45. Eine wichtige Frage

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Nach dem Roran und Eragon sich wieder gefangen hatten, war der Anführer der Drachenreiter mehr als herzlich in das Herrenhaus eingeladen worden. Alberich hatte sich verabschiedet und versprochen dafür zu sorgen, dass seine Eltern sich wirklich etwas Zeit ließen.
Katrina verschwand in Richtung Küche, um etwas Tee zuzubereiten während Roran und Eragon es sich in der Wohnstube bequem machten. Es handelte sich um ein einfaches aber gemütlich eingerichtetes Zimmer. An den Wänden hingen einige geschmackvolle Bilder, der Boden war mit weichem Teppich ausgelegt und durch zwei große Fenster fiel eine angemessene Menge Licht in den Raum. Eine Wand wurde fast vollständig von einem Kamin beansprucht. Zwei mit Wappen versehene Schilde hingen über den Kamin.
Das eine Wappen war die Standarte der Varden. Ein weißer Drache auf blauem Grund, der eine Rose über ein Schwert hielt. Das nach unten spitz zulaufende Wappen war im unteren Drittel violett gehalten. Das zweite Wappen war Eragon unbekannt. Es handelte sich, um einen blauen Drachen, der über einem Hammer zu schweben schien. Der Drache hüllte den Hammer mit seinem Feuer in ein majestätisches Licht. Der Kopf des Hamas war golden während der Hintergrund in einem schlichten Braun gehalten war.
"Ist das dein Wappen, Herr Graf?" Wollte Eragon wissen als sie sich in bequeme Sessel vor dem Kamin setzten.
"Hör mir bloß auf mit dem Herr Graf!" Drohte Roran halb lachend. "Ich bin immer nur nicht sicher ob mir Nasuada damit einen Gefallen tun oder mich bestrafen wollte. Um deine Frage zu beantworten Eragon: Ja, das ist in der Tat das Wappen, das ich mir zulegen musste. Alle Adelsfamilien werden in ein Stamm- und Wappenbuch aufgenommen. So auch wir. Glaub es oder lass es bleiben: Das ist noch das dezenteste, was mir vorgeschlagen wurde. Einige Entwürfe waren, wie soll ich sagen, von einer etwas übertriebenen Vorstellungen geprägt."
Die beiden jungen Männer mussten lachen.
"Wo hast du denn eigentlich Saphira gelassen? Sagt nicht, du bist hierher gelaufen."
"Nein, Saphira wartet noch draußen im Wald. Ich werde Sie rufen, sobald Ismira wieder hier ist. Ich denke meine bezaubernde Nichte würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihr die Ankunft der Drachendame vorenthalte. Du kannst wirklich stolz auf deine Tochter sein. Sie ist ein richtiger kleiner Sonnenschein."
Roran nickte etwas abwesend.
"Da hast Du recht. Ich bin auch sehr stolz auf sie. Energie hat sie allerdings für zwei. Daher haben Katrina und ich uns auch entschieden mit weiteren Kindern zu warten bis sie etwas älter ist. Solange wir alle ein wachsames Auge auf sie haben, gelingt es die Zerstörungen in Grenzen zu halten."
"Wer redet hier so über meine engelsgleiche Tochter?" Ereiferte sich Katrina als sie mit einem Tablett den Raum betrat. Der Kräutertee in der einfachen aber eleganten Kanne roch wunderbar und Eragon nahm die Tasse die Katrina ihm reichte dankend an.
Katrina setzte sich neben Roran und nachdem alle einen Schluck getrunken hatten, ergriff dieser das Wort: "Also, was für den ruhmreichen Schattentöter zu uns?"
"Nun edler Hammerfaust, zum einen wollte ich natürlich meine Familie besuchen." Erklärte Eragon lachend. "Aber ich glaube nicht, dass du es mir verziehen hättest, wenn ich bei der Jubiläumsfeier zu Nasuadas Thronbesteigung aufgetaucht wäre, ohne vorher euch zu besuchen."
"Deshalb bist du also hier? In Alagaesia meine ich. Versteh das nicht falsch Bruder aber du schienst damals so sicher, dass du nie zurückkehren würdest. Was hat sich geändert?"
Eragon fühlte sich geehrt, dass Roran ihn nach wie vor Bruder nannte. Bereits auf den brennenden Steppen waren sie dazu übergegangen sich nicht mehr als Cousins, sondern als Brüder zu betrachten. Trotzdem berührte es ihn immer wieder.
"Nun, sagen wir einfach unsere Freundin Angela hat mal wieder gezeigt, dass sie voller Überraschung ist. Ich kann nicht versprechen, dass ich euch so oft besuchen werde wie ich es gerne möchte, aber ein lebt wohl wird es zwischen uns nicht mehr geben."
Sowohl Roran als auch Katrina schien diese Nachricht besonders zu freuen.
Eragon fuhr fort: "Der Grund, warum wir uns entschlossen haben Nasuada eine Aufwartung zu machen ist ganz einfach: Mein Fortgang war für viele Menschen schwer nachzuvollziehen. Auch das Arya, trotz ihrer Berufung zur Reiterin, Königin ihres Volkes wurde hat ein tiefes Misstrauen bei vielen Menschen hervorgerufen."
"Das stimmt leider." Bestätigte Katrina. "Bevor Arya abgedankt hat, war es wirklich schlimm. Weißt du noch?"
Die Frage der jungen Frau richtete sich an Roran. Dieser brummte nur unwirsch.
"Einmal hat sich ein wütender Mob zusammengeschlossen und ist vor unserer Haustür aufgetaucht. Die Leute wollten, dass Roran, als dein Cousin, sie im Kampf gegen die Elfen angeführt. Sie waren überzeugt, dass die dich gefangen hielten und Nasuada erpressten Entscheidungen in ihrem Sinne zu treffen."
"Ja so war das." Knurrte Roran wütend. "Ich hab ihnen diesen Zahn natürlich schnell gezogen. Verrückte Ideen hatten die! Wollten Feuer im Wald der Elfen legen, so oft und so lange, bis die dich freigelassen würden."
Eragon schüttelte fassungslos den Kopf.
"Gut, dass Du sie davon abgebracht hast Roran. Das hätte ein Blutbad gegeben, und zwar völlig sinnlos."
"Zum Glück hat Arya dann recht bald abgedankt. Ich dachte damit hätte sich die Sache erledigt. Hier ist nichts mehr in dieser Art passiert."
Eragon seufzte und nahm noch einen Schluck Tee.
"Leider war es damit eben noch nicht erledigt. Es gibt immer noch viele Gerüchte über die Elfen. Scharlatane verkaufen irgendwelche Wundermittel, die vor ihnen schützen sollen. Zerstoßene Rabenschädel und ähnliches, wirkungsloses Zeug. Das allein hätte mich natürlich nicht zur Rückkehr bewogen. Solche Betrüger hat es immer gegeben und wird es wohl auch immer geben. Leider erstrecken sich diese Vorurteile bis in den Adel und gewisse Leute nutzen die Angst der Menschen aus, um Nasuadas Position zu schwächen. Allen voran der verehrter König von Surda."
"Dieser Trottel Orrin?!"
"Roran!" Ermahnte Katrina.
"Was?! Es ist eine treffende Beschreibung für diesen Kerl. Du hast doch auch gehört, was er sich für ein neues Gesetz ausgedacht hat."
Katrina nickte betreten.
"Was für ein Gesetz?" Wollte Eragon wissen.
Roran lachte kurz und bitter auf, dann begann er zu berichten: "Der König von Surda, ist auf eine neue Idee gekommen, wie er Verbrechen in seinem Land bestrafen lässt. Es gibt das normale Gesetz, das bereits fast lächerlich streng ist, aber es gibt auch eine sogenannte Sonderstrafzone. Diese Zone wechselt täglich den Ort. Nur den Ordnungskräften ist bekannt, wo die Zone gerade ist. Wer innerhalb der Zone ein Verbrechen begeht, erhält keinen Prozess und die einzige Strafe, egal wie gering das Vergehen auch immer sein mag, ist der Tod."
Eragon verschluckte sich an seinem Tee. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein!
Roran schien die Gedanken seines Cousins zu erraten und schüttelte den Kopf.
"Das ist kein Scherz. Selbst wenn ein verhungerndes Kind, einen halb verfaulen Apfel aus einer Mülltonne stiehlt würde dieses Kind zum Tode verurteilt werden."
"Ich weiß nicht, was ich oder der Orden der Reiter da tun kann aber ich werde da auf jeden Fall nachhaken. Das ist doch Irrsinn." Knurrte Eragon wütend. "Es ist wohl wirklich gut, dass sie Nasuada etwas den Rücken stärken."
"Auf jeden Fall!" Bestätigte Katrina.
"Wen meinst du eigentlich mit wir? Dich und Saphira?" Wollte Roran wissen.
"Nicht nur." Lächelte Eragon. "Da sind auch noch Arya und Fírnen, unsere drei Schüler und ihre Drachen und Saphiras Kinder. Zwei wilde Drachen namens Vervarda und Hidalgo. Ich will euch nicht erschrecken, aber die werdet ihr morgen wohl kennenlernen. Sie haben mir gewissermaßen einen Tag Vorsprung gegeben, damit wir uns erst einmal richtig aussprechen können. Zu Nasuadas Feier wird sich nicht nur ein Reiter präsentieren oder zwei. Der gesamte neue Orden der Reiter wird sich vorstellen und auch das wieder auferstandene Drachenvolk wird der Königin ihre Aufwartung machen."
"Na das wird ja ein Fest!" Roran lachte schallend. "Der arme König Orrin. Das wird der Schock seines Lebens!"
Während die beiden Cousins sich noch über die Aussichten amüsierten, betrachtete Katrina ihren Schwager plötzlich mit einem wissenden Grinsen.
"Was ist los, Liebste?" Wollte Roran wissen als in das Verhalten seiner Frau auffiel.
"Du musst lernen besser zuzuhören Roran." Erwiderte Katrina verschwörerisch. "Wir haben uns doch gefragt, wohin Arya gehen wird, nun da sie nicht mehr Königin ist. Ich schätze jetzt wissen wir es. Eragon sprach davon, dass sie mit ihm reist und er erwähnte auch, dass diese drei anderen Drachenreiter nicht seine, sondern ihre gemeinsamen Schüler sind."
Nun erschien auch auf Rorans Gesicht ein wissendes Lächeln.
"Deine Frau ist nicht nur schön, sondern auch klug Roran. Ich nehme an, leugnen ist zwecklos?" Fragte er Eragon und spürte wie ihm Blut in die Wangen schoss.
"Wenn du deine Farbe so wechselt Bruder, dann ja!" Lachte Roran und Katrina stimmte mit ein. "Also hast du dir auch deine Herzdame eingefangen."
"Was heißt denn hier bitte auch?" Fragte Katrina spitz und bohrte ihren Zeigefinger in die Schulter ihres Gatten. "Wer hat hier bitte wen gefangenen Roran Garrowssohn?"
"Du mich!" Erklärte Roran ergeben.
"Schon besser!" Katrina schien befriedigt. "Das hat mir Elain schon am Tag unserer Hochzeit mit auf den Weg gegeben: Man muss euch Männern immer klarmachen, wer das Sagen hat, sonst gibt es nur Unannehmlichkeiten!"
Während Eragon krampfhaft bemüht war nicht zu lachen, zuckte Roran nur mit den Schultern.
"Wie Du schon gesagt hast: nicht nur schön, sondern auch klug."
Versöhnt ließ Katrina zu, dass ihr Mann sie zärtlich küsste.
"Es ist nur schade, dass Du und Arya wohl nicht heiraten werdet." Sagte die junge Frau anschließend. "Es stimmt doch, dass Elfen das nicht tun, oder?"
"Das ist richtig aber auch bei ihnen gibt es Schritte, die eine Bindung festigen und sich nicht so einfach wieder auflösen lassen. Arya und ich wollen einen solchen tun aber dazu bräuchte ich eure oder besser gesagt deine Hilfe Katrina."
Sowohl Roran als auch Katrina blicken den jungen Anführer der Drachenreiter interessiert an und forderten ihn damit auf weiter zusprechen.
"Wenn Gefährten sich so nahe gekommen sind wie Arya und ich, dann gilt es als hoher Liebesbeweis, wenn der eine den andern in seiner Familie aufnimmt. Ich würde Arya gerne in unserer Familie aufnehmen aber ich kann das nicht entscheiden. Die Elfen gliedern sich in einzelner Häuser auf. Mitglied eines Hauses zu sein hat eine hohe Bedeutung. Man steht für einander ein, ist für einander da und hilft sich so gut man kann."
"Also im Grunde fast wie bei uns." Bemerkte Roran.
Eragon nickte und fuhr fort: "Katrina, du bist das älteste weibliche Mitglied meiner Familie. Damit kannst nur Du Arya Aufnahme in unserer Familie gewähren oder sie verweigern. Ich möchte dich und natürlich auch dich Roran bitten Arya aufzunehmen. Antwortet nicht vorschnell. Aufnahme in ein Haus bedeutet, dass Arya ein Teil von unserer Familie bleibt, auch wenn unsere Lebensgefährtenschaft eines Tages enden sollte. Das kann ich mir zwar nicht vorstellen aber es ist mir wichtig, dass euch die Tragweite einer solchen Entscheidung klar ist."
"Was wäre Arya den dann genau? So etwas wie meine Schwägerin?" Wollte Katrina interessiert wissen. Zu Eragons Erleichterung wirkten weder sie noch Roran ablehnend.
"Schwägerin trifft es nicht ganz. Wie gesagt ihr Status ist unabhängig von ihrer Beziehung zu mir. Genau kann man das aus der Sprache der Elfen nicht übersetzen. Am nächsten käme der Sache wohl: Adoptivschwester."
Katrina lächelte.
"Ich hab mir schon immer eine Schwester gewünscht."
"Wie gesagt, es ist eine große Verpflichtung aber ich wäre euch sehr dankbar, wenn Arya hier immer ein zu Hause finden würde. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt und ihre Mutter ist buchstäblich in den letzten Minuten des Krieges getötet worden. Sie hat zwar noch Verwandte, aber die gehören zu einem anderen Haus und ein Mitglied dieses Hauses hat sie tief verletzt. Sie hat im Grunde niemanden mehr. Dazu kommt noch, dass viele Mitglieder ihres Volkes ihrer Beziehung zu mir sehr skeptisch gegenüberstehen."
"Und warum das bitte?" Roran schien es als persönliche Beleidigung aufzufassen, dass jemand seinen Cousin für nicht gut genug hielt.
"Arya ist Mitglied des Hochadels der Elfen. Ich sehe ihn zwar ähnlich und habe viel geleistet, aber ich bin eben keiner von ihnen."
"Offensichtlich, gibt es Hornochsen und Dickschädel in jedem Volk." Knurrte Roran.
"Wohl wahr." Murmelte Eragon. "Es ist einfach so, dass Arya immer ein Teil von meinem Leben sein wird, ganz gleich, was die Zukunft bringt. Ich kann mir nicht vorstellen sie irgendwann nicht mehr zu lieben. Aber es könnte mir auch einmal etwas passieren. Ich möchte, dass sie einen Ort hat, an dem sie immer willkommen ist und es Menschen gibt, die sich um sie kümmern. Arya ist stark und unabhängig aber in der Zeit, die wir nun zusammen sind, habe ich auch gelernt, wann ihre Stärke und Unnahbarkeit nur eine Maske ist, hinter der sie sich versteckt. Jeder braucht jemanden und ich würde mir wünschen, dass wenn sie Unterstützung braucht sie bei euch findet. Ich könnte mir niemand besseren vorstellen. Niemanden dem ich in dieser Hinsicht mehr vertraue."
Schweigen breitete sich in dem gemütlichen Raum aus. Kein unangenehmes Schweigen. Jeder war sich einfach der Tatsache bewusst, wie viel Vertrauen Eragon gerade Roran und Katrina entgegengebracht hatte. Eragon versuchte auf den Gesichtern seines Cousins und seiner Frau zu erkennen, was sie dachten. Was er sah, gab ihm Hoffnung. Roran blickte Katrina mit einem gütigen Lächeln an und nickte stumm. Die junge Frau erwiderte das Lächeln und Eragon stellte fest, das ihre Augen feucht glänzten.
Die Stille wurde erst unterbrochen, als vom Flur her Stimmen zu hören waren. Schnell erkannten alle Anwesenden, dass Horst und Elain eingetroffen waren. Auch Ismira, Hope und der Rest der Familie des Schmids schien sich der Wohnstube zu nähern.
"Wunderbar!" Sagte Katrina. "Elain ist genau die Frau, mit der jetzt reden muss. Wir haben schließlich nur bis morgen Abend Zeit um das Fest zu planen. Keine Widerrede Eragon! Es ist mir egal, ob man die Aufnahme in ein Haus feiert oder nicht. Wenn ich Arya in unserer Familie begrüßte, und das habe ich vor, dann wird das gefeiert."
Roran hob seine Tasse und prostete Eragon zu.
"Da hörst du's! Die Entscheidung gefallen. Jeder Widerstand sinnlos, jede Diskussion überflüssig."



2237 Wörter

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt