Kapitel 18

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Novel 

„Habt Ihr dieselben Informationen wie ich?", fragte mich mein ehemaliger Erzieher und ich blies langsam Luft aus. Es war kein Geheimnis, dass ich dem Oberkommandierenden misstraute. Das änderte allerdings nichts an seiner führenden Militärposition.

„Ich nehme an Ihr seid hier um mir Euren Rat anzubieten", riet ich und da wir noch standen, verbeugte sich mein gegenüber kurz. „Es ist meine höchste Pflicht Euch mit meiner Erfahrung zur Seite zu stehen", beteuerte er und ich konnte ein Schnauben nur schwer unterdrücken. Meinetwegen wollte ich ihm glauben, dass er diesen Besuch als seine Pflicht ansah, aber hatte es sicher nicht im Sinne, mir zu helfen. Zumindest nicht in dem Sinne, wie ich es gerade nötig hatte. Man hatte Beths Vergangenheit entlarvt und das viel früher, als ich befürchtet hatte. „Bitte", widerwillig bot ich ihm einen Platz an.

„Majestät, ich rate Euch, die Gräfin außer Landes zu weisen und somit jeden Verdacht auszulöschen und das Heer zusammenzuhalten"

„Das erscheint mir doch eine sehr drastische Maßnahme"

„Die Gräfin wird nicht nur als Revolutionärin bezeichnet, sondern man unterstellt ihrer Familie eine Verbindung mit dem Kenneths Bastard"

Mein Erzieher erhob die Stimme und ich schluckte meine Überraschung hinunter. Er durfte nicht bemerken, dass mir dieser Fakt neu war. Wahrscheinlich vergebens, weil er mir erst beigebracht hatte meine Emotionen zu verstecken. „Wer konkret zieht Gruppen zurück?", wechselte ich das Thema. Der General verzog süffisant das Gesicht. „Dieser Liberale hat Euch weich gemacht. Wäre Seine Majestät der Kaiser noch hier ..."

Weiter kam er nicht da Mama entschlossen die Türen aufstieß und ihren Blick zwischen uns hin und her wandern ließ. „Hütet Eure Zunge, General", zischte sie und steuerte zügig auf meinen Schreibtisch zu. Ich beeilte mich, ihre Hand zu küssen. Dieser Liberale wie ihn der General gerne abwertend nannte, hatte mir mein Leben gerettet. Hätte Mama nicht nach und nach durchsetzen können, dass er meine Lehrer wählen und mir zur Seite stehen durfte, wäre ich noch verkorkster als ich es ohnehin schon bin. „Generäle sind ersetzbar", setzte sie hinter und mein Erzieher verzog den Mund. Keuchend täuschte ich einen Husten vor, um mein Lachen vor ihm zu verbergen.

„Haben Majestät sich schon konkrete Gedanken über die Vorgangsweise gemacht", wechselte mein Erzieher das Thema und sah mich herausfordernd an. Ich verlor an Boden. Ich hatte den Gedanken, dass ich Beth als Braut möglicherweise noch eine Spur ungeeigneter war ich annahm, verdrängt. Als er bemerkte, dass er einen Informationenvorsprung hatte, begann er wieder zu grinsen.

„Wisst Ihr in welcher Form Gräfin Russo mit dem Hochverräter in Verbindung hätte stehen sollen?"

„Nein, Majestät, aber das werden wir herausfinden und ... Lügen haben immer kurze Beine, Majestät"

Mama stemmte die Hände in Hüfte und trat einen Schritt vor mich. Eigentlich war ich zu alt und zu mächtig um mich von so einer kleinen Frau abschirmen zu lassen, aber ich versteckte mich gerne hinter Mama.

„Wie lange denkt Ihr könnt Ihr diese Information noch zurückhalten?"

„Wollt Ihr auf den Erzherzog warten?"

„Passt auf was Ihr sagt, Oberkommandierender. Wie lange?"

„Ich weiß es nicht Majestät, mit ein bisschen Glück und genügend Ablenkungen mindestens eine Woche. Desto früher wir Details veröffentlichen, desto besser können wir die Geschichte jedoch kontrollieren"

Mama verzog den Mund und legte den Kopf schief. Sie war keine Person, die in einer ausweglosen Situation weiterfocht und diesen Schlagabtausch hatte der General für sich entschieden. An Mamas gekräuselter Stirn konnte ich sehen, wie sie das ärgerte. Mir war es genauso zu wieder wie Mama, aber wir brauchten den General auf unserer Seite. Wenn er sich für Beth aussprach, dass er wahrscheinlich ohnehin nicht tat, es sei denn Papa hatte wirklich so gute Verbindungen zu ihm, wie man sich erzählte, wäre er Gold wert.

„Ich werde mit dem kleinen Rat darüber sprechen und Euch über weitere Fortschritte unterrichtet halten", beendete ich das Gespräch bevor Mamas Wut überhandnahm. Deshalb werde ich auch ich mit ihm korrespondieren. Mama hatte sich bereits lange genug mit ihm herumgeschlagen.

Er verzog noch ein letztes Mal das Gesicht, bevor es sich mit einer Verbeugung zurückzog. Ich wandte mich gespannt zu Mama. Sie ließ sich auf meinen Schreibtischsessel nieder und legte den Kopf in den Nacken. „Sieh mich nicht so an", antwortete sie auf meinen fragenden Blick. „Ich habe keine Ahnung, was wir jetzt tun sollen"

Beth 

Leila saß bereits seit Stunden über ein Blatt Papier gebeugt und schrieb mit kratzender Feder Seite um Seite voll. „Seid Ihr im Begriff einen Roman zu schreiben, Majestät?", scherzte ich, worauf Leila hochschreckte und mich ansah, als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass ich hier war. „Nicht so ganz. Aber du hast Recht – es ist nicht für die Universität", erwiderte sie und ich zog verärgert meine Augenbrauen zusammen. Was immer sie da im Sinn hatte, war nicht gut.

Ich erhob mich und schnappte mir eines der Blätter von ihrem Schreibtisch. Leila hielt mich nicht davon ab. Einen Moment später wünschte ich, ich hätte es nicht getan. Sie schreibt über Italien, über die Revolution, über Frankreich, das englische Parlament – mir wurde schwindelig. In Bonheur mag die Pressefreiheit gelten, aber die Kaiserin würde ... ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was geschehen würde, wenn es die Kaiser oder Novel herausfanden.

„Leila, dass ist ... unglaublich gefährlich"

„Warum? In England gibt es auch ein Parlament und eine Königsfamilie!"

„Leila ... solche Texte zetteln Revolutionen an"

„Wenn es das braucht, dann ..."

„Ihr wisst nicht, wovon Ihr sprecht"

Ich fuhr mir einmal verzweifelt über das Gesicht. Sie hatte Visionen, das mag sein, aber sie würde nicht hungern, ihre Familie würde nicht erschossen werden – Menschen wie Leila bezahlten nicht für Revolutionen und sie sollten sie auch nicht anzetteln.

„Wer weiß davon?", fragte ich schroff worauf mich Leila unsicher ansah. „Niemand, außer mir und dem Verleger" Ich sah sie panisch an und nickte dann langsam. Sie wollte eine Politikerin werden. So ein Wahnsinn könnte sie ihre Karriere, ihre Heimat und ihre Familie kosten.

„Ihr müsst damit aufhören, Leila"

„Bald, versprochen. Es geht nur noch um wenige Ausgaben"

„Leila, wenn das jemand herausfindet"

„Es findet niemand heraus – es sei denn du erzählst ..."

„Nein, natürlich nicht!"

Leila lächelte mich zufrieden an. Ich fühlte mich furchtbar, weil Novel alleine mit diesem Gespräch betrog. Aber ich konnte Leila nicht verraten, gerade sie nicht, die meine einzige Freundin bei Hof war. Außerdem, wer war ich schon über die politischen Vorstellungen von jemand anderem zu urteilen? 

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