51. Ankunft in Ilirea

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Eragon betrachtete Ilirea von einer kleinen Anhöhe aus. Tarnzauber verbargen das Lager der Drachenreiter von neugierigen Blicken. Das ehemalige Zentrum von Galbatorix Macht hatte sich merklich verändert. Zwar umgab die Stadt noch immer eine starke Wehranlage, aber wirkte sie längst nicht mehr so bedrohlich. Kurz fragte sich der junge Anführer der Drachenreiter, ob es wohl nur seine persönliche Perspektive war, die sich gewandelt hatte. Als er die Stadt das letzte Mal in Augenschein genommen hatte, wusste er, dass die ultimative Herausforderung seines bisherigen Lebens hinter diesen Mauern lauerte.
Doch die Veränderungen gingen über die bloße Ausstrahlung dieses Ortes hinaus. Schwarz war die dominierende Farbe gewesen als Galbatorix der Herrscher dieses Ortes war. Unter Nasuada hatte sich das geändert. Besonders die Stadtmauern waren nun nicht mehr dunkle Bollwerke, sondern strahlten in einem Sandgelb, welches Mareks Drachendame Laorie bereits als sehr hübsch bewertet hatte, denn es kam der Farbe ihrer Schuppen nah.
Eragon fragte sich, ob ein wenig Eitelkeit ein genereller Charakterzug von Drachendame war. Dennoch sagen die Veränderungen auch ihm zu. Die Stadt strahlte immer noch Kraft und Macht aus doch schien nun das stumme Versprechen von Gerechtigkeit von diesem Ort auszugehen. Unter Galbatorix war Einschüchterung und Unterwerfung die Botschaft gewesen.
Inzwischen ging es auf den Mittag zu. Den Morgen über hatten die Drachenreiter das Ankommen der letzten Gäste zu den großen Feierlichkeiten beobachten können. Scharen von Bauern aus den umliegenden Dörfern waren durch das Stadttor geströmt. Auch das Ankommen von drei Ehrendelegationen hatten die Reiter beobachten können. Die ersten beiden waren durchaus Grund zur Freude gewesen. Nar Garzhvog war in Begleitung von 24 Kull bereits in den frühen Morgenstunden eingetroffen. Das Auftreten der Urgals hatte sich gewandelt. Sie alle trugen Rüstungen, die der von Tar durchaus ähnlich war. Die Panzer von Nar Garzhvog glänzen golden, während die seiner Begleiter wie poliertes Silber strahlten. Offenbar wollten die Urgals zeigen, dass ihre neuen Dienste als Begleitschutz und das fruchtbare Land, auf dem ihre Dörfer standen, ihrem Volk Wohlstand beschert hatte. Jeder der 24 Kull trug die Standarte eines Urgalstammes.
Die Stunde, welche sie für ihre Ankunft gewählt hatten, zeigte das ihr Kriegshäuptling immer noch mit Weisheit regierte. Die Straßen waren noch leer gewesen als die Urgals eintrafen. Offenbar wollte Nar Garzhvog zwar zeigen, dass sein Volk eine stolze Rasse war, die ihren Platz unter den Völkern gefunden hatte aber die Menschen auch nicht überfordern. Jahrzehntelanges Misstrauen verschwand nicht über Nacht.
Als die Reiter die Ankunft der Gehörnten verfolgten war nicht zu übersehen gewesen, das Tar äußerst stolz auf sein Volk war.
Einige Stunden später waren die Zwerge eingetroffen. Auch Orik war in Begleitung von 24 Mitgliedern seines Volkes. Er und seine Frau ritten an der Spitze des Zuges auf schneeweißen Ponys während ihre 24 Begleiter ihnen auf grauen Ponys folgten. Eragon war warm ums Herz geworden als er seinen Clanbruder Orik erkannte. Ein weiteres Gesicht von dem der junge Anführer der Reiter nicht geglaubt hätte es noch einmal in Fleisch und Blut vor sich zu sehen. Die Soldaten auf der Stadtmauer hatten die Zwerge mit Jubel begrüßt und Orik hatte ihnen die Ehre erwiesen, indem er ihnen mit seinem Kriegshammer Volund zu winkte.
Die letzte Abordnung war Eragon deutlich auf den Magen geschlagen. Orrin, der König von Surda zog in die Stadt ein. Er hielt es offenbar für nötig mit nicht weniger, als 50 Begleitern zu reisen. Allesamt schwer bewaffnet. Dazu ließ er Trommeln schlagen und Hörner blasen. Seine Leibwächter zogen allesamt ihre Schwerter blank und riefen laut den Namen ihres Königs als sie durch die Stadttore ritten. Eragon hatte über dieses übertriebene Schauspiel nur den Kopf schütteln können. Marek war weniger dezent gewesen und hatte sich die Frage erlaubt, ob der gute König an einer bestimmten Stelle zu kurz gekommen wäre und dies mit einem solchen Auftritt zu kompensieren suchte.
Der Bemerkung des jungen Drachenreiters war natürlich eine Welle der Erheiterung gefolgt. Eragon hatte diesen Moment aber auch genutzt, um seine Schüler zu warnen, dass sie sich in sehr unsicheres Gebiet wagen würden. Was ihnen bevorstand, würde sich deutlich von der Herzlichkeit und Ehrlichkeit unterscheiden, die ihnen in Carvahall zuteil geworden war.
Etwas wehmütig nach der Eragon an den Abschied von seinem Heimatdorf zurück. Jeder hatte es an diesem Abend als seine Pflicht angesehen sich persönlich von den Reitern zu verabschieden. Sie waren reich mit Vorräten ausgestattet worden und jede Art von Bezahlung war strikt abgelehnt worden. Besonders Ismira hatten "Onkel" Eragon und "Tante" Arya versprechen müssen sie bald einmal wieder zu besuchen.
Als der junge Anführer der Reiter so in Erinnerungen schwelgte, trat Tar neben ihm. Der erste Drachenreiter der Urgals trug bereits seine Rüstung, sowie das Abzeichen des Ordens.
"Verzeiht Meister, aber ihr wolltet informiert werden, wenn in der Stadt die Feierlichkeiten beginnen. Nasuada und die anderen Herrscher der Völker sind soeben auf das Podium getreten."
"Danke Tar. Ich komme." Eragon klopfte seinem Schüler auf die Schulter und zog sich dann gemeinsam mit ihm in die Senke zurück wo die Drachen lagerten. Im Zentrum der Senke hatten die Reiter durch Magie Wasser aus dem Boden aufsteigen lassen und verfolgten nun auf der spiegelnden Oberfläche was in Ilirea vor sich ging.
Arya trug wie Eragon ein Wams in der Farbe ihres Drachens, schwarze Stiefel und Hosen, ihr Schwert an der Hüfte und ihre dunkle Ratsrobe mit dem Abzeichen der Reiter. Auch Eragon hatte ein dem entsprechendes Äußeres für angemessen empfunden. Die drei jungen Reiter trugen ihre selbst hergestellten Rüstungen.
"Nasuada hat gerade ihrer Eröffnungsrede gehalten." Erklärte Arya als Eragon endgültig zu der Gruppe trat.
Der junge Anführer der Reiter nickte und verfolgte interessiert was nun weiterhin geschah. Zunächst sprach Maranus, der neue König der Elfen. Er trug eine weiße Robe und hatte seine silbergrauen Haare, anders als bei den meisten anderen Elfen, kurz geschnitten. Auch zeigte das Gesicht des Herrschers von Du Weldenvarden durchaus einige kleine Fältchen und Anzeichen von Alter. Eragon fasste dies als gutes Zeichen auf. Offenbar war bei diesem Elfen der äußere schöne Schein nicht soviel wert.
Die Rede des Königs war neutral und nüchtern. Er zeigte einige Probleme, auf die es noch gab und versicherte Nasuada, dass die Elfen Ihr bei der Lösung dieser Probleme zu Seite stehen würden.
Anschließend sprachen Orik und Nar Garzhvog. Beide würdigten sie Nasuadas große Leistungen im Krieg und versicherten sie ihrer Freundschaft.
Schließlich trat König Orrin vor.
"Vorsicht meine jungen Freunde." Warnte Eragon seine Schüler. "Jetzt bekommt Ihr einen Vorgeschmack davon, was uns bevorsteht und mit welchen Waffen dieser Kampf geführt werden wird."
Angespannte verfolgten die Drachenreiter die Rede des Königs. Orrins Stimme klang sanft und süß. Er war bei weitem kein so begnadeter Redner wie es Galbatorix gewesen war, doch wählte er seine Worte mit großem Geschick. Im ersten Teil seiner Rede würdigte auch er Nasuadas Leistungen konnte es jedoch nicht bleiben lassen auch seine immer wieder herauszustellen. Eine bestimmte Bemerkung leitete schließlich den Teil seiner Rede ein, bei dem Eragon fast schlecht wurde.
"Wie gesagt, Hoheit, Eure Leistungen sind mehr als respektabel. Besonders weil Ihr all dies vollbracht habt ohne einen Gatten an Eurer Seite." Nach diesen Worten legte Orrin eine kurze Pause ein und schien darauf zu warten, dass jemand über seinen Scherz lachte. Die Wenigen, die dem Herrscher von Surda diesen Gefallen erwiesen, taten dies, so hofft der Eragon, wohl aus reiner Höflichkeit. Er nickte den Reitern zu und wies sie damit an ihre Drachen zu besteigen. Sie waren Ilirea so nahe, dass einige kräftige Flügelschläge reichen würden um sie über die Stadt zu bringen. Orrin war der letzte in der Reihe der Redner und wie es mit Nasuada besprochen war rückte damit der Zeitpunkt näher, an dem die Reiter ihren Auftritt haben sollten.
Orrins Stimme war laut genug, dass Eragon seine Ergüsse auch von Saphiras Rücken verfolgen konnte.
"Trotz Eurer bemerkenswerten Leistungen verehrte Königin, kann ich nicht begreifen, wieso wir das verzweifelte Klagen Eures Volkes so ignoriert. Ihr Bürger des Reiches, ich mache mich hier zu Eurem Sprecher: Schon als die Klänge der letzten Schlacht des großen Krieges noch kaum verklungen waren zeigte sich, dass unsere elfischen Freunde aus dem Norden Euch als zukünftige Königin bevorzugten. Letztlich war es wohl ihre Fürsprache, die Euch zum Thron verhalf. Natürlich bin ich weit davon entfernt unseren geschätzten Verbündeten irgend eine böse Absicht unterstellen zu wollen. Natürlich ist es auch nur verständlich, dass ihre Dankbarkeit gegenüber den Elfen empfindet. Doch ich erlaube mir zu fragen wie weit geht Eure Dankbarkeit? Geht sie so weit, dass Ihr Euren treuesten Vasallen opfern würdet? Wenn nicht, so fragt sich das Volk doch mit Recht, wo er ist, der Schattentöter Eragon? Wir alle wissen, dass er in einem ärmlichen, kleinen Dorf im Norden aufgewachsen ist. Hier hätte man ihm alles zu Füßen gelegt, was man sich nur wünschen kann. Und doch hatte es angeblich vorgezogen zu gehen? Sicher, sicher Ihr habt verlauten lassen, dass er eine neue Heimat für das Drachenvolk sucht und den Orden der Reiter als Wächter über den Frieden wieder aufbauen will. Aber ich kann verstehen, dass es für einige schwer ist das zu glauben. Hätte er wirklich sein eigenes Volk so einfach zurückgelassen? In der Obhut einer noch sehr jungen Reiterin, die ihre Fähigkeiten, obwohl sehr überschätzt hat, als sie zustimmte nicht weniger, als die Königin ihres Volkes zu werden. Begreift Ihr nicht, dass das Volk zutiefst verunsichert ist? Es verlangt nach Antworten und ich sehe es als meine Pflicht an, diese Forderung in aller Demut an Euch weiterzuleiten."
- "Wenn Du Dich übergeben musst, Kleiner, dann bitte nicht auf meinem Rücken." - Knurrte Saphira.
Eragon konnte die Wut seiner Drachendame gut nachvollziehen. Auch er war über Orrins Unverfrorenheit in Rage geraten. Einiges von dem, was der König sagte, war blanker Unsinn. Arya mochte noch nicht lange eine Drachenreiterin sein aber sie war alt genug, um Orrins Großmutter zu sein. Die meisten der bohrenden Fragen des Volkes hätte Orrin einfach selbst beantworten können. Stattdessen heuchelte er ein Anwalt des Volkes zu sein. Seine Anspielung auf Aryas und Däthdrs Unterstützungen bei Nasuadas Thronbesteigung brachte immer noch viel Bitterkeit zum Ausdruck. Ohne Zweifel führte der König von Surda sich immer noch übergangen.
- "Nur keine Sorge Saphira. Ich ziehe es vor, dass was mir auf der Zunge liegt, lieber unseren Freund Orrin vor die Füße zu speien." -
Eragon fühlte wie sich Saphiras grimmige Vorfreude mit seiner eigenen vereinten. In der klaren Oberfläche des kleinen Tümpels erkannte der junge Anführer der Reiter, das Nasuada sich erhob. Es wurde Zeit.
"Ich bin gerührt von Eurer Sorge um das Volk König Orrin. Und keine Sorge: Die Fragen, welche Ihr aufgeworfen habt, sollen nun beantwortet werden. Mein geliebtes Volk: ich darf nun unsere letzten Ehrengäste begrüßen. Ihr Kommen ist eine Überraschung, die ein Geschenk an uns und alle hier versammelten Völker sein soll."
Kaum hatte Nasuada zu Ende gesprochen, als Eragon Saphira und seinen Begleitern das Zeichen zum Aufbruch gab. Mit donnerndem Brüllen erhoben sich sieben Drachen in den Himmel. Saphira führte die Formation an, Fírnen und Arya flogen rechts hinter Ihr, während Tar und Aroc sie zur Linken flankierten. Im Anschluss folgten Narie und Marek und schließlich schlossen sich auch Hidalgo und Vervarda der Formation an.
Tatsächlich genügten einige Flügelschläge, um die mächtigen Wesen über die Hauptstadt von Alagaësia zu bringen. Dort begannen sie zunächst zu kreisen. Eragons geistige Führer offenbarten, dass große Aufregung das Volk ergriffen hatte.
Kurz überzeugte Eragon sich davon, dass alles so war wie es mit Nasuada besprochen worden war. Hinter dem Rednerpult erhob sich die Residenz der Königin. Zwischen dem Sitz der Herrscherin und dem wartenden Volk war durch Wachsoldaten eine gewisse Fläche freigehalten worden. Dort setzten nun die Reiter zur Landung an. Saphira setzte hinter dem Rednerpult auf, während die anderen Drachen, die Reiter trugen, rechts und links des Podiums landeten. Fírnen und Aroc auf der rechten Seite, Kira und Laorie auf der Linken. Vervarda und Hidalgo positioniert sich rechts und links neben ihrer Mutter.
- "Viel Glück Kleiner." - Flüsterte Saphira in die Gedanken ihres Reiters als dieser sich von ihrem Rücken gleiten ließ.
Eragon war für den Zuspruch mehr als dankbar, da seine Beine derzeit in etwa die Konsistenz von warmem Wachs hatten. Als die blaue Drachendame dies merkte, schickte sie einige Erinnerungen in den Geist ihres Reiters. Es waren Auszüge aus Orrins Rede sowie der völlig übertriebener Einzug des Königs von Surda in die Hauptstadt. Eragon kam nicht umhin Wut zu empfinden als er diese Bilder sah.
- "Gut Kleiner! Benutzt das Gefühl." -
Eragon schmunzelte in sich hinein und machte sich daran das Podium zu erklimmen. Überraschte Gesichter, auf denen die verschiedensten Reaktionen ablesbar waren empfingen ihn. Mit Genugtuung stellt der junge Anführer der Drachenreiter fest, dass König Orrins Gesicht inzwischen die Farbe einer schimmligen Scheibe Brot angenommen hatte. Am unbewegtesten waren die Gesichtszüge der Elfen. Doch ihre Blicke glitten ständig zwischen Eragon und König Orrin hin und her. Eine gewisse Befriedigung ließ sich auch durch die Disziplin des schönen Volkes nicht verbergen. Orik schien kurz davor zu sein, in schallendes Gelächter auszubrechen und sich kräftig auf die Schenkel zu klopfen. Eragon nickte seinem Clanbruder kurz zu als er an ihm vorbeischritt. Schelmisch blitzten die Augen des Zwergs.
Nar Garzhvogs Blick brauchte einige Augenblicke um sich von Tar und seinen Drachen Aroc zu lösen. Als er Eragon schließlich in die Augen blickte, sah dieser etwas, was er noch bei keinem Urgal gesehen hatte. Ein feuchter Glanz der Rührung. Der Kriegshäuptling präsentierte schließlich Saphiras Reiter nicht nur seine verwundbare Kehle, sondern schloss bei der Geste auch die Augen. Eragon atmete tief ein. Eine höhere Geste der Ehrung und des Vertrauens gab es bei den Gehörnten nicht. Der Kull entblößte nicht nur eine verwundbare Stelle, sondern schloss die Augen und gab damit sein Leben ganz in die Hände seines Gegenübers. Als sich die Blicke der Beiden wieder trafen war es Eragon, der seine Kehle darbot und die Augen schloss. Als sein Blick wieder zu Nar Garzhvogs Gesicht zurückkehrte, lag eine tiefe Dankbarkeit im Blick des Urgal-Herrschers.
Schließlich trat Eragon, mit Nasuadas Erlaubnis, vor das Volk. Er erkannte, dass unter den Zuhörern nicht nur Menschen waren, sondern Vertreter aller Völker zu diesem Feiertag nach Ilirea gereist waren.
Der junge Anführer der Reiter räusperte sich kurz und begann dann mit durch Magie verstärkter Stimme zu sprechen:
"Vertreter aller Völker Alagaësias, ich spreche heute zu Euch als neuer Anführer des Ordens der Drachenreiter. Auch uns wurde von den Sorgen berichtet, die Eure Herzen erfüllen. Lange Zeit waren die Völker getrennt durch die eiserne Klaue eines Tyrannen. Dort in der Felsklippe, welche noch immer über der Stadt thront, sind die Reste seiner schwarzen Zitadelle begraben. Die Mauern, die errichtet wurden um das Böse fernzuhalten, was dort immer noch umgeht, sind wie eine Narbe im Gesicht dieser Stadt und dieses Landes. Viele von Euch fragen sich warum bin ich gegangen, anstatt einen Titel für mich zu beanspruchen oder mich selbst zum König zu krönen. Meine Antwort habe ich zum Leitsatz des neuen Ordens der Reiter werden lassen. Außer Drachenreiter werde ich keinen Titel führen. Galbatorix Herrschaft ist ein einziges Testament an die Richtigkeit dieser Entscheidung. Jeder Titel hätte mir mehr Macht gegeben und Macht sollte nicht zu sehr an einem Ort konzentriert werden. Ihr seht hier die neun Mitglieder des Ordens der Reiter versammelt. Warum erweisen wir Nasuada unseren Respekt durch unseren Besuch? Weil sie bereits das ist, was der neue Orden der Reiter in Zukunft für alle Völker Alagaësias sein soll: eine Dienerin des Volkes. Sie herrscht für Euch nicht über Euch. So will es auch der neue Orden der Reiter halten. Wenn wir gerufen werden und helfen können so wollen wir es gerne tun. Doch wir werden niemandem unsere Denkweisen, Überzeugungen oder Regeln aufzwingen. Auch werden wir nicht zulassen, dass ein Volk dies bei den anderen Völkern versucht. Doch ich schweife ab. Warum bin ich gegangen? Zum einen um den Orden der Reiter neu zu gründen, zum anderen um das Drachenvolk eine neue Heimat zu geben. Ihr könntet fragen, warum das nicht hier möglich war. Ganz einfach! Damit die Reiter wahrlich neutral sein können und allen Völkern in gleichem Maße verpflichtet sind und dienen können, müssen wir unabhängig sein. Sicher hätte die Königin uns Land zur Verfügung gestellt, wo wir den Orden hätten begründen können. Doch das hätte uns in ihre Schuld gestellt. So wäre es auch gewesen, wenn uns die Zwerge Unterkunft gewährt hätten oder die Urgals oder die Elfen. Der Ort, an dem der Orden der Reiter wiedergeboren werden konnte, musste wie seine einstige Heimat, die Insel Vroengard, isoliert sein. Der Ort, an dem wir uns niederließen, trägt nun den Namen Ostmark. Er liegt in den Weiten, die sich jenseits der großen Wüste erstrecken und wird hoffentlich einmal den gleichen Respekt auslösen wie der Name Vroengard bis heute in Geschichten und Legenden tut. Heute sind wir hier, um Euch und Euren Herrschern eine einfache Botschaft zu überbringen: Wie Ihr seht, stehen wir noch am Anfang unserer Wiedergeburt, doch die Kraft, das Wissen und die Freundschaft, zu der wir heute schon in der Lage sind, stellen wir hiermit in den Dienst jedes einzelnen von Euch. Es ist uns eine Ehre heute unter Euch sein zu dürfen."
Mit diesen Worten endete Eragons Rede und der junge Anführer der Drachenreiter verneigte sich vor dem versammelten Volk. Gleichzeitig senkten auch die Reiterdrachen ihre mächtigen Häupter und ihre Seelengefährten legten die rechte Hand auf ihre jeweilige Brust und senkten die Köpfe.
Ein Augenblick herrschte atemlose Stille beim Volk ob dieser Ehrung, dann brach begeisterter Beifall los.
Eragon blickte zu Saphira hinüber und nickte kurz. Die blaue Drachendame stieß ihre Tochter Vervarda liebevoll mit der Schnauze an und die junge Wilde trat hinter das Podium. Behutsam legte sie ihre Vorderpfoten auf das stabile Gerüst und erhob sich so über alle Anwesenden. Der Beifall verstummte und alle Augen waren auf die junge Drachendame gerichtet. Hidalgo hatte seiner Schwester diese Pflicht abgetreten, da sie, wie er sagte, einfach mehr von der Würde ihrer gemeinsamen Mutter geerbt hatte.
Während Stille sich ausbreitete, wirkte er Eragon schnell einen vorbereiteten Zauber. Ähnlich wie bei den Eldunari in der Ratshöhle wurde Vervarda damit ermöglicht ihre Worte durch die Ihr innewohnende Kraft für alle hörbar zu machen.
"Ich bin Vervarda Saphiratochter!" Ließ sich ihre Stimme schließlich vernehmen. Wie die Stimme, die sie in die Gedanken anderer sandte, waren ihre Worte kraftvoll und doch von überirdischer Eleganz. "Wie euch mein Name verrät, stamme ich von der Drachendame ab, die einst hier in dieser Stadt für eure Freiheit kämpfte. Ich trage keinen Reiter. Ich bin der Beweis in Fleisch und Blut, das die Drachen nicht nur als exotische Transportmittel, sondern auch als Volk wieder in Alagaësia wandeln. Für meine wilden Artgenossen spreche ich hier. Ich bin stolz an diesem Tag der Freude und des Sieges bei euch zu sein und diese Feier zu begehen. Begeisterung, Frohsinn und das Gefühl der Freiheit wohnen heute in allen Herzen. Möge es ein gutes Omen sein, dass diese Gefühle vorherrschen an dem Tag, an dem zum ersten Mal seit 100 Jahren wieder ein wilder Drache seinen Fuß auf diese Erde setzt."
Im Anschluss an ihre Worte entfesselte Vervarda eine Welle von Wohlwollen und Sympathie die tief aus ihrem Herzen kam. Wie eine warme Woge spülten ihre Gefühle über die Anwesenden hinweg.
Als die junge Drachendame wieder an ihren Platz getreten war, richteten sich alle Drachen zu ihrer vollen Größe auf und entfesselten ihr Feuer. Sieben Flammenzungen leckten in den Himmel und brachten die Menge zum Staunen.
Als das Feuer verebbte, brandete erneut Beifall auf. Getragen von der stürmischen Begeisterung des Volkes erwartete niemand, dass der Applaus, sobald verklingen würde.


3198 Wörter

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt