3. Schwäche

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Gemeinsam verließen Eragon und Arya den kleinen Garten. Wieder glitten ihre Blicke über das weit ausgedehnt da liegende Tal. Die Sonne war inzwischen höher gestiegen und verbreitete eine angenehme Wärme.
"Es ist wirklich einmalig schön hier." Betonte Arya erneut.
"Ja das ist es."
Der melancholische Tonfall in Eragon Stimme erregte die Aufmerksamkeit der Elfe. Sie sah den jungen Drachenreiter an, dessen Blick in die Ferne gewandert war. Obwohl sie sicher war, dass er ihren Blick bemerkte schwieg ihr Gegenüber.
"Du sprichst als würdest Du diesen Ort heute zum ersten Mal sehen." Bemerkte sie schließlich.
Eragon hob einen trockenen Zweig vom Boden auf und begann ihn zwischen den Fingern zu zerreiben.
"In gewisser Weise ist dem auch so."
Der junge Drachenreiter rang sich ein Lächeln ab und versuchte das Thema zu wechseln.
"Aber darüber müssen wir jetzt nicht sprechen."
Er wollte sich abwenden doch Arya hielt ihn an der Schulter fest.
"Doch, das müssen wir. "
Eragon mied ihren Blick.
"Ich möchte dich nicht vertreiben. Ich will dir einfach nicht zu nahe treten. "
Arya trat einen Schritt auf ihn zu.
"Ich bin hierhergekommen, um mein Leben mit deinem zu teilen. Es gibt Dinge für die ich noch Zeit brauchen aber ich bin hier. Schließ mich nicht aus deiner Seele aus."
Endlich blickte er sie an. Große Trauer lag in ihr seinen Blick. In stiller Übereinkunft setzten sich die beiden auf einen Felsen der in der Landschaft lag und von der Sonne beschinen wurde. Das Gestein war angenehm warm.
Zunächst breitete sich wieder Schweigen aus. Eragon starrt auf seine Hände.
"Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Ich weiß nicht wo ich beginnen soll."
"Lass dir Zeit. Du hast mir geduldig zugehört. Ich kann warten bis du bereit ist."
"Damals, als Fírnen dich zu Roran zurück trug, es gibt nur wenige Augenblicke in meinem Leben die dem Schmerz gleichkommen den ich damals empfunden habe.
Wenn ich an die Zeit zurück denke bis wir diesen Ort gefunden hatten, ist es mir bis heute unmöglich zu sagen ob es Tage oder Wochen waren. Ich habe einfach von einem Augenblick zum anderen gelebt. Dann kamen wir an. Wir richteten uns ein, die ersten Drachen schlüpften und ich gab mein Bestes um mich auf die Pflichten zu konzentrieren die vor mir lagen. Ich wollte mich der großen Aufgabe die man mir übertragen hatte würdig erweisen. Es ging schließlich um das Überleben eines ganzen Volkes! Aber ich hatte das Gefühl, mit jedem Tag schwächer zu werden. Als ob man mir eine Wunde geschlagen hätte aus der beständig meine Kraft heraus floss. Ich errichtete die Gebäude die ich dir gezeigt habe, machte mir Gedanken darüber wie man den Unterricht neuer Reiter gestalten könnte und so manches Mal besuchte ich die Eldunari um von ihrer Erfahrung zu lernen. Ich habe es wirklich versucht! Ich wollte den Erwartungen, die alle in mich setzten gerecht werden. Aber wärst du nicht gekommen, wäre ich jämmerlich gescheitert. Ich bin schwach Arya."
" Eragon Schattentöter, Bezwinger von Galbatorix soll schwach sein?"
Sowohl Eragon als auch Arya gönnt sich ein kurzes Lachen.
"Ich bin schwach." Bekräftigte Eragon erneut. "Wie ich gesagt habe, ich habe versucht meinen Pflichten gerecht zu werden aber es ist mir mit jedem Tag schwerer gefallen. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, ich sah den Tag kommen an dem ich allem nicht mehr gewachsen sein würde. Der Tag an dem ich zusammenbrechen und alle die sich auf mich verlassen haben enttäuschen würde. Da war dieses Gefühl Arya! Ich kann es nicht beschreiben. Eine nagende Leere, die jeden Tag ein Stück mehr von mir verschlang. Und mehr und mehr begann sich auch meine Sicht auf diesen Ort zu verändern. Heute ist er so schön, so voller Leben. Bis gestern war er nicht mehr und nicht weniger als ein Gefängnis. Eines, welches ich nie wieder verlassen sollte. Ich weiß, dass es selbstsüchtig ist aber es gab Tage, da wollte ich mich auf Saphira zu setzen und nach Hause zurückkehren. Ich wollte sehen was aus Rorans Burg geworden ist, nachsehen wie groß meine Nichte inzwischen geworden ist aber vor allem Arya wollte ich dich wieder sehen. Hunderte von Malen wollte ich dir schreiben, habe es dann doch nicht getan, weil keine Zeile mich dir näher gebracht hätte. Und ich hätte nicht gewagt das eine zu schreiben was ich mehr als alles andere wollte. Einen einzigen Satz: Komm bitte zu mir. Mehr und mehr war ich überzeugt dieses Leben nicht ertragen zu können. Auf ewig an diesen Ort gefesselt fern von allen dich liebe und kenne. Ich dachte ich wäre stark genug. Ich war es nicht und ich bin es nicht. Und es gab niemand mit dem ich darüber reben konnte! Nicht einmal Saphira habe ich gewagt davon zu berichten. Ich habe alle meine Gefühle in mir verborgen und vor ihr geheim gehalten. Das ist mir wohl nur deshalb gelungen, weil sie mit den wilden Drachen so beschäftigt war. Bei den Menschen gibt es ein Sprichwort: Es ist leichter einen Sack Flöhe zu hüten. Das trifft auf Drachenkücken zu. Viel Konnte ich Saphira aber nicht helfen. Die jungen Drachen brauchten sie, nicht mich. "
"Warum wolltest du nicht einmal mit deinem eigenen Drachen reden?" Wunderte sich Arya.
"Sie hat so viel durchgemacht! Sie wurde gejagt praktisch von dem Moment an als sie geboren wurde. Sie war in der Welt einsamer als jeder andere von uns. Endlich hatte sich das alles geändert. Sie erwartete Nachwuchs, war unter ihresgleichen! Du hättest sehen sollen wie ihre Augen leucchteten, als einige Eldunari bekannten Freunde ihrer Eltern gewesen zu sein. Ich wollte das sie glücklich ist und ich wollte dieses Glück nicht stören. Ich dachte es würde mir genügen ihr Glück zu sehen um selbst glücklich zu sein. Aber es war nicht genug. Du siehst also Arya: Ich bin schwach und selbstsüchtig. "
Arya schüttelte heftig den Kopf.
"Das ist nicht wahr Eragon. Du bist einfach nur kein Gott. Jedes lebende Wesen hat Bedürfnisse! Und wenn ich mich an deiner Stelle versetzte kann ich dich sehr gut verstehen. Besser vielleicht als du glaubst. Denkst du, dass ich mich in Ellesméra anders gefühlt habe? Ich habe dich nicht angelogen als ich dir seinerzeit gesagt habe, dass ich mich dort nicht wohl fühlen würde, weil Jahre vergehen können ohne dass sich etwas ändert. Im Nachhinein frage ich mich warum? Warum habe ich nachgegeben und bin Königin geworden? Ich habe immer wieder und wieder die Gründe für meine Entscheidung wiederholt aber..... "
"Sie begann hohl zu klingen nicht wahr? Leer ohne Bedeutung!"
"Ganz genau! "Bestätigte die Elfe. "Mehr und mehr wurden die Sitzungen des Krohnrates zu einer Qual. Du kannst dir nicht vorstellen wie sinnlos manche Diskussionen waren! Jede Sitzung musste drei Tage im Voraus geplant werden und weißt du warum? Damit alle Anwesenden Kleider wählen können, die in Farbe und Schnitt im Einklang mit dem Anlass und ihren persönlichen Gefühlen stehen. Sagt mir Eragon: hast Du aufgehört zu planen was du nächste Woche tun wirst, in einem Monat oder einem Jahr? Und zwar weil die bloße Vorstellung, dass dein Leben in dieser Art weiter verlaufen würde über einen so langen Zeitraum einfach unerträglich war. "
Zum ersten Mal begannen Eragons Augen zu leuchten.
"Ja! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das alles sein sollte was mich in Zukunft ausmacht."
"Du siehst also: Du bist nicht schwach! Und wenn du es bist dann bin ich es auch. "
Nun musste Eragon zum ersten Mal wirklich lachen.
"Du?! Schwach! Du bist nicht schwach!"
Aryas smaragdgrüne Augen funkelten ihn an.
"Dann bist du es auch nicht!"
Beide verfielen in Schweigen. Sie lauschtem dem Wind, welcher über die Wiese stricht und sich in den Bäumen verfing, verfolgten den Flug der Vögel und den Zug der Wolken.
Schließlich war es Eragon der sagte: "Ich bin froh dass du gekommen bist."
"Ich bin froh das ich hier bin." Antwortete die Elfe.

1298 Wörter

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt