Kapitel 12

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Beth

Novel hatte es geschafft meine Hofdamen davon zu überzeugen, dass uns auf dem kurzen Weg von der Oper zurück ins Schloss niemand begleiten musste. Sein Italienisch war so charmant, dass sich selbst meine eigene Dame überreden ließ. Die von der Grande Duchesse geborgte Gesellschafterin nickte von Anfang an nachgiebig.

„Ich werde Mama heute Morgen Bescheid geben, dass du in Leilas Gefolge aufgenommen werden sollst" – „Ihre Majestät wird es nicht gestattet" Novel schüttelte schmunzelt den Kopf. „Warum denn nicht?", erwiderte er und wirbelte mich einmal überschwänglich im Kreis. Lachend klammerte ich mich an seinen Schultern fest, bis er mich absetzte und seine Arme um mich schlang.

Er küsste meine Augenlieder und meine Nase, bis ich lachend den Kopf hob. Hoffentlich hatte er Recht. Nichts wünschte ich mir mehr, als Novel in unserem Schlafzimmer so nahe sein zu dürfen. Nicht, dass ich mich über ein wohl gehütet Versteck hinter einem Busch beschweren würde. „Ich war in Italien bereits für einige Monate Hofdame" – „Eben, Mama wird nichts dagegen haben" Novel biss mir spielerisch in die Unterlippe und ich stöhnte auf. Oh ja, wir brauchte wirklich endlich ein Schlafzimmer. Novel hörte nicht auf meine Lippen zu necken, bis ich lachend den Kopf zurücklegte. Verärgert zog er mich zurück und küsste mich dieses Mal richtig. Schob mich zurück bis ich die Äste des Strauches hinter mir in meinem Rücken spürte. Ich keuchte auf, als Novel sein Becken gegen meines schob. Es tat gut zu wissen, dass nicht nur ich erregt war.

„Ich spionierte für die Revolution am Hof", brachte ich schließlich hervor. Novel hielt inne, ließ mich aber zum Glück nicht aus seiner Umklammerung. „Wussten Eure Brüder davon?" – „Meine Brüder sind die Revolution" Novel drückte seine Lippen auf meine Stirn und zog mich weiter Richtung Schloss. Verlegen griff ich nach seiner Hand. Es musste eigenartig sein, wenn einem die Frau die man liebt gestand, dass sie eine Verbrecherin war. Vor allem, weil Novel als Kronprinz das Recht verkörpern sollte.

„In wie weit waren deine Informationen von Bedeutung" – „Gelegentlich bekam ich Kampfstrategien oder sonstiges Militärisches mit" Jetzt zahlte sich lügen auch nicht mehr aus. Novel nickte langsam. Mit Sicherheit hatte er sich etwas weniger dramatisches vorgestellt dass mich dazu bewogen hat mein Land zu verlassen. Das Land das ich verraten hatte. „Ich wünschte ..." ich könnte es bereuen. Novel war beim Militär. Er wusste welchen Schaden ich angerichtet hatte. Als Herrscher konnte er mir in diesem Punkt nicht verzeihen. Aber ich könnte mir nicht verzeihen, wenn ich meine Brüder von Beginn an im Stich gelassen hätte.

„Wo sind deine Brüder heute?" – „Mein ältester Bruder ist gefallen, der nächste wurde erschossen, dann kommt Gabrielle und der Jüngste ist auf der Flucht" Genauso wie ich. Mittlerweile konnte ich Novels Gesichtszüge erkennen. Die beleuchtenden Fenster des Schlosses warfen genügend Licht auf uns, um festzustellen, dass seine Miene aus Stein gemeißelt war. „Sag mir, Gräfin", jetzt löste er seine Hand aus meiner, „flüchtest du von der Regierung?"

Ich sah zur Seite. Ja, ich war geflüchtet, aber um ehrlich zu sein, weiß ich nicht vor wem. „Ich bin ... aufgebrochen, bevor meine Beteiligung bekannt wurde" Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man mich tatsächlich verurteilt hätte. Einerseits hatte ich die Revolution nicht in Gang gesetzt und mit den Bruchstücken, die ich aufgeschnappt habe, hätte sich kein Aufstand planen lassen. Aber mit Bruchstücken Unzähliger ... Es waren wir alle gemeinsam und genau aus diesem Grund glaubte ich nicht, dass man mich belangt hätte. Es gab so viele größere Drahtzieher als mich.

Ich griff nach seiner rechten Hand und drückte einen Kuss darauf. Sollte er mich in ein Kloster oder in eine Gemeinschaft in Europa verbannen, konnte ich zumindest mein restliches Leben damit prahlen, dass ich dem Kaiser die Hand geküsst hatte. Alles andere sollte für immer mein Geheimnis bleiben.

„Ich werde heute Morgen mit Mama über deine Anstellung in Leilas Hofstaat sprechen. Als Verlobte des Thronfolgers solltest du sowieso dein Wissen in Geschichte erweitern"

Novel

Mama presste ihre Hand gegen ihre Bauchdecke und wandte sich von mir ab, während sie hustete. Schön langsam war sie wirklich lange verkühlt. „Leila hat sich über deine Entscheidung sicher gefreut" – „Natürlich, Mama. Seid Ihr damit einverstanden?" Sie lächelte mich an, aber so Recht wollte es ihre Augen nicht erreichen.

„Es ist an der Zeit zu heiraten, Novel. Deshalb überlege dir, ob du ihr unser Land anvertrauen möchtest"

„Bis es soweit ist, werden noch Jahrzehnte vergehen"

Mama atmete tief durch und wurde erneut von einem Hustenkramp geschüttelt. Sie sollte wirklich einen anderen Arzt aufsuchen. „Nein, mein Liebling", keuchte sie und erhob sich. Ihr Kleid hing mittlerweile mehr an ihr, als es sie es wirklich trug. Das sah alles nicht besonders gut aus. „Ich bin krank, Novel. Mein Arzt sagt, es wird schlimmer", sagte sie und wandte sich nicht um. Einen Moment lang hielt ich inne, bevor ich den Kopf schüttelte.

„Wie krank?"

„Ich bin Lungenkrank"

„Dann müsst Ihr auf Kur fahren!"

„Dazu ist es zu spät, mein Liebling"

„Nein"

Ich sprang aus meinen Stuhl und Mama wandte sich dieses Mal wirklich lächelnd zu mir um. Wie konnten ihre Augen noch so zuversichtlich sein, wenn sie bald fort sein würde? Bevor ich weiter darüber nachdachte, sprach ich es aus. Sie legte ihre Hände auf meine Wangen und zog meinen Kopf zu sich herunter. Ihre Lippen waren trocken, als sie sie auf meine Stirn presste. „Heirate die Gräfin. Überlass den Ministerrat mir. Ich ...", dieses Mal brach sie wirklich ab. Sie wandte ihr Gesicht ab, aber trotzdem war ich mir sicher, dass ich Tränen in ihren Augen sah. „Ich ... möchte noch dabei sein"

Ungeduldig lief ich in meinen Räumen auf und ab. Eigentlich sollte Beth bei mir sein, aber mein Adjutant konnte sie nicht finden. Frustriert hielt ich inne und zerriss den ersten Brief, die mir in die Hände fiel. Was auch immer es war, es musste warten. Einen Moment lang erwog ich, nach Ava zu schicken, bis mir bewusst wurde, wie verrückt das wäre. Immerhin wollte ich Beth einen Antrag machen. Wenn sie bloß hier wäre!

„Ihr habt nach mir rufen lassen?", Beths helle Stimme brachte mich wie üblich aus dem Konzept. Wie immer machte sie diesen albernen Hofknicks vor mir, den ich ihr einfach nicht ausreden konnte. „Wo warst du?", herrschte ich sie an. Sie erhob sich und sah mich schmunzelnd an. „Bei Erzherzogin Leila", antwortete sie gut gelaunt und sah sich suchend im Raum um, ob irgendwo Teegebäck übrig geblieben war.

„Bringt der Gräfin Kekse", fuhr ich meinen Adjutanten an, der sich mit einer Verbeugung zurückzog. Jetzt waren wir endlich alleine. „Was habt ihr zwei gemacht?", bohrte ich nach, worauf Beth lachend die Hände in die Luft warf. „Sei doch nicht so neugierig", tadelte sie, worauf ich meine Augen zu Schlitzen zusammenzog. „Wir waren einkaufen", setzte sie hinterher. „Alleine?" – „Bei Gott, Novel. Ihre Hofdamen haben uns begleitet" Besänftigt zog ich sie zu mir und legte meinen Kopf auf ihren Scheitel. Sofort schmiegte sie sich an mich wie eine Katze. Zufrieden grinste ich bei dem Gedanken, dass es unsere Normalität werden würde.

„Ich möchte lediglich wissen, dass es dir gut geht, Beth", flüsterte ich ihr ins Ohr, worauf sie leise aufseufzte und nickte. „Deshalb", ich griff nach ihrer Hand und zog sie mit mir zum Schreibtisch. In der obersten Schublade hatte ich den Ring gelegt. Warum lagen da schon wieder so viele Dokumente? Endlich. Ich zog den schmalen Goldreifen herauf und hielt in ihr vor die Nase. Beth wurde sofort bleich.

Als ich vor ihr auf die Knie ging, schoss plötzlich alles Blut in ihre Wangen. Mit Sicherheit sah ich genauso aus. „Willst du mich heiraten Elisabeth?", fragte ich leise und plötzlich löste sich aus Beths Augenwinkel eine Träne. Sie kniete sich zu mir auf den Boden und schüttelte langsam den Kopf. 


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Was glaubt ihr wird Beth sagen? 

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