Kapitel 25

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Camilla 

Ich betrat den Salon hinter Novels Arbeitszimmer und begegnete sofort Elisabeths erschrockenem Blick. „Königliche Hoheit", sie knickste und ich nickte ihre unbehaglich zu. Offen gesagt, ich war nicht gerne alleine mit ihr, weil ihre Unbedarftheit mich ständig in Verlegenheit brachte. Alleine ihre Anwesenheit hier sagte alles über ihr Verhältnis zu Novel.

„Bitte entschuldigt mein Eindringen. Ich wollte mit Novel nochmal über meine Angelegenheiten in Italien sprechen"

„Er sollte gleich kommen. Darf ich Euch zuvor noch etwas fragen?"

Ich sollte es verneinen. Es wäre das klügste, wenn ich mich einfach umdrehte und sie alleine ließ. Aber sie war noch immer Italienerin und an diesem Hof so verloren, wie ein Fisch unter Haien im Meer. Deshalb nahm ich widerwillig gegenüber von ihr Platz.

„Erzherzog Dorian kann nicht zurückkommen, solange Erzherzog Paget hier ist, oder?", redete sie weiter und ich atmete erleichtert aus. Das war eine unverfängliche Frage. Nickend bejahte ich. „Außerdem müssten wir dann jemand anderen vorweisen, der Kenneths Bastard zu dieser Tat angestiftet hat", setzte ich hinterher, lächelte nochmal bemüht freundlich, bevor ich mich erhob.

„Ich weiß, wer es war", platzte es aus ihr heraus und ich erstarrte, wandte mich ganz langsam zu ihr um und sah sie durchdringend an. Wenn sie die Wahrheit sagte, wären wir gerettet.

„Woher?"

„Ich habe Erzherzog Paget in Comte Romanos Haus gesehen"

„Das ist unangenehm, aber beweist gar nichts"

„Er kam öfters ... und ... er war in Italien, als es passierte"

Ich konnte nicht verhindern, dass sich mein Mund erstaunt öffnete. Wie konnte uns das entgangen sein? Wir hatten fest angenommen, Paget sei in England und haben seine Bewegungen deshalb nie weiter verfolgt. „Warum erzählt Ihr das erst jetzt? Und warum erzählt Ihr es mir?", fragte ich misstrauisch. Das alles ist zu schön um wahr zu sein.

„Ich habe nachgedacht", begann sie zögerlich, worauf ich die Augen verdrehte. Solche Sätzen endeten immer mit Dummheiten, „Erzherzog Paget ist sich sicher, dass ich nichts erzähle, weil ... mich Kenneths Bastard in eine kompromittierende Situation gebracht hat" Sie sah mich ängstlich an, worauf sich meine Augen geschockt weiteten.

In Papas Akten stand, sie sei noch unberührt, als wusste Papa auch noch nichts davon. „Deshalb der Versuch mich so schnell wie möglich zu verheiraten", setzte sie beschämt hinterher, aber ich beachtete sie nicht mehr. Das könnte uns alle, das könnte besonders Lavinia retten. Ich ging vor Beth auf die Knie und sah sie eindringend an. „Ihr müsst das Novel erzählen, sofort", beschwor ich sie und Elisabeth nickte widerwillig. „Ich sehe inzwischen gewisse Unterlagen durch", verabschiedete ich mich und sah Elisabeth nochmal eindringlich an. Desto eher viele Menschen von Pagets Geheimnis wussten, desto sicherer war sie.

Beth 

Ich fühlte mich miserabel. Ich hatte gehofft, Princesse Camilla würde mir erklären, dass das alles doch überhaupt keinen Unterschied mache, dass ich mein Geheimnis für mich behalten konnte. Novel kam wenige Augenblicke nachdem Camilla den Raum verlassen hat, herein. Bevor wir weiter streiten konnten, warum ich ihm nichts von Leilas Schriftstellertätigkeiten erzählt hatte, schlang ich die Arme um ihn.

Es war mir heute klar geworden. Ich liebte mehr, als alles andere auf der Welt, aber Novels Familie war ein Teil von ihm. Wie konnte ich ihn lieben, wenn ich Informationen zurückhielt, die seine Familie retten konnten?

„Ich habe etwas Dummes getan", flüsterte ich, worauf Novel aufseufzte. „Leila hat etwas Dummes getan", korrigierte er mich, worauf ich langsam den Kopf schüttelte. Ich wünschte, wir könnten beide mit dieser Lüge leben. Aber die Katze war aus dem Sack. Camilla brachte gerade alles Notwendige ins Rollen.

„Ich kann bezeugen, dass Paget Kenneths Bastard zum Mord an Comte Romano angestiftet hat", brachte ich heraus, worauf Novel seine Augen aufriss. Ich trat hastig einen Schritt zurück, griff nach seiner Hand und führte ihn zur Sitzgruppe. Dann erzählte ich ihm eine zweite Geschichte von einem netten jungen Mann und einem törichten jungen Mädchen. Kenneths Bastard war immer freundlich zu mir. Er hatte meine Angst und meine Wut auf Comte Romano verstanden, hatte mich spazieren geführt und an diesem einem Abend geküsst. Es war nichts im Vergleich zu dem Feuer, dass Novel in mir entfachte, aber ich hatte unter seinen Händen geglüht und mich ehrlich nach ihm verzehrt.

Ich versuchte meine Haltung so weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Novel kam aus einer anderen Welt. Seine Schwestern mochten manchmal über die Stränge schlagen, aber weder Leila noch Camilla hätten sich verführen lassen.

„Warum hast du mir nicht gleich davon erzählt?", fragte Novel barsch und ich zuckte zusammen. Natürlich war er wütend. Ich blieb in meiner geduckten Haltung und zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich habe es mir oft überlegt – vor allem, als mir klar wurde, wie teuer euch Erzherzog Dorian war, aber ... ich habe es bis heute Morgen nicht über mich gebracht" Novel sah mich einen langen Moment an, bevor er nochmals tief seufzte und mir einen Kuss auf die Stirn drückte.

„Weiß außer Camilla noch jemand davon?"

„Nein"

„Versprich mir, dass du nie wieder an diese Zeit zurückdenkst. Du musst dieses Leben vergessen!"

„Aber Dorian ..."

„Papa würde dich ruinieren und das ... das will weder ich, noch würde Dorian wollen, dass wir unsere Liebe für ihn aufgeben"

Ich sah Novel elend an. Ich wünschte mir so sehr, dass ich mich nie auf Kenneths Bastard eingelassen hätte, dann könnte ich als neutrale Zeugin auftreten. „Novel, ich wünschte ...." – „Ja, ich weiß"

Novel 

Beths Schluchzen drückte aus, wie ehrlich sie ihren Fehler bereute. Ich wünschte, sie hätte mir nie davon erzählt. Papa war in Italien gewesen und wir könnten ihn für immer aus dem Land schmeißen, hätte Beth nicht ... . Ich atmete tief durch und drückte Beth dann bestimmt weg von mir. Ich musste Camilla in ihren Nachforschungen stoppen, auch wenn sie das nicht nachvollziehen kann. Zum Abschied drückte ich Beth einen zärtlichen Kuss auf die Lippen und versuchte darin alle Zuneigung zu legen, die ich aufbringen konnte. Beths leises Lächeln zeigte mir, dass ich zumindest ihre Nerven beruhigt hatte.

Camilla sah ganz anders nervös aus. Als ich in ihrer Tür verharrte und sich unsere Blicke begegneten, konnte ich erkennen, wie etwas in ihr zerbrach. Dabei schwor ich mir, dass niemand sonst von Papas Tat und der Möglichkeit sie zu beweisen, erfuhr und das ich so ein Gesicht nie wieder sehen musste.

„Ich hoffte, du würdest dich anders entscheiden"

„Papa wird sie zerstören"

„Erzherzog Paget zerstört entweder Elisabeth Russo oder uns alle"

Ich schloss für einen Moment die Augen. Camilla übertrieb. Er war mein Vater und auch wenn er seine Fehler hatte, würde er mich künftig unterstützen. Ich schloss für einen Moment meine Augen und sah der einzigen Möglichkeit ins Auge, die es gab, um Beth zu schützen. Als ich meine Augen gemeinsam mit meinen Mund öffnete, musste ich gegen Tränen anblinzeln.

„Ich gestatte dir doch deine Angelegenheiten in Italien zu Ende zu bringen"

„Ich würde dich niemals verraten"

„Das weiß ich. Aber ich kann nicht darauf vertrauen, dass du Beth genauso loyal gegenüber stehst"

NovelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt