Kapitel 61

100 9 4
                                    

_________________

Novel 

_________________

Vorsichtig richtete ich mich auf, damit ich Camilla noch einen Moment beim Schlafen beobachten konnte. In der letzten Woche war es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass ich über Nacht in ihrem Bett blieb und ich wollte mir selbst kaum eingestehen, wie gut es mir gefallen hat.

Lächelnd fuhr ich ihren Wangenknochen mit meinem Zeigefinger nach, worauf sie leise kicherte. Mein Herz machte einen Satz bei diesem Geräusch. Neugierig wiederholte ich die Bewegung. Camilla drehte sich prustend auf den Rücken und sah verschlafen zu mir auf. „Es dämmert erst – warum weckst du mich?", fragte sie mit einem Lächeln in der Stimme und rieb sich ein Gähnen unterdrückend die Augen.

„Ich wollte dich noch ein wenig für mich haben, bevor du aufbrichst", gestand ich, worauf Camillas Lächeln breiter wurde und sie sich voller Elan aufsetzte. Ich hatte Angst, dass sie eine andere sein würde, wenn sie zurückkommt. Vielleicht stellte sie fest, wie schön das Leben außerhalb dieses Schlosses sein kann. Wenn sie dieses Schiff erst einmal bestiegen hatte, könnte ich sie nicht mehr kontrollieren. „Du wirst doch zu mir zurückkommen, oder?", fragte ich verunsichert und legte besitzergreifend einen Arm um sie. Camilla zog überrascht die Augenbrauen nach oben. „Natürlich, Novel", sie legte eine Hand an meine Wange und schüttelte leicht den Kopf. „Wo sollte ich denn hin außer zu dir?", setzte sie hinterher, worauf sich meine Wangen sofort röteten. Mir fielen so viele Orte ein, an die sie sich flüchten könnte.

„Also, was wollen wir machen?", riss sie mich aus meinen Gedanken und strich liebevoll über meine Wange. „Ich würde sagen, wir bleiben im Bett", beschloss ich, worauf sich Camillas Lippen zu einem überraschten „Oh" formten.

Camillas Kopf ruhte auf meinen halb aufgerichtete Oberkörper und dem regelmäßigen Heben und Senken ihrer Schultern nach, war sie mit Sicherheit vor Erschöpfung wieder eingeschlafen. Zärtlich streichelte ich über ihren Kopf lehnte mich vorsichtig in die Kissen zurück.

Ein leises Klopfen und das Öffnen der Tür ließ mich zusammenzucken. Anscheinend machten auch mich unsere morgendlichen Aktivitäten schläfrig. Eine von Camillas italienischen Hofdamen starrte erschrocken auf Camilla. Ich hatte uns beide zugedeckt, aber man konnte trotzdem ihre entblößte Schultern und einen Teil ihres Rückens sehen. Ganz zu schweigen von meinem nackten Oberkörper. Die Situation musste ziemlich eindeutig wirken.

Ich legte einen Finger an meine Lippen und bedeutete ihr, wieder zu gehen, bevor ich zögerlich über Camillas nackte Schultern strich. Ihre Hofdame starrte uns immer noch erschrocken an, als ich einen Kuss auf Camillas Scheitel drückte. Ich war mir selbst nicht ganz klar darüber, aber es war mir wichtig, dass sie sah, wie sorgfältig und behutsam ich mit Camilla umging.

„Ich befürchte, wir müssen jetzt aufstehen", flüsterte ich, als sich Camilla unter mir zu regen begann. Unwillig murrend rollte sie sich von mir herunter. „In Griechenland sollten wir jeden Tag so beginnen", flüsterte sie, worauf mein Herz für einen Moment stehen blieb. Sie begehrte mich – endlich!

„Alles, das du dir wünscht", wisperte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, dann auf ihre geschlossenen Augen und zum Schluss auf ihre Nase. Prustend öffnete sie endlich die Augen. „Ich liebe dich", versprach sie und schob bereits eine Hand in meinen Nacken um sich meiner Liebe auf die einzige Art zu versichern, die ich bisher bereit war ihr zu geben. Mit meinem Körper. „Ich liebe dich auch", erwiderte ich ihr Versprechen. Die Worte kamen mir viel leichter über die Lippen, als ich annahm. Es fühlte sich gut an, zu meinen Gefühlen zu stehen. An Camillas Strahlen sah ich, dass es ihr genauso ging.

Camillas Salon war über Nacht beinahe völlig leer geräumt worden und deshalb luden wir in meinen Salon zum Frühstück. Camilla wandte sich sofort Leila zu und da ich immer noch bei ihr untergeharkt war, zog sie mich mit.

„Wie geht es dir, meine Liebe?", fragte sie und strich sofort fürsorglich über Leilas Oberarm. George erhob sich vom Tisch und stellte sich auf Camillas Seite. Wie es wohl sein würde, wenn meine Frau nicht mehr zwischen dem Rest meiner Familie und mir vermitteln wird? „Besser", antwortete Leila verlegen, „Es tut mir leid, dass ich das Dine verpasst habe, Novel" Betreten starrte ich auf meine Füße. Wo war Avel bloß?

„Du solltest dich nicht so gehen lassen", schalt Papa sie im selben Moment. Er schloss geräuschvoll die Tür hinter sich. Leila schossen Tränen in die Augen ich funkelte Papa wütend an, bevor ich Camillas Geste nachahmte und ihr über die andere Schulter strich. Leila riss überrascht die Augen auf, worauf eine Träne über ihre Wange kullert, die sie hastig wegwischte. „Leila darf sich so oft und so lange sie möchte zurückziehen, während sie um Mama trauert", erwiderte ich bestimmt und sah Papa eindringlich an.

„Lasst uns zu Tisch gehen", bestimmte Camilla und zog mich wiederum ein Stück weiter. „Der Hof hat sich ohnehin bereits neuem Klatsch zugewandt", fuhr Papa unbeirrt fort und ich bemerkte, wie Leilas Augen erneut glasig wurden. Wie schaffte er es bloß, sie mit jedem einzelnen Satz zu verletzen. „Was gibt es denn?", fragte Leila pflichtbewusst mit belegter Stimme nach, nachdem niemand von uns Anstalt gemacht hatte, auf Papas Sticheleien einzugehen.

„Man spricht bei Hof über eure neu entflammte und offen ausgelebte Liebe", warf er uns vor und deutete zwischen Camilla und mir hin und her. Ich spürte, wie sich Camilla auf ihren Stuhl zurückzog, aber bevor ich etwas entgegen halten konnte, fuhr Papa schon fort: „Ihr wurdet nackt ..." – „Es reicht, Papa"

Ich funkelte ihn erbost an und griff unter dem Tisch nach Camillas Hand. Für sie musste das alles furchtbar demütigend sein. Bevor ich etwas Unbedachtes sagen konnte, läutete Avel nach einem Diener, der das Frühstück auftrug.

„Ihr kehrt besser vor Eurer eigenen Tür, Papa, bevor Ihr Novel Vorwürfe macht, wie er seine Ehe gestaltet", sagte Avel eisig während er dem Diener eine Zeitung abnahm. Das konnte nur eines bedeuten. Der Artikel über Papa und sein frevelhaftes Verhalten war vollendet und er damit dem Untergang geweiht. 

NovelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt