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Camilla
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Ich war immer noch erfüllt vom Jubeln der Menge, die ich während meiner Kutschenfahrt passiert hatte. Könnte Novel bloß in mir sehen, was diese jubelnden Menschen in mir sahen, wären meine Knie nicht erneut wackelig. Ich wusste nicht, ob ich mich gleich einem traurigen, einen wütenden oder einem ausgeglichenen Novel gegenüberstand und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, konnte ich mir nicht völlig sicher sein, dass er mir das „Ja-Wort" gab. Dafür hasste ich ihn - dass ich in dem Gefühl zum Altar gehen musste, nicht geliebt zu werden.
Ein Teil des Adels war beim Empfang des Parlaments dabei gewesen und deshalb musste ich noch einige Augenblicke warten, bis sie ihre Plätze eingenommen hatten und ich hineingehen durfte. „Ich habe gehört, dass du hervorragend warst", sprach mich die Kaiserin an und ich fuhr erschrocken zusammen. Ich lächelte angespannt, als sie mir einen Kuss auf die Wange drückte und mich musterte. „Es ist jetzt hübscher und es steht dir auch besser als mir", sagte sie nüchtern und bedeutete mir, mich einmal vor ihr zu drehen. Ich errötete und bevor ich mich nochmal dafür bedanken konnte, steckte bereits Nemours den Kopf durch die Tür und lächelte mich aufgeregt an.
„Majestät, wir wären soweit", teilte er uns mit, worauf Lavinia nickte und mich an der Hand zur Tür führte. „Ich habe Nemours gebeten, dass ich dich führen darf. Ist das in Ordnung?", fragte sie mich und lächelte mich an. Jetzt musterte ich kurz ihre Statur, wog ab, ob sie den Weg vom Ende des Saals bis zum Beginn schaffen konnte, ohne zu stolpern. Ich befand, dass wir beide bereit waren.
„Euch scheint es besser zu gehen"
„Ich habe meinen Frieden mit mir selbst gemacht und ich weiß mein Land jetzt in sicheren und fähigen Händen. Nach all den Jahren kann ich aufhören, mir Sorgen zu machen und die letzten Monate genießen"
„Ihr seid eine gute Kaiserin"
„Ich gab mein Bestes und ich habe mir für alles, dass Geringer war, selbst vergeben"
Verlegen senkte ich meinen Blick. Vielleicht wäre es gut, wenn sie Novel und mich noch von den großen Fehlern, die ihr in ihrer Regentschaft unterlaufen waren, warnen würde. Aber dafür hatten wir noch Zeit.
Das Streichquartett stimmte eine leichte Melodie an, als die Kaiserin mich entlang der kleinen Gruppe Adeliger nach vor brachte. Ich bemerkte weder den herrlichen Blumenschmuck, noch die ehrfurchtsvollen Blicken. Alles das ich sah, waren Novels verkrampfte Schultern. Mir sank mein Mut und ich blendete alles um mich herum aus, außer ihn.
Als die Kaiserin meine Hand in seine legte, sah er an mir vorbei. Das war keine christliche Zeremonie, deshalb kam man in der Angelegenheit schnell zur Sache. Ich versuchte Novels Blick zu suchen, abzuwägen, ob es nicht klüger wäre, wenn einer von uns so schnell und so weit wie möglich fort laufen würde. Aber er sah mich nicht an und ich musste hilflos auf die entscheidende Frage warten. Ich war zuerst an der Reihe und ich hoffte, dass Novel mir zumindest für einen Moment in die Augen sah.
„Werdet Ihr, Camilla Russo von Italien, die Regierung Seiner Majestät aus freien Stücken und bis zum Tod hin respektieren?"
„Ja"
„Wollt Ihr Novel aus dem Hause Manches heiraten und ihm ein Leben lang treu ergeben sein, ihn lieben und ehren bis der Tod euch scheidet?"
„Ja, ich will"
Es war eine trostlose Zeremonie, ein Staatsakt der mich an Novels Willen und seine Regierung band. Aber aufgrund von Lavinias kritischem Zustand wollten wir nicht in eine kalte Kirchen und dieses Prozedere, bei dem wir einander eine Reihe an Lügen schworen, in die Länge ziehen.
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Novel
Historical FictionDorians Flucht reißt nicht nur Lavinia den Boden unter den Füßen weg, sondern auch ihren Kindern, die mittlerweile zu jungen Erwachsenen herangewachsen waren. Novels vom Militär abgehärtete Seele vertraut sich erstmals einer italienischen Gräfin...