25. Teestunde

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Einige Minuten stand Eragon einfach nur da und hielt die ehemalige Prinzessin der Elfen in seinen Arm. Schließlich löste sich Arya von ihm und wischte sich die letzten Tränenspuren aus dem Gesicht.
"Verzeih mir." Entschuldigte sich die Elfe. "Die Geister der Vergangenheit holen einen manchmal unvorbereitet ein."
"Ich bin immer für dich da, das weißt du."
Arya nickte und ließ sich auf einen nahegelegenen flachen Felsen sinken.
"Es hat einen kleinen Unfall bei der Flugstunde gegeben. Ich begreife selbst nicht ganz wieso oder warum, aber es hat Erinnerung an all die Kämpfe, die wir ausgestanden haben in mir aufkommen lassen. Und dann ist da noch der Tod meiner Mutter. Wir lagen so lange im Streit miteinander. Ich bedaure die Zeit, die wir damit verschwendet haben."
Eragon ließ sich neben seiner Gefährtin nieder und legte den Arm um sie.
"Das kann ich gut verstehen. Aber vergiss eines niemals mein Stern: Sie hat dich geliebt. Euer Streit ist aus ihrer Sorge um dich geboren worden. Aber auch die Jahre, in denen ihr nicht miteinander geredet hat, haben nichts daran geändert, dass sie dich geliebt hat."
"Von meiner Seite her, ist es dasselbe. Aber das ist kein Ersatz für die verlorene Zeit."
"Das ist wahr, und vielleicht ist diese Erkenntnis im Moment nicht einmal ein Trost für dich." Räumte Eragon ein. "Doch eines Tages wird es das sein. Gibt dir Zeit."
Arya nickte stumm, und legte ihren Kopf auf Eragons Schulter ab. Saphira's Reiter wusste, dass solche Momente, in denen sich Arya Verletzlichkeit erlaubte selten waren. Dass sie ihn in einem solchen Moment mit einbezog, war ein großer Vertrauensbeweis an ihn.
Saphira und Fírnen legten sich behutsam hinter ihre Reiter. Die Gruppe saß schweigend beieinander, bis der späte Nachmittag in den Abend überging.
Schließlich jedoch, ließen sich die beiden Reiter von ihren Seelengefährten zu ihrer Behausung tragen. Als sie die Schlüpflingswiese angesteuerten, fiel Eragon etwas Ungewöhnliches auf.
Die letzte Gruppe der wilden Schlüpflinge, die inzwischen schon zur Größe von jungen Pferden herangewachsen waren hatten sich um eine Gestalt versammelt, die vor ihnen im Gras saß. Im näher kommen erkannte Eragon, die Gestalt eines kleinen Jungen im Lendenschurz.
"Ich grüße dich Solenbum." Rief Eragon dem Jungen zu, kaum dass die beiden Drachen gelandet waren.
Der Kleine grinste nur frech in Richtung der beiden Drachenreiter und wandte sich dann wieder dem lautlosen Gespräch mit den Jungdrachen zu.
"Wenn Solenbum hier ist", vermutete Arya. "Dann kann Angela auch nicht weit sein."
"Der Scharfsinn der Elfen verblüfft mich immer wieder."
Eragon musste beim Klang der wohlbekannten Stimme lächeln. Die Kräuterhexe blickte ihnen aus dem Küchenfenster entgegen.
"Nun steht nicht draußen in der Gegend herum, hier drinnen wird sonst der Tee kalt."
Mit einem ungläubigen Kopfschütteln betraten Eragon und Arya die Küche ihrer gemeinsamen Behausung. Dort saß Angela im Schein einer Laterne am Esstisch und bot ihn mit einer einladenden Handbewegung die freien Stühle an. Auf dem Tisch stand eine Kanne mit frisch ausgebrütet Kräutertee.
"Wie großzügig von dir, dass du uns erlaubst in unser eigenes Haus einzutreten." Sagt Eragon als er mit Arya am Tisch Platz nahm.
"So bin ich eben." Antwortete die Kräuterhexe. "Ein hübsches Nest, das ihr Turteltäubchen euch hier gebaut habt. Überrascht es euch nicht mich hier zu sehen?"
"Ich würde es mal so formulieren: "schmunzelte Eragon, während er an seinem Kräutertee nippte. "Es ist unerwartet, dass du zum jetzigen Zeitpunkt hier bist. Doch dass du genau wusstest, wo wir zu finden sind und dass du es geschafft hast hier herauf zu kommen, ohne einen der Schutzzauber auszulösen, die wir um diesen Ort gewirkt haben..... Nein, das überrascht mich nicht wirklich."
"Langsam bin ich wohl eine alte Freundin was? Ich muss mir wohl mehr Mühe geben sonst werde ich noch berechenbar." Lachte Angela.
"Du weise Frau? Berechenbar? Wohl kaum!" Warf Arya ein.
"Da hast du recht Kindchen. Nun, Eragon Schattentöter und Königsmörder, hat deine Liebste dir meinen Brief übergeben? Hast Du noch Fragen wegen dem Brief? Vielleicht, warum ich dir nicht die Wahrheit gesagt habe, als du tränenreich Abschied genommen hast?"
"Nein, der Bauernjunge, den du in Teirm seinerzeit getroffenen hast, hat Alagaesia verlassen, mir ist klar, dass er nie zurückkehren kann und wird. Sollten es die Umstände aber erfordern werde ich mich in die Belange meiner alten Heimat einmischen können. Und warum du es mir nicht gesagt hast, mir schweben da zwei Gründe vor: Einmal, weil es wichtig war einen neuen Lebensraum für die Drachen zu finden, der abgeschieden ist. Und zweitens: Ich habe schließlich nicht gefragt."
Angela lachte schallend auf und klopfte sich auf die Schenkel.
"Du wirst ja langsam erwachsen Jungchen! Ich hoffe du nimmst es mir nicht übel, dass ich dich damals im Unklaren gelassen habe."
Eragon's Tonfall wurde ein wenig ernster: "Ich nehme es dir nicht übel, aber ich bin etwas enttäuscht."
Angela blinzelte wie eine Eule, die das Tageslicht erblickte.
"Ich weiß, dass ich viele gute Gründe hatte nicht zu gehen. Roran, Katrina und vor allem natürlich Arya." Eragon warf der Elf einen Blick zu und diese, schenkte ihm ein Lächeln. "Nicht zu vergessen, lag mir praktisch das ganze Land zu Füßen. Graf, Herzog oder was weiß ich, ich hätte nur fragen müssen, und jeder dieser Titel wäre mein gewesen. Es enttäuscht mich etwas, dass du offenbar geglaubt hast, ich würde Ruhm, Macht oder Geld vorziehen, und meine Pflicht vernachlässigen."
Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs klang auch Angela Ernst.
"Ich wusste, dass materielle Dinge dich nicht zurückhalten würden, wohl aber deine Familie und deine Liebste."
"Du hast recht, das sind die einzigen, wirklichen Versuchungen für mich gewesen nicht zu gehen. Ich verstehe, warum du getan hast, was du getan hast. Doch dir muss klar sein, dass Du gerade Arya und mir viel Leid hättest ersparen können, wenn wir gewusst hätten, dass unser Abschied kein "leb wohl" sein würde."
Angela überlegte einen Moment, dann nickte sie.
"Ich entschuldige mich. Es kommt nicht oft vor Jungchen, fühle dich also geehrt. Ja, ich habe dich da wohl unterschätzt. Aber ich verrate dir wohl ein offenes Geheimnis, wenn ich dir sage: Es gibt mich schon ein Weilchen. Ich bin weit herumgekommen, und habe viel gesehen. Ihr beide, auch du Arya, seid noch so jung. Trotzdem hat das Schicksal euch Aufgaben auferlegt, die Weisheit erfordern, die weit über euer Alter hinausgeht. Bisher habt ihr beide euch verdammt gut geschlagen.
Ich habe steinalte Greise gesehen, die sich im Vergleich zu euch dumm angestellt haben. Trotzdem passiert es mir wohl manchmal, dass ich euch noch für Küken halte und unterschätze.
Wie gesagt, dafür entschuldige ich mich. Wie schon angedeutet habe, hat das Schicksal noch einiges mit euch vor. Wenigstens war es gnädig genug euch einander zu geben. Was euch verbindet, ist stark. Hab Vertrauen in diese Verbindung."
Eragon und Arya nickten stumm, dann ergriff der junge Anführer der Reiter wieder das Wort: "Warum bist du eigentlich hier? So wie ich dich kenne, bist du nicht nur zur Teestunde hier."
"So wie du mich kennst?" Angela lächelte kryptisch. "Was glaubst du denn, wer oder was ich bin?"
Eragon erkannte durchaus die Herausforderung, die in dieser Frage schlummerte.
"In Alagaesia gehen viele mächtige Kräfte um, einige sind uns nicht wohlgesonnen. Doch gilt das für alle?
Ich denke nicht.
Ich denke das du mehr bist als dein Äußeres verrät.
Wobei ich zugebe, dass mich das manchmal etwas besorgt macht. Was mich beruhigt ist, dass ich das Gefühl habe, dass du mir, Arya, den Drachen und vielleicht sogar den Reitern wohlgesonnen bist. Ich hoffe, dass das so bleibt, denn ich habe dich viel lieber als Freund als einen Feind."
"Das klingt ja fast als würdest du mich für eine Göttin halten? "Neckte Angela. "Möchtest Du wissen, was ich bin? Wie alt ich bin oder warum ich tue, was ich tue?"
Eragon schüttelte schmunzelnd den Kopf.
"Ich genieße unsere Unterhaltungen. Sie sind immer interessant. Ich glaube, dass sie viel von ihrem Reiz verlieren würden, wenn ich genau wüsste, mit wem oder was ich der Rede. Aber es ehrt mich, dass du glaubst, ich könnte es verstehen. Sag mir nur eins: Habe ich recht, wenn ich in dir eine Freundin sehe? Habe ich recht, wenn ich glaube, dass du uns wohlgesonnen bist?"
Angela dachte einen Augenblick nach, dann antwortete sie: "Ich bin dem Gleichgewicht der Welt wohlgesonnen. Solange Du und deine Reiter dafür stehen, soll das mit der Freundschaft nicht an mir scheitern."
"Das genügt mir. Aber eine meiner Fragen hast du noch nicht beantwortet: Warum bist du gerade jetzt hier?"
Angela blickte einen Moment aus dem Fenster. Unwillkürlich fühlte sich Eragon an Oromis erinnert. Auch der alte elfische Drachenreiter hatte solche Pausen eingelegt und war mit seinen Gedanken scheinbar weit weg gewesen.
"Ich sehe viel Eragon. Mehr, als nur das, was das Licht meiner Augen berührt. Was ich dir jetzt sage, ist alles, was ich sagen kann zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Etwas dunkles Braut sich zusammen. Die Finsternis, die du vertrieben hast, hat ein Echo hinterlassen. Etwas ist im Gange. Irgend etwas sammelt seine Kräfte und testet seine Mittel. Es wird nicht heute losschlagen und auch nicht morgen aber schneller als wir alle gehofft haben. Kümmert euch um eure Schüler ihr beiden: Wenn dieser Sturm losbricht, und es ist unvermeidlich, dass er losbricht, werden sie eine wichtige Rolle spielen. Sorgt dafür, dass sie bereit sind."

1537 Wörter

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt