Kapitel 34

101 8 4
                                    

Novel

Ich rutschte Ava auf meinem Schoß zurecht, zog sie näher an mich heran, da ihr Gewicht auf meinen Oberschenkel zu schwer wurde. Ich ließ die Augen geschlossen, während sie die Einladung annahm, vorsichtig ihr Becken über mir kreisen zu lassen. Nachdem nächsten Schluck Whisky verblasste langsam Beths Bild in meinen Kopf und ich konnte mich auf leichte Prickeln konzentrieren, dass mir Avas Bewegungen bescherten.

Ich hatte es nicht fertiggebracht Mama selbst von den schlechten Neuigkeiten zu berichten, sondern Avel losgeschickt. Obwohl Camilla für ihre Verhältnisse unfassbar wütend war, hatte sie sich natürlich bereiterklärt kurz mit Mama und Leila in die Oper zu gehen. Ihre Perfektion widerte mich mittlerweile geradezu an. Ich hatte sie heute furchtbar behandelt, das war mir klar und trotzdem hat sie sich nicht gewährt. Die Wut loderte wieder in mir auf und ich zog Avas Kopf unwirsch zu mir heran. Wie es sich wohl anfühlen würde, Camilla zu küssen? Ob sie es mir überhaupt erlauben wird? Wir mussten beide noch einiges Lernen, bevor wir zusammenleben konnten. Beth hat immer reagiert, wenn ich ihr wehgetan habe, aber Camilla erträgt alles still und schiebt mich weg. Warum kann sie nicht ihren Mund aufmachen und ... .

„Ich glaube ich rufe Euch eine Kutsche, mein Prinz" schlug Ava vor und richtete sich auf mir auf. Mürrisch legte ich meine Arme um ihre Mitte und hielt sie fest. Sie sah mich abwartend an, bis ich seufzend nickte. Keine Frau hatte es verdient jemandem Vergnügen bereiten zu müssen, der an eine andere dachte.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte glaubte ich, mein Kopf sei zweigeteilt. Mürrisch starrte ich meinen Kammerdiener an, der für meinen Geschmack viel zu pünktlich und viel zu laut war. „Ich möchte alleine gelassen werden", wies ich ihn an, worauf er beflissen nickte, „Und wo ist Zeitung?" Ich wollte diese widerliche Schlagzeile so schnell wie möglich hinter mich bringen, um dann zurück zum Tagesgeschäft kommen zu können. Mama würde sich eher die Finger abschneiden, als Camilla einem nur annährend ähnlichen Skandal auszusetzen, wie Beth.

Ich will ausklammern, dass Camilla zu sittsam war, um überhaupt in die Verlegenheit eines Skandals zu kommen. „Verzeiht Majestät", stotterte er und verbeugte sich, um Zeit zu schinden, „ Aber ich habe Weisung, sie Euch nicht auszuhändigen, sondern Euch zur Audienz bei der Kaiserin zu laden" Verärgert runzelte ich die Stirn. Wie schlimm konnte es schon sein? „Ist es wirklich derart verwerflich?", spottete ich worauf mein Kammerdiener verärgert die Stirn runzelte. Ich schaffte es endlich aus dem Bett. „Es geht um Comtesse Camilla und nun beeilt Euch, Majestät", drängte er und ich zog überrascht meine Augenbrauen nach oben. Natürlich ging es um Camilla. Um welchen anderen Adeligen, außer meiner Mutter, hätte man sich ansonsten als Diener so gesorgt?

Als ich bei Mama vorsprach und bereits alle meine Geschwister versammelt waren und nur Camilla fehlte, beschlich mich ein unwohles Gefühl. „Wo ist sie?", fragte ich und verkrampfte meine Hände. „Setz dich. Ich befürchte, wir sind in eine Falle gelockt worden"

Camilla

Ich konnte die ganze Aufführung an nichts anderes denken wie den Zorn in Novels Augen. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte ihm ebenso begegnen. Ungestüm und wütend, dann könnte ich meiner Angst und meinen Zweifel endlich Luft machen. Die angestauten Gefühle schnürten mir die Luft zum Atmen ab und ich erhob mich schwankend.

Ich muss hier hinaus und das sofort. Die Kaiserin bedachte mich mit einem besorgten Blick, aber noch bevor sie reagieren konnte, hatte sich Avel erhoben und griff nach meinen Ellbogen. „Ich möchte für einen Moment alleine sein", wies ich ihn ab und Avel sah mich mitfühlend an. Er hatte heute gehört, wie es zwischen Novel und mir tatsächlich zuging und ich konnte nicht verhindern, dass ich mich dafür schämte. Avel bedeutete einer der Wachen mich zu begleiten und ich nahm dankbar den Arm an, den er mir anbot.

Obwohl es mir eigentlich nicht gestattet war mich ohne ein Mitglied der kaiserlichen Familie in deren Privatsalon aufzuhalten, ließen mich die Wachen ohne weiteres gewähren. Seufzend ließ ich mich auf eine Sitzgelegenheit neben dem Fenster sinken und öffnete es. Meine Röcken bauschten sich um mich und mein Korsett drückte an allen erdenklich Stellen.

„Kann ich etwas für Euch tun, Princesse?", fragte der Soldat und sah mit einem zögerlichen Lächeln zu mir herunter. Ich schätzte es, dass er die Frage ernst meinte. „Ich möchte nur einen Moment hier sitzen, alleine", bat ich und atmete tief, oder soweit sich meine Lungen gegen das Korsett ausdehnen konnten, ein. „Natürlich, Princesse", erwiderte er und ich lächelte ihn dankbar an, bevor ich zufrieden meine Augen schloss. Als sich seine Schritte entfernten, spürte ich den kühlen Wind auf meinen feuchten Wangen.

„Törichtes Mädchen. Jeder könnte dir gerade die Kehle durchschneiden", ich zuckte zusammen und stieß tatsächlich gegen ein Messer. Panisch suchten meine Augen den Raum ab. Aber nichts hatte sich verändert. Bis auf die Klinge an meinem Hals. Mein Herz schlug unregelmäßig schnell und ich verängstigt verknotete ich die Hände in meinem Schoß. Ich habe Gefahren nie gescheut. Aber ich musste auch zugeben, dass ich noch nie in einer derart brisanten Situation war.

„Ich ..."

„Seit still, Prinzessin. Ich bin hier um euch zu helfen. Steht auf, ganz langsam"

Mir war schleierhaft, wie er mir mit einer Klinge an der Kehle helfen wollte, aber ich tat, wie mir geheißen. Ich verzog das Gesicht, wenn ich daran dachte, wie mich Novel für meinen Gehorsam verachten würde. „Vor der Tür stehen die Soldaten der Kaiserin", erwiderte ich leise, „Ich bin hier in Sicherheit. Ihr könnt Euer Messer sinken lassen" Der Mann mit der rauen Stimme schob sich hinter mich und ich stellte überrascht fest, dass er kleiner war wie ich. Er musste seine Hand weiter nach oben strecken, um meine Kehle zu erreichen.

„Dummes, dummes Mädchen", schalt er mich und schob mich weiter. „Die Soldaten der Kaiserin sagt Ihr? Wisst Ihr, ich war auch im Dienste der Kaiserin und ich habe Dinge gehört, böse Dinge. Die Gesandten machen sich Sorgen um Euch", erzählte er mir und ich schluckte. Er stand in Diensten meiner Ziehmutter? Das konnte alles sein – vom Tellerwäscher bis zum Kammerdiener von Étienne. Verzweifelt presste ich die Lippen zusammen. „Sie sagen, die Kaiserin möchte, dass Ihr den Kronprinzen heiratet", flüsterte er in mein Ohr und seine Lippen berührten dabei beinahe mein Ohrläppchen. Ekelerregt erschauerte ich.

„Aber das geht nicht, Prinzessin, dass wisst Ihr doch selbst", säuselte er und schob mich weiter in Richtung des Dienstboteneingangs. Verzweifelt stemmte ich meine Fersen in den Boden. Da unten würde man nie nach mir suchen. „Der Kronprinz liebt Euch nicht und deshalb wird seine Familie Euch aus dem Weg schaffen", sagte er mit Nachdruck, worauf ich vehement den Kopf schüttelte. Novel mochte mich noch nicht lieben, aber er wusste um meinen politischen Wert. „Der Kronprinz ist ein Schwein und deshalb ...", ich ließ ihn nicht ausreden, sondern wirbelte in seinem Griff herum. Er ließ zu spät los. Sowohl das Messer als auch mich. Die Klinge schabte über mein Schlüsselbein bis hin zu dem kleinen äußeren Knochen meiner Schulter und ein Schmerz schoss durch meine linke Hand, als ich ihn losriss. Blind vor Ärger holte ich aus und schlug dem kleinen Mann fest ins Gesicht. Überrascht taumelte er zurück und stolperte er im nächsten Atemzug über einen kleinen Fußschemel. Es schien als würde sein schlanker Körper mit den ewig langen Armen, mit denen er hilflos in der Luft herumruderte, einen Moment lang schweben, bevor er auf den Boden krachte. Eine Sekunde später stürzten die Wachen herein.

Heftig atmend und zitternd trat ich einen Schritt zurück. Meine rechte Handfläche war gerötet und ich tastete vorsichtig den Schnitt ab. Wenn jemand Novel beschimpfen durfte, dann war das ich. Ich kannte die Soldaten nicht, aber sie erledigten ihre Arbeit schnell und effizient. Der kleine Mann am Boden mit den giftgrünen Augen und den kurzen dunkelbraunen Haaren wand sich am Boden unter dem festen Griff der Soldaten. Ich realisierte erst ganz, was gerade beinahe geschehen wäre, als Avel in den Salon stürmte und Befehle keifte, man solle mich versorgen. Ich sah an mir hinunter, bemerkte das Blut im Ausschnitt meines Kleides und einen Moment später den Soldaten, der mich hereinbegleitet hatte und nun bewusstlos am Boden lag.

„Camilla?", fragte Avel besorgt und legte eine Hand an meine Wange. „Komm, wir müssen den Schnitt verbinden", forderte er. Seine Stimme war erstaunlich ruhig und trotzdem konnte sie das Geschrei des kleinen Mannes übertönen. Er setzte sich immer noch nach Leibeskräften zur Wehr. „Er wollte nichts Böses", hauchte ich. „Wo hättet Ihr sie hingebracht?", rief eine der Wachen aufgebracht und schlug dem kleinen Mann mit der Faust ins Gesicht. Erschrocken schnappte ich nach Luft und Avel zog mich, wie bereits heute Morgen, schützend an seine Brust. „Ich hätte sie zu den Engeln gebracht"

NovelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt