Novel
„Du weißt genauso gut wie ich, dass wir sie brauchen!"
„Ich weiß nicht, ob sie schon so weit ist, Mama"
Meine Mutter zog die Augenbrauen hoch. Wir wussten beide, dass uns die Optionen ausgingen, aber mir gefiel es ganz und gar nicht, Beth da jetzt schon mit hineinzuziehen. Wobei es sie sicher freuen wird, helfen zu dürfen. Sie war einfach zu gut für diese Welt. Nachdem ich Camillas Brief gelesen habe, war ich besorgter denn je. Der offizielle Bericht von ihren Begleitern viel sicherlich ähnlich düster aus und ich war mir nicht sicher, wie lange sich die Minister von nun an noch zurückhalten würden, ganz offiziell nach Papa zu verlangen. Bis dahin sollte ich diesen leidigen Brief an ihn geschrieben haben. Mit ein bisschen Glück reagierte er nicht auf meine Bitte.
„Ich weiß, du willst davon nichts hören, aber wenn du das Mädchen heiraten willst, dann brauchen wir jeden Rückhalt den wir bekommen können"
„Dieses Mädchen heißt Elisabeth, Mama"
„Tut mir leid, mein Liebling. Elisabeth muss den Ministern wichtig erscheinen, sonst hilft zurzeit nicht Mal mein Rückhalt besonders viel"
Wir sahen uns einen Moment schweigend an, bevor ich mich erhob und ihr zunickte. Wir waren alle Möglichkeiten durchgegangen. Das Problem mit den Italienern war, dass sie Mama liebten, aber durch Comte Romanos Einfluss völlig gegen Dorian waren. Mit einer dunklen Wolke aus Gedanken verließ ich Mama und nahm mir vor, Beth möglichst bald um ihre Unterstützung zu bitten.
Beth
Grande Duchesse Nemours stellte mir noch eine zweite Gesellschaftsdame zur Verfügung, damit ich mich angemessen repräsentieren kann. Sie lehnte jegliche Bezahlung ab und insgeheim war ich erleichtert, denn ich hatte nicht die Mittel um auf Dauer am Hof zu logieren. Zumindest nicht in diesen Apartments und mit so hohen Kleidungs- und Unterhaltskosten.
Die neue Gesellschaftsdame konnte sogar Italienisch und ich genoss es, mich endlich wieder in meiner Muttersprache unterhalten zu können. Sie hatte Humor und beteuerte, sie kenne Novel seit er ein kleiner Junge war. Wie schön musste es sein, hier aufzuwachsen? In diesem Glanz, den das Leben hier verströmte und der unendlichen Weite des Meeres, die hier nie weit entfernt zu sein scheint.
„Wo bist denn du in deinen Gedanken?", rief mein Bruder und zog belustigt seine Augenbrauen nach oben. Sofort sprang ich auf. Er war wochenlang weggewesen. „Geht es dir gut?", fragte ich und drückte ihn ganz fest an mich. Hoffentlich blieb er dieses Mal länger. Ich wusste, er liebte die See, aber ein bisschen Zeit musste er mir auch schenken. Sonst vereinsamte ich hier noch ganz.
„Das mit gestern Abend tut mir leid, mio Piccolo", flüstert er mir ins Ohr und ich schüttelte den Kopf. Natürlich wollte er lieber Zeit mit seinen Freunden verbringen, als mit seiner langweiligen Schwester. Er hatte bereits genug für mich aufgegeben. Außerdem hatte es auf mich beinahe den Eindruck einer geschlossenen Unternehmung gemacht, wie die Militärs um Novel zusammengestanden sind.
„Geht es Novel gut?", fragte ich und mein Bruder zog erneut die Augenbrauen nach oben. „Geht es Seiner Majestät gut?", korrigierte ich mich kleinlaut. Ich sollte besser aufpassen, was ich sagte. Mein Bruder zog mich wieder in seine Arme und ich schmiegte mich ganz instinktiv an ihn. „Pass auf dich auf, mio Piccolo. Seine Welt ist nicht so heil, wie du vielleicht glaubst", warnte er mich und ich sah überrascht zu ihm auf.
„Bitte verzeiht, Prince", meine erste Gesellschaftsdame räusperte sich leise. Mein Bruder schob mich auf seine Seite, ließ mich aber immer noch nicht los. Ich konnte ihm nie zurückgeben, was er mir geschenkt hatte. „Es geht um die Ausgaben der Gräfin", begann sie und ich funkelte sie sofort wütend an. Wir hatten das besprochen! Ich würde es meinen Bruder zu gegebenen Zeitpunkt wissen lassen, dass ich knapp bei Kasse war. Nun ja. Eigentlich hatte ich so gut wie nichts mehr übrig und es war erst Mitte November.
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Novel
Historical FictionDorians Flucht reißt nicht nur Lavinia den Boden unter den Füßen weg, sondern auch ihren Kindern, die mittlerweile zu jungen Erwachsenen herangewachsen waren. Novels vom Militär abgehärtete Seele vertraut sich erstmals einer italienischen Gräfin...