Kapitel 50, Teil 1

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Novel 

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„Königliche Hoheit", Paget verbeugte sich vor Camilla und sie schloss gedemütigt die Augen. Ich hätte gerne etwas gesagt, sie verteidigt, betont, dass diese zeremonielle Unpässlichkeit alleine unsere Schuld ist, aber die Worte blieben in meinem Hals stecken. Ich musste daran denken, wie enttäuscht Camilla heute Morgen war und das nahm mir für einen Moment den Atem. Leila legte sofort einen Arm um meine Frau und George warf Papa einen bösen Blick zu.

Von da an wurde es nur noch schlimmer. Es schienen sich drei Parteien am Tisch gebildet zu haben. Papa und ich als die Angeklagten, Mama und Avel als Unentschiedene und Camilla, Leila und George als Ankläger. Dabei hatten alle gewusst, wie Camilla selbst zugab, dass nicht unsterblich in sie verliebt war und Papa hatte mir eine Falle gestellt und überhaupt ...! Nachdem die Nachspeise endlich abgetragen wurde, erhob ich mich erbost – alle bis auf Mama folgten mir.

„Ich denke wir ziehen uns jetzt zurück, damit wir endlich erledigen können, wofür ihr mich alle so ächtet", knurrte ich und streckte meinen Arm nach Camilla aus. Die Überraschung spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder und sie kam unsicher auf mich zu. „Novel, bitte tu nichts unüberlegtes", mahnte mich Mama und ich funkelte sie wütend an. Die Einzige von uns allen, die etwas Unüberlegtes getan hatte, war sie selbst, indem sie mir diese Ehe aufzwang.

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Camilla

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Ich verkrampfte meine Hände in meinen Schoß, während ich Novel in seinem Ankleidezimmer auf und ab gehen hörte. Aber Gräfin Russo hatte keine Eile mit meinen Haaren. „George meinte, dass die Angelegenheit in zehn Minuten erledigt sei und das Novel mich anleitet", ich sah sie herausfordernd im Spiegel an. Sollte George etwas schön geredet haben, wäre jetzt der Moment es zu sagen. Aber Gräfin Russo schwieg, „Sollte ich sonst noch etwas wissen?"

Ich entzog mich ihrem Griff. Mir war klar, dass sie Zeit für mich herausschlagen wollte, aber meine Gedanken wirbelten so wild durch meinen Kopf, dass ich es ohnehin nicht genießen konnte. „Es wird kurz wehtun. Aber Novel weiß, was er tut", versicherte sie mir rasch, bevor sie sich vorsichtig zu Novels Ankleidezimmer bewegt. Als sie die Hand auf die Türklinke legte, sah sie mich nochmal fragend an und ich nickte hastig.

Novel stolperte mehr durch die Tür, als er wirklich hereinschritt. Er trug einen Morgenmantel, ich konnte aber Hosenbeine erkennen, also schien er einen Pyjama zu tragen. Der Gedanke ließ mich kichern, aber Novel ließ sich von meiner guten Laune nicht anstecken. „Du weißt was zu tun ist?", fragte er schroff ich und ich zuckte zusammen. „George meinte, du würdest wissen ...", erwiderte ich verzweifelt – es war aller Welt klar, dass Novel bereits mit mehr Frauen im Bett war, als ich für Männer geschwärmt hatte, also hielt ich es nicht für notwendig nachzubohren.

„Du hast darüber mit George gesprochen?"

„Natürlich – er ist Arzt, und ein Mann und ich ... an wen hätte ich mich sonst wenden können?"

„Eben – George ist ein Mann! Hast in etwa noch nie das Bett mit einem Mann geteilt?"

Die Verwunderung in seiner Stimme schwächte die Beleidigung ab – das ersparte ihm eine Ohrfeige, aber ich schnappte trotzdem empört nach Luft. „Nicht jede Italienerin ist eine Hure, Novel!", fauchte ich wütend und zog mich ans andere Ende des Zimmers zurück. Novel setzte mir sofort nach. „Pass auf, was du sagst, Camilla", warnte er und schloss den Abstand zwischen uns. Trotzig sah ich zu ihm auf. „Vielleicht ist es am besten, wenn du jetzt gehst. Wir können das auch morgen machen, oder übermorgen", ich deutete wage auf das Bett, damit er verstand, was ich meinte, „Du scheinst es ohnehin nicht eilig zu haben"

Ich konnte mir den Spott nicht verkneifen, fuhr aber erschrocken zusammen, als Novels Hand krachend an der Wand neben meinem Kopf landete. Ich fuhr zusammen und wollte nach links ausweichen, worauf er seine linke Hand auf meiner anderen Kopfseite platziert.

„Ich habe geglaubt es sei wichtig"

„Du bist direkt in Pagets Falle getappt"

„Ja ... und du in meine. Also ..."

Er legte seine Hände auf meine Oberarme und schob mich sanft in Richtung des Bettes. Panisch starrte ich auf seine Hände hinunter. Ich hatte in meinem Leben noch nie so Angst vor einer Berührung. Ich stemmte meine Fersen in den Boden und schüttelte vehement den Kopf. „Novel, bitte", flehte ich und begann unruhig meine Arme zu bewegen. „Ich will nicht – lass mich los!", rief ich verzweifelt, worauf sich Novels Miene verhärtete und er tatsächlich eine Hand von mir löste. „Du wolltest Kaiserin sein? Jetzt wirst du es sein, aber nur wenn du dich in dieses Bett legst!", erwiderte er erbost und sah mich abwartend an, „Es sei denn, du hast es dir anders überlegt" Sofort schüttelte ich den Kopf – das war doch das, dass ich wollte, oder? Als meine Füße gegen das Bettgestell stießen und wurde mir schlagartig bewusst, dass das nicht mehr der Mann ist mit dem ich mein Leben verbringen wollte.

„Nein", rief ich panisch und wirbelte meinen Kopf im Kreis. „Ich habe meine Meinung geändert", stieß ich atemlos hervor. Das konnte nicht Liebe sein, niemals. „Rede nicht so einen Blödsinn", erwiderte Novel verärgert und drückte mich ins Bett. „Ich will nicht, Novel", wiederholte ich immer wieder, als er sich seinen Morgenmantel von den Schultern streifte. „Bitte", flehte ich verzweifelt, als Novel seine Hand wieder an meine Wange legte. In diesem Moment unterbrach uns ein Klopfen und gab mir gerade genügend Zeit ans Kopfende des Bettes zu robben. Novel wandte sich verärgert ab. 

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Novel 

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Ich stürmte zur Tür und riss sie mit Schwung auf. Jeder Dienstbote, selbst meine Geschwister, wären jetzt hastig einen Schritt zurückgetreten, aber Gabrielle sah mich unbeeindruckt an und nickte in Camillas Ankleidezimmer hinein. Wie ein gescholtener Junge folgte ich ihm. Obwohl ich nichts getan hatte! Camilla bekam kalte Füße und wenn sie sich nicht so sträuben würde, könnte sie den Beischlaf auch genießen. Nie im Leben hat sie all ihre Ambitionen aufgeben.

„Was tut Ihr da mein Freund?"

„Ich weiß nicht, wovon Ihr redet Gabrielle!"

„So klingt keine Frau, die sich auf den Beischlaf freut"

„Herr Gott! Sie hat kalte Füße und ist beleidigt, weil ich geglaubt hat, sie war schon mit jemanden vor mir im Bett!

Gabrielles Augenbrauen zuckten belustigt und er schüttelte langsam den Kopf. Gewichtig legte er mir die Hände auf die Schulter und suchte meinen Blick. Für einen Moment glaubte ich, dass ich unter dieser zusätzlichen Last zusammenbrechen würde.

„Ihr habt mir befohlen, Ihre Majestät zu schützen und das werde ich. Auch vor Euch"

„Dann habe ich wohl den falschen Mann mit der Aufgabe betraut"

„Hätte Beth jemanden gehabt, der seine Aufgabe so ernst nahm wie ich, hätten wir sie nicht verloren"

Beths Namen in dieser Nacht zu hören, brachte das Fass zum Überlaufen und ich riss mich wütend los. Warum konnte das nicht aufhören?! „Sie liebt Euch", redete Gabrielle auf mich ein und ich ballte wütend meine Hände zu Fäusten. Ich wollte diese Liebe nicht, weil ich damit nicht umgehen konnte!

„Sie hat mich gestern gebeten nach Euch zu sehen", verärgert fuhr ich zu ihm herum. Er hat mich für Camilla ausspioniert. „Ich hätte niemals meinen Posten verlassen, wenn sie mich nicht darum gebeten hätte. Ich wollte mich hinausreden, widersprechen, weil ich Euch niemals verraten würde. Aber ich bevor ich etwas erwidern konnte, sagte sie bereits, dass ich keinen Bericht von mir wolle, aber dass ich Euch beschützen soll", redete Gabrielle auf mich ein.

Diese Neuigkeit kühlte mein Gemüht ein wenig ab. Seufzend machte ich mich auf den Weg zur Tür. Nur weil sie Gabrielle nicht gefragt hatte, bedeutete das nicht, dass sie nicht wusste, was ich gestern Nacht getan hatte. Aber es zeigte mir, dass ihr etwas an mir lag und mir lag etwas an ihr. Vielleicht sollten wir dem Beischlaf wirklich bis morgen warten. 

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