Beth
Novel und ich gingen neben einander durch den Garten. Die Höflinge um uns begannen zu zischeln. Der Prinz warf mir immer wieder ein Lächeln von der Seite zu. Ich hätte gerne nach seiner Hand gegriffen, wusste aber, dass ich das nicht durfte. Novel führte mich durch den prächtigen Speisesaal der Familie und am liebsten wäre ich stehen geblieben, um ihn zu bewundern. Immerhin wusste ich nicht, wann ich das nächste Mal die Gelegenheit bekommen würde, im Herzen des Palastes zu sein.
„Wir essen hier heute zu Abend", durchbrach der Prinz meine Gedanken und ich schnappte erschrocken nach Luft. Hier?! Das ... ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt ein Kleid besaß, dass diesem Anlass entsprechend war. Immerhin wurden hier alle Gäste des Hofes empfangen und ... „Es ist nur ein Dinner, Beth", beruhigte er mich und ich zog herausfordernd die Augenbrauen nach oben. „Gestern noch hast du mich von deiner Familie verborgen, als sei ich deiner nicht würdig. Heute schleppst du mich in den innersten Kreis des Palastes. Bitte verzeih, wenn die Umstellung ein bisschen plötzlich war!", fuhr ich an und Novel zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Diesen Gesichtsausdruck kannte ich von seinem Prinzengehabe. Ohne etwas Weiteres zu sagen, öffnete er mir die Tür und wir schlüpften in das Innere des Palastes.
Er legte mir eine Hand auf die Wange und schob mich gegen die nächste Wand. „Du bist meiner mehr als würdig", flüsterte er und ich seufzte auf, „Sieh mich an, Beth" Ich zögerte, blickte aber schließlich zu ihm auf. „Ich liebe dich. Ich wollte dich mit niemanden teilen. Denn ab jetzt wirst du immer eingeladen sein. Wirst Streit mitbekommen und aus deiner Blase gerissen werden und das hat du nicht verdient" – „Aber ich will bei dir sein" – „Lass uns darüber nochmal sprechen, wenn du eine Woche an meiner Seite warst"
Ich strich ihm ebenfalls über die Wange und presste meine Lippen auf seine. Damit er endlich spürte, dass ich wirklich ihm gehöre. Und das ich das auch wollte. Mehr als alles andere.
Verunsichert stand ich in Tür zwischen seinem Arbeitszimmer und dem Salon, zu dem ich von meinen Räumen aus durch einen Geheimgang direkten Zugang hatte. Einerseits wollte ich mich wie eine selbstständige Frau verhalten und alleine zur Kaiserin gehen. Andererseits hatte ich keine Ahnung, ob ich passend gekleidet war.
Da Stimmen durch die Tür drangen, getraute ich mich nicht zu klopfen und ging anstelle in das Audienzzimmer, wo sein Adjutant meistens saß. „Gräfin", er sprang förmlich aus seinem Sessel und drückte mir einen Kuss auf die Hand. „Seine Majestät ist gerade in einer Besprechung. Kann ich Euch weiterhelfen?", fragte er und bot mir einen Platz vor seinem völlig überladenen Schreibtisch an. Er musste erst einige Papierstapel beiseiteschieben, damit wir uns überhaupt ansehen konnten.
„Geht es um das Dinner bei der Kaiserin?", bohrte er nach und ich spürte sofort, wie ich rot wurde. Wusste der gesamte Hof Bescheid, dass ich heute zum Dinner geladen war? „Ich bin der Adjutant Seiner Majestät, deshalb bin ich davon unterrichtet", beruhigte er mich und ich rang mir ein Lächeln ab.
„Bin ich passend gekleidet?", fragte ich und sah sofort wieder woanders hin. Sollte er das verneinen, würde das die größte Demütigung meines Lebens werden. „Ihr seht umwerfend aus, Gräfin", beruhigte er mich und ich nickte bang.
„Ich sollte die Kaiserin nicht warten lassen. Darf ich den Kronprinz entschuldigen?"
„Nein, nein. Ihre Majestät ist über die Audienz unterrichtet worden. Ich wünsche Euch einen schönen Abend"
Ich strich ein letztes Mal über mein pastellrosa Kleid und ich hoffte, dass mich der Adjutant nicht angelogen hatte. Sobald die Saalhüter die Tür hinter mir geschlossen hatten, sank ich sofort in einen Knicks. Beinahe direkt neben dir Tür.
„Elisabeth, Ihr seid früh"
„Verzeiht, Majestät. Ich dachte es sei halb acht"
„Ist es auch. Ich bin es nur nicht gewöhnt, dass man das auch beachtet"
Ich sah sie überrascht an. Als ich meinen Fehler bemerkte, senkte ich sofort den Kopf und verharrte in meinem Knicks. „Bitte", sie erhob sich nicht, sondern deutete nur auf den Platz gegenüber ihres Schreibtisches. „Ich hoffe, Novel wird durch Eure Gesellschaft ein wenig pünktlicher" – „Bis jetzt habe ich da leider noch keine Fortschritte erzielt, Euer Majestät" Die Kaiserin lachte auf und ich rang mir selbst ein Schmunzeln ab. Novel hatte Recht, als er erzählte, dass einem das Herz aufging, wenn sie lachte.
„Ich werde keinen Hehl daraus machen, dass Ihr nicht die Braut seid, dich ich erwartet habe", wechselte sie das Thema und ich fuhr zusammen. Ich dachte nicht, dass sie ihre Ablehnung gleich derart direkt zum Ausdruck bringen würde. „Ich mag Euch trotz allem, Elisabeth, und deshalb solltet Ihr wissen, dass ich Euch nicht versprechen kann, Novel nicht eine arrangierte Ehe und eine Braut aus dem Ausland vorzuschlagen", fuhr sie fort und ihr Lächeln war so warm, dass ich die Bedeutung der Worte beinahe nicht begriffen hätte. Mein historisches Wissen ließ zu wünschen übrig, aber ich wusste, dass in den letzten Jahren immer mehr Ehen mit ausländischen Adelsfamilien geschlossen wurden. Ich könnte es verstehen, wenn Novel eine französische Prinzessin einer belanglosen Gräfin aus Italien vorzieht.
„Ich danke Euch für Eure Offenheit, Euer Majestät, aber ich werde ausharren, bis er mich fortschickt" – „Lasst uns hoffen, dass es soweit nicht kommt" Eine eigenartige Stille breitete sich zwischen uns aus, in der die Kaiserin einige Dokumente wegräumte und andere auf einen immer größer werdenden Stapel deponierte. Ich getraute mich nichts zu sagen, um ihre Konzentration nicht zu stören. Sie stemmte sich bereits aus ihrem Stuhl hoch, als ihr Blick auf ein letztes Dokument fiel.
„Ihr könnt gerne in den grünen Salon gehen. Leila ist mit Sicherheit schon da und hoffentlich einige der Buben", wies sie mich an. Sie sah nicht auf. Mit ihren Gedanken war sie bereits bei dem Text vor ihr. Sie griff nach einem Schreiber und begann unruhig damit auf den Tisch zu klopfen. Mit einem sehr tiefen Knicks zog ich mich zurück.
____
Hey ihr Lieben!
Was sagt ihr zu dem neuen Cover von @kuschelkartoffel! Vielen, vielen Dank für die Arbeit, die du da hineingesteckt hast!
DU LIEST GERADE
Novel
Historical FictionDorians Flucht reißt nicht nur Lavinia den Boden unter den Füßen weg, sondern auch ihren Kindern, die mittlerweile zu jungen Erwachsenen herangewachsen waren. Novels vom Militär abgehärtete Seele vertraut sich erstmals einer italienischen Gräfin...