Kapitel 44

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Novel 

Gabrielle lächelte breit, als Camilla den Raum verließ und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. „Ich habe die Zeitungen gelesen. Nicht nur du scheinst deiner Braut verfallen zu sein, sondern auch alle deine Untertanen ..." – „Bitte erwähnt es nicht. Camilla hatte deshalb beinahe einen Nervenzusammenbruch" Ich erhob mich und wanderte im unruhig im Zimmer auf und ab. Papa war mir egal – solange ich nicht auf seine Fallen hereinfiel, war Camilla sicher.

„Ich hab sie geküsst ...", flüsterte ich und sah den einzigen Menschen außerhalb meiner Familie an, dem ich das anvertrauen wollte. „Da hätte ich auch einen Nervenzusammenbruch" – „Das war davor – deshalb habe ich ja ... sie glaubt Papa will sie dem Erdboden gleich machen" – „Mit Verlaub, da könnte sie Recht haben"

Ich blieb überrascht stehen. Was soll das bedeuten? Papa hat sie gemeinsam mit Mama erwählt. Die beiden waren noch viel eher von ihr überzeugt als ich. Auffordernd sah ich meinen Freund an. Hatte er das Rätsel etwa in einem Tag gelöst? „Ich habe die Stellte entlarvt, wo das Protokoll immer wieder über sich selbst stolpert. Es ist der Erzherzog", erklärte er sachlich. Er bewegte sich gerade auf dünnem Eis. Wenn er sich irren sollte und ich meinen Vater fälschlicherweise beschuldigte, endete das Böse für uns beide.

„Der Mann im Theater, der Camilla ... egal, dieser Mann steht in Verbindung zu einer Gruppe, die Euch auch die Probleme mit den Einwanderungsgesetzen beschert haben. Aber der Erzherzog unterschreibt das Dokument, dass eine Vernehmung erlauben würde, seit Tagen nicht"

„Kann ich es unterzeichnen?"

„Ja, natürlich"

„Warum hat man es dann nicht mir gebracht?"

Gabrielle sah mich einen Moment bedeutungsvoll an, bevor ich tief seufzte und er es ausspuckte: „Weil der Erzherzog beim Oberkommandierenden war und wollte, dass man ihn mit allen Sachen betraut ohne dich davon zu unterrichten"

***

Ich konnte diese Nacht ruhiger schlafen, weil ich wusste, dass Gabrielle die Sache im Blick hatte. Es missfiel mir, dass gerade Papa, dem Camilla ursprünglich sehr zugetan gewesen war, ihr nun zur Last viel. In meinem Träumen tauchte immer wieder ihr panisches und verweintes Gesicht auf, dass mich jedes Mal hochfahren ließ.

Auch wenn mir das alles viel zu schnell ging hatte unsere Eheschließung am Wochenende zumindest den Vorteil, dass ich sie dann regelmäßig im Blick hatte. Beklommen starrte ich auf die leere Bettseite neben mir. Ob es so sein würde wie bei Beth? Wollte ich das überhaupt? Seufzend strich ich mir einmal über das Gesicht. Ich habe mich noch nie bei jemanden so geborgen gefühlt, wie bei Beth, aber bei Camilla habe ich immer die Gewissheit, dass sie mich auffängt.

Dieser Gedanke ließ mich den ganzen Vormittag nicht los. Egal was passiert, Camilla wird immer alles in ihrer Macht stehende tun, um mich da wieder hinauszubekommen.

Ich fuhr erschrocken hoch, als plötzlich unverwandt die Tür aufging. Leila kam zielstrebig auf meinen Schreibtisch zu und ich konnte mich nicht schnell genug erheben, bevor sie unaufgefordert platz nahm. „Ich will eine Katze!", erklärte sie mir und ich verschränkte meine Arme. Mama wird mich einen Kopf kürzer machen, wenn ich ihr das gestattete. „Étienne geht fort, Camilla ist ... nun ja, eben anders und beschäftigt und George verbringt seine Zeit lieber mit Camilla oder seinen Büchern", beschwerte sie sich worauf verwundert die Augenbrauen zusammenzog. So hatte ich das noch nie wahrgenommen. Hatte sich Camilla wirklich verändert? Ich meine, bis auf den Weinkrampf gestern, ist sie mir nicht verändert vorgekommen, „Ich weiß, es gibt Regeln, Novel, aber ich weiß auch, dass ich eine Katze haben will! Nur eine, Novel, und ich verspreche, sie wird niemanden zur Last fallen"

Meine Mundwinkel zuckten erneut, als sie sich verzweifelt vorbeugte, um ein weiteres Argument vorzubringen, aber ich hob abwehrend die Hand. „Novel, ich werde nicht weiter flehen. Du bist den ganzen Tag beschäftigt und auch wenn du es nicht sehen willst, ist Camilla wunderbar. Aber ich habe jetzt niemanden mehr und deshalb will ich ..." – „Eine Katze"

Leila sah mich verärgert an und ich mir fiel in diesem Moment auf, dass ich seit Beths Tod nicht mir wirklich mit ihr gesprochen hatte. Ich erhob mich und zog auch sie auf die Beine, damit sie kurz und fest umarmen konnte. „Es tut mir so leid, Leila", flüsterte ich und ließ sie wieder los. Ich strich ihr einmal über die Wange, bevor ich nach meinem Adjutanten läutete. „Er wird sich um die Formalitäten der Katze kümmern, sollten welche anfallen", erklärte ich ihr und wenn mich mein Instinkt nicht täuschte, mochte Papa Formalitäten viel zu sehr.

„Ich bekomme wirklich ...?"

„Ich dachte du willst eine Katze?"

„Natürlich! Ich habe nur nicht geglaubt, dass du es gestattest"

„Ich gestatte es – hoffen wir, dass Papa keine Schwierigkeiten bereitet"

Camilla 

Seit Gabrielle meine Leibwache leitete, fühlte ich mich tatsächlich besser. Novel wollte vor der Hochzeit, ich verschluckte mich immer noch bei diesem Wort, noch einiges erledigen und deshalb hatten wir unsere Spaziergänge ausgesetzt und gegen einen gemeinsamen raschen Lunch eingetauscht. Zu meiner eigenen Verwunderungen reichte mir das an Aufmerksamkeit.

„Darf ich Euch etwas fragen, königliche Hoheit?", sprach mich Gabrielle leise an und ich sah überrascht auf. Ich war gerade dabei einige Briefe zu beantworten und weil es ein warmer Frühlingstag war und ich genügend Soldaten um mich hatte, konnte ich das auch im Garten erledigen.

„Natürlich", erwiderte ich und bot ihm den Platz auf der anderen Seite des Tisches an. Als er Platz nahm, entfernten sich die anderen Männer ein Stück, dass Gabrielle noch röter werden ließ. „Es geht um meine Schwester", ließ er mich wissen, worauf sein Gesicht genauso blass wie seines mittlerweile rot wurde. Nachdem er mich bereits mehrere Tage nicht darauf angesprochen hatte, hoffte ich, diesem Thema aus dem Weg zu gehen.

„Ich habe nicht viel mit Elisabeth gesprochen, also kann ich Euch nicht versprechen, nützliche Informationen zu haben"

„Aber Ihr kennt die Menschen, die im Haus Eures Vaters ein und aus gingen und ich kann mir vorstellen, dass Ihr seine Unterlagen überprüft habt"

„Was hat sie Euch über ihre Zeit in Italien erzählt?"

„Das Papa sie mit einem Mann verheiraten will, der ein Revolutionär war und sie mit dieser Art der Dinge nichts zu tun haben will"

Ich schloss meine Augen für einen Moment. Das war nicht Mal annähernd die Wahrheit und ich fand nicht die passenden Worte, ihm das ins Gesicht zu sagen. Tatsächlich hatte ich Elisabeth schon zuhause in Italien gesehen und natürlich habe ich nach ihrer Akte gesucht. Papa schrieb gerne Dinge auf und ich war seit jeher neugierig und kannte jedes seiner Verstecke.

„Aber das kann wohl nicht die ganze Wahrheit gewesen sein" riet er, worauf ich ein Schnauben unterdrückte. Nein, das war nicht Mal annähernd die Wahrheit. „Eure Schwester hat ...", ich sah Gabrielle nochmal abwartend an. Die Dinge die ich ihm jetzt erzählen würde, könnte er nie wieder vergessen. „Das spielt keine Rolle", ich sprang auf, als ich Novels Stimme hörte. „Bitte verzeiht, Majestät. Aber ich will wissen, was geschehen ist", hielt Gabrielle dagegen und ich warf ihm einen bösen Seitenblick zu. Wir konnten das Gespräch später beenden ohne das Novel jemals etwas davon erfährt. Aber meinen Verlobten in dieser Angelegenheit die Stirn zu bieten, war dumm.

„Mein Freund, sie hat das getan, was notwendig war, um zu überleben", redete Novel beruhigend auf ihn ein und legte eine Hand auf seine Schulter. Diese Antwort verunsicherte Gabrielle sichtlich noch mehr, aber er nickte geschlagen. „Man spricht nicht schlecht über die Toten", belehrte mich Novel, überreichte mir ein Telegramm des Parlaments und machte auf dem Absatz kehrt. 

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