Kapitel 33

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Novel 

Ich hatte mit Camilla vereinbart, dass sie in meinem Arbeitszimmer auf mich warten soll. Mein Herz flatterte noch von den Nachwehen dieses Sieges. Sie hatten mit keiner Rebellion gedroht, die Militärs haben sich nicht beschwert, man würde versuchen sie zu entmachten. Nein! Es hat funktioniert. Der Ministerrat würde Degár akzeptieren.

Wir durchquerten sämtliche meiner Vorzimmer. Einerseits, weil ich Degár bewusstmachen wollte, worauf er sich hier einließ und andererseits, weil ich ihn nicht in den privaten Teil des Schlosses führen möchte. Im Audienzzimmer, in dem im Normalfall mein Adjutant sein Lager aufgeschlagen, wartete Princesse Solei auf mich. Ich zog die Augenbrauen nach oben und schickte Degár alleine zu Camilla hinein. Sicherheitshalber wies ich meinem Adjutanten an, ihm zu folgen. Ich wollte nicht, dass ihm der Sieg zu Kopf stieg.

Solei sah mich flehentlich an und einen Moment lang ließ ich sie noch zappeln, seufzte theatralisch auf. „Es ist noch nichts in trockenen Tüchern, aber es sieht gut aus", verkündete ich schließlich und Solei klatschte begeistert in die Hände. Sie kam auf mich zugehastet und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Ihr habt das Richtige getan", versicherte sie mir, worauf mein Lächeln noch eine Spur breiter wurde. Diese Einsicht verdankte ich Camilla. Solei nickte mir zu, bevor sie sich auf den Weg zur Tür machte. „Eines noch, Princesse", hielte ich sie auf und musterte sie einmal streng, „In Zukunft klammert Ihr Camilla aus solch waghalsigen Operationen aus" Obwohl meine Stimme angemessen streng war, wurde Soleis Lächeln noch breiter. Als Antwort sank sie in einen Knicks. Ich hoffte, sie nahm meine Warnung ernst.

Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich die Tür zu meinem Arbeitszimmer aufstieß. Camilla würde sicher tausende von Fragen stellen und ... mein Herz bleib einen Moment stehen, als ich beobachtete, wie Camilla begeistert die Hände zusammenklatschte. Das Geräusch klang dumpf, da sie heute ausnahmsweise Handschuhe trug und ihr Lächeln reichte beinahe bis zu ihren Ohren.

Sie schüttelte Degár ehrlich erfreut die Hand, dessen Wangen sich darauf dunkel einfärbten. Bedächtig schloss ich die Tür hinter mir. „Ich freu mich so für Euch", rief Camilla und hastete mit wehenden Röcken entgegen. Der Draht in ihrem Reifrock schlug mir entgegen, als sie mir überschwänglich einen Kuss auf die Wange drückte. Jetzt hatte ich sicher einen genauso roten Kopf wie Degár. Camillas strahlender Blick wandte sich mir zu und etwas erlosch, als sie meinen Augen begegnete. Mit einem leisen Räuspernd trat sie einen Schritt zurück und drückte einen Kuss auf meine Hand. „Verzeih", murmelte sie und als ich ihr zurück auf die Beine half und ebenfalls einen Kuss auf ihren Handrücken hauchte, funkelten ihre Augen bereits wieder schelmisch.

Sie wandte sich ab und nickte Degár höflich zu. „Bitte entschuldigt mich. Ihr habt sicher noch viel zu besprechen", verabschiedete sie sich und Degár sah mich fragend an. Er hatte Recht für heute gab es nichts mehr zu sagen und ich wollte nicht, dass mir Camilla schon wieder entschlüpfte. Wenn Beth bei mir gewesen ist umwehte sie immer dieser Duft von Frische und Unverdorbenheit. Ich konnte es nicht ertragen, wenn sie vor mir knickste, da ich es als Selbsterniedrigung empfand. Bei Camilla machte es mir nichts aus. Ganz im Gegenteil. Sie verstand es ausgezeichnet innerhalb des höfischen Etiketts mit mir zu kokettieren und danach wurde ich nach und nach süchtig.

„Ich lasse nach Euch rufen, wenn wir eine passende Gesetzesvorlage haben. Feiert unseren Sieg, Degár"

„Majestät"

Camilla

Ich wusste nicht, was er sich von meinem Bleiben erhoffte. Sein Adjutant verließ mit Degár den Raum und ließ ein unangenehmes Schweigen zurück. In mir wechselten sich Freude, Stolz und Sorge ab und ich wollte es so gut es ging verbergen. Novel hatte auf meinen Vorschlag reagiert und es hatte funktioniert. Ich betete lediglich, dass uns das Parlament dauerhaft den Rücken stärkte.ge

Verlegen wandte ich mich dem Fenster zu und starrte in den Wolken verhangenen Himmel. Die Zeitung kündigte ich für heute ein Gewitter an. Ich hasste Donner. Ich spürte Novel hinter mir, noch bevor er meinen Rücken berührte. Die Intimität der Situation trieb mir die Schamesröte ins Gesicht und ich versteifte mich. Ich begehrte ihn mit jeder Faser meines Körpers, aber ich wusste, dass er das anders sah.

„Sieh mich an", forderte er und ich drehte mich widerwillig in seinen Armen. Das letzte Mal, das wir uns so nahe gekommen sind, war Wochen bevor Beth in sein Leben getreten ist. Er lächelte mich an und ich konnte nicht anders, als breit zu grinsen.

Seufzend ließ ich meinen Kopf gegen seine Brust sinken. Novel legte vorsichtig die Arme um mich und so verharrten wir einen Moment. Bis das erste Donnergrollen heranrollte und mich zurückfahren ließ. Natürlich stieß gegen das Fensterbrett. Hastig suchte ich den Himmel nach Anzeichen eines Unwetters ab. Aber noch war alles ruhig.

„Alles in Ordnung, Camilla. Du bist hier sicher", versprach Novel, worauf ich halbherzig lachte. Als ich mit 12 zum ersten Mal nach Italien zurückgekehrt war, überraschte uns auf der Heimfahrt ein so schlimmes Unwetter, dass ich mich die nächsten zwei Jahre weigerte, erneut eine so lange Schiffsreise zu machen. Notgedrungen verbrachte die kaiserliche Familie ihren Urlaub im darauf folgenden Jahr in England und darauf in Frankreich, dass wir aber auch über England erreichten.

„Avel wartet auf mich mit dem Lunch. Möchtest du mich begleiten?", fragte Novel und drehte mich an den Schultern zu sich um. Verlegen nickte ich.

Wüsste ich es nicht besser, hätte ich geglaubt, dass Gewitter jagt Avel ebenfalls Angst ein. Novel musterte seinen Zwilling einen Moment, bevor er auffordernd die Hand nach den Briefen ausstreckt, die Avel in den Händen hielt. „Nein", er schüttelte den Kopf, „zuerst du. Hoffentlich habe ich etwas falsch verstanden" Avel gab mir zwei Zettel, die eng beschrieben waren. Ich brauchte einen Moment, bis ich mich an das Bild der krakeligen Handschrift gewöhnt hatte und mich auf italienischen Inhalt konzentrieren konnte. Ich nahm mir die Zeit, jeden Satz zwei Mal zu lesen, aber das machte es nicht besser. Seufzend sah ich zu Novel hinüber. „Herzlichen Glückwünsch zu diesen Sieg heute. Es war gerade der rechte Zeitpunkt. Ab morgen werden uns nämlich alle hassen", spottete Avel, worauf ich schnaubte. Das war ein Brief aus der italienischen Geheimgesellschaft, der niemals hätte abgefangen werden dürfen, da er einfach nur leere Gerede war.

„Was steht da", forderte Novel erneut und nahm die Zetteln ab. „Bitte atme erst einmal tief durch", forderte ich und entzog ihm die Zettel wieder. Verärgert sah er mich an. Er wäre ohnehin nicht wirklich schlau daraus geworden. „Es ist ein Brief, indem die Theorie aufgestellt wird, dass Kaiserhaus würde gezielt alle Menschen aus dem Weg schaffen, die mit Comte Romano in Verbindung standen. Ich wäre demnach die nächste", fasste ich es kurz zusammen. Novels Wangen röteten sich wie erwarten und er ballte wütend die Hände zur Faust. „Dann werden wir den Italienern sagen ..." – „Vergiss die Italiener, Bruder. Das wird in der morgigen Tageszeitung gedruckt. Übersetzt und gekürzt natürlich. Étienne hat es mir zugespielt"

Étiennes Beteiligung brachte das Fass schließlich zum Überlaufen. Wutentbrannt schlug Novel mit der Faust gegen die nächste Wand. Avel trat einen Schritt auf mich zu und ich schmiegte mich dankbar an ihn. Drehte Novel den Rücken zu, um seine Wut wenigstens nicht sehen zu müssen. „Woher hat dieser ..." – „Novel!" Ich spürte, wie angespannt Avel war und er ließ es deutlich durchklingen, dass auch er langsam ungeduldig mit seinem Zwilling wurde. „Wir wissen es und müssen uns noch heute dementsprechend präsentieren. Wenn die Menschen wirklich glauben, wir könnte Camilla etwas antun, dann ... nun, ich möchte nicht herausfinden, auf welcher Seite die Mehrheit stünde", holte uns Avel zurück zur ursprünglichen Gefahr. „Wir müssen es der Kaiserin sagen", warf ich in die entstandene Stille hinein. „Warum?", Novel fuhr zu mir herum in seinen Augen blitzten Zorn auf. Widerwillig sah ich ihm in die Augen. Ich setze zu einer Antwort an, aber Novel redete unbeirrt weiter: „Damit sie dich zur Kaiserin macht? Das ist doch der Ausweg den vorschlägst, nicht wahr?" Novels Augen sprühten Funken vor Zorn und trat ich unwillig einen Schritt hinter Avel und presste die Lippen zusammen, damit ich nichts Unbedarftes sagte.

„Nun reagier doch!", schrie er worauf ich mit bebenden Lippen, den Kopf schüttelte. „Ich sehe keinen Grund mit dir zu reden, wenn du so neben dir stehst", erwiderte ich kühl und wandte mich von ihnen ab. Es war mir egal, ob Novel mich brauchte. Ich musste von hier weg. Alles, dass ich der kaiserlichen Familie schuldete, sollte diese Schuld überhaupt jemals bestanden haben, zahlte ich in den letzten Wochen durch mein öffentliches Auftreten zurück. Jetzt musste ich gehen.

„Bitte entschuldigt mich" 

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