Gespräch mit Mama.

Auf dem Weg zu Mama ließ ich mir extra lange Zeit und als ich erfuhr, dass sie im Garten war, ging ich nochmal einen Umweg. Aber schließlich hörte ich sie lachen und fühlte mich so miserabel, dass ich es sagen wollte. Besser sie erfährt es jetzt von mir, als bei Papas Ankunft mit eigenen Augen. Redete ich mir zumindest ein.

Ihre Hofdamen zogen sich sofort ein Stück zurück ich nickte ihnen respektvoll zu. Die Hälfte von ihnen kannte mich seit ich ein Baby war.

„Die Meerluft hilft meiner Lunge"

„Papa kommt"

Nichts.

Nicht Mal ein Zucken.

Still blickte sie weiter die Böschung aufs Meer hinunter und beobachtet ein Schiff beim Auslaufen. Kurz hob sie die Hand, als ob sie festhalten wollte. Ich verkrampfte mich hinter und wartete weiter. Doch sie schwieg, bis das Schiff mit den Wolken versunken war.

„Er kommt nicht alleine"

„Natürlich nicht, mein Liebling"

Sie wandte sich schwungvoll zu mir um und schlang ihre Arme um mich. Eigentlich erwiderte ich die Umarmung lediglich um sie zu trösten. Aber ich hatte es viel notwendiger. „Es tut mir leid, mein Liebling", flüstert sie mir ins Ohr und plötzlich spürte ich ein Brennen in meinen Augen. Sofort schloss ich sie und atmete tief durch. Ich hatte anscheinend viel stärker darauf gehofft, dass Papa als unser Vater zurückkehrt, als Mamas Ehemann, als Mama. Aber anscheinend würde er lediglich irgendein weiterer Hofbeamter werden, der mir angeblich ähnlich sah.

„Ihr müsst durchhalten, Mama"

Beth 

Ich lachte auf, als Leila sich gerade einen abstrusen hellgrünen Hut mit dunkelrosaner Schleife aufsetzte. Sie drehte sich einige Male im Kreis, bevor sie ihn ebenfalls lachend wieder absetzte. „Wo bleibt Mama bloß so lange?", beschwerte sich Leila und faltete einige Stoffe auseinander und wieder zusammen. Die Schneiderinnen hinter hatten alle Hände voll zu tun, die Ordnung in dem kleinen Raum widerherzustellen.

„Bitte sagt mir schon, was Ihr vorhabt", quengelte ich und faltete selbst einige Stoffe wieder zusammen. Die dünne Seide glitt mir durch die Finger, als wäre sie Wasser. So einen fantastischen Stoff habe ich nicht Mal in Italien gesehen. „Gefällt er dir?", fragte Leila und griff fachmännisch nach dem hellblauen Bündel. Ein prüfender Blick und schließlich nickte sie langsam.

„Legt ihn zur Seite. Daraus kann man sicher eine hübsche Bluse machen", wie sie die Schneiderin an, die den Stoff mit einem Knicks auf den einzigen bisher freien Tisch legte. Sofort zog ich meine Schultern nach oben. Leila wollte mit mir einkaufen. Ich wandte mich absichtlich von den restlichen Stoffen ab, damit ich nichts mehr in Augenschein nehmen konnte. Mit Sicherheit kostete die Seide so viel wie meine monatliche Heizgebühr und die war ich bald nicht mehr in der Lage zu bezahlen. Leila plapperte fröhlich weiter und ich versuchte mich möglichst in eine Ecke des Raumes zurückzuziehen. Ich brauchte dringend eine Ausrede um hier wegzukommen.

„Bitte verzeiht"

Wir sanken alle synchron in einen Knicks. „Elisabeth. Habt Ihr schon etwas Hübsches gefunden", sie reichte mir ihre Hand und ich sank nochmal vor ihr auf die Knie. Eine einzelne Träne tropfte von meiner Wange. Mit Sicherheit war es üblich, dass die Kaiserin bei der Gaderobenauswahl ihrer Schwiegertochter dabei war. Wie peinlich das alles ist. Ich spürte ihren forschenden Blick auf mir, bevor sich von mir abwandte und in die Hände klatschte. „Lasst mich mit der Gräfin alleine"


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Ich hoffe, ihr hattet trotz allem ein schönes Weihnachtsfest oder habt die Zeit anders nett verbracht. 

Ich wünsche euch nur das Beste für das neue Jahr - das Buch betreffend werden wir Charaktere wieder treffen und neue kennenlernen. Ich freue mich darauf weiter meine Geschichten mit euch teilen zu dürfen und hoffe, dass wir auch im nächsten Jahr regelmäßig Lesezeit miteinander verbringen. 

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