38. Abschied

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Weder Eragon noch Arya brauchten lange um sich anzukleiden. Während die ehemalige Elfenprinzessin schon ins Freie trat, holte Eragon noch zwei Bücher aus seinem Arbeitszimmer, welche er Murtagh mitgeben wollte.
Als auch der junge Anführer der Drachenreiter ins Freie trat, herrschte Aufbruchstimmung und geschäftiges Treiben erfüllte die Schlüpflingswiese.
Arya stand bei Bloedhgram und den andern Elfenmagiern. Sie verabschiedeten sich gerade von zwei Mitgliedern ihrer Gruppe. Ein männlicher Elf mit Namen Enerun und seine Gefährtin Talea hatten sich gemeldet die neue Brutgruppe der wilden Drachen zu begleiten. Bereits am Tag vorher hatte Cuaroc der Wächter jedem der Beiden jeweils zwei Eldunari anvertraut. Die beiden Elfen hatten vor dem Rat geschworen die Seelen dieser Drachen zu schützen und die Macht der Seelenhorte lediglich zur Verteidigung der wilden Drachen zu nutzen.
Am Himmel kreisten bereits Rahner und seine Gefolgschaft. Ihre mächtigen Schwingen erfüllten den Himmel mit einem Brausen und Tosen, sodass es schwierig war auf Entfernung ein Wort zu verstehen.
Hidalgo und seine Schwester Vervarda hockten neben der Höhle ihrer Eltern und blickten zum Himmel empor. Eragon spürte, dass Saphira dieser Anblick besorgt machte.
- "Rede mit den Beiden über deiner Angst." - riet Eragon seiner Drachendame. - "Sonst drücken deine Sorgen dich nur nieder." -
Saphira schickte ihm ein Gefühl von Dankbarkeit und näherte sich tatsächlich ihren Kindern. Ihr Reiter kam nicht umhin sich zu fragen, ob sie vielleicht nur auf eine Erlaubnis gewartet hatte.
- "Ihr seht ihnen so sehnsüchtig zu, wollte sie begleiten?" -
Saphira war bemüht gewesen ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben, aber Eragon kannte seine treue Begleiterin besser. Die Frage fiel ihr alles andere als leicht und so mächtig Saphira auch sein mochte: Ein wenig fürchtete sie die Antwort.
- "Wie kommst du denn darauf Mutter?" - Fragte Vervarda und schüttelte verwirrt den Kopf.
Saphira brummte nur etwas versonnen.
Während Hidalgo leise in sich hineinkicherte setzte sich Vervarda neben ihrer Mutter und rieb sich tröstend am Hals der blauen Drachendame.
- "Keine Angst, so leicht wirst du uns nicht los. Außerdem glaube ich nicht, dass wir unter wilden Drachen besonders glücklich wären." -
- "Wieso das denn nicht?!" - Saphiras Stimme klang nun, als hätte man sie persönlich beleidigt. - "Du und dein Bruder ihr seid beide prächtige Jungdrachen. Ihr müsst keine Konkurrenz fürchten! Ihr habt meine Schönheit und das Feuer eures Vaters" - während sich Vervarda sichtlich über das Kompliment ihrer Mutter freute und etwas ihre Flügel zurecht zupft, ergriff Hidalgo das Wort: - "Das ist es nicht. Aber ist dir nicht aufgefallen Mutter, dass wir etwas anders im Verhalten sind als die andern wilden Drachen?
Wir sind mehr so wie Vater und Du. Das liegt ganz einfach daran, dass erst du allein und dann auch Vater uns in besonderem Maß umsorgt habt. Sicher habt ihr keinen der Anderen vernachlässigt, aber wie sagen die Zweibeiner:
Blut ist dicker als Wasser. Unser Platz ist hier bei euch und bei den Reitern. Es werden immer mehr Reiter werden und dann kann es nicht schaden, wenn hier ein paar Drachen leben, die die Wilden zwar verstehen aber sich ebenso gut mit der Denkweise von Zweibeinern auskennen." -
Saphira freute sich sichtlich über die Antwort ihrer Kinder und liebkoste beide zärtlich mit der Schnauze.
Dezent zog sich Eragon aus ihren Gedanken zurück und ließ ihr diesen Moment der Familie. Insgeheim fragte sich der junge Anführer der Reiter natürlich, ob die Entscheidung von Hidalgo und Vervarda nicht auch etwas mit Kira und Aroc zusammenhing.
Der jüngere von Selenas Söhnen trat schließlich zu Murtagh und Dorn.
Der Reiter des roten Drachens war gerade dabei den Proviant, den man ihm zur Verfügung gestellt hatte sicher in den Satteltaschen seines Drachens zu verstauen. Als er Eragon sah, winkte er ihm von Dorns Rücken freundlich zu.
"Hier, damit Du was zu tun hast."
Eragon musste sich inzwischen strecken, um vom Boden aus noch die Hand seines Bruders zu erreichen. Gerade noch schaffte er es aber, trotz Dorns beeindruckender Größe, die beiden Bücher zu übergeben. Gespannt beobachtete Eragon die Reaktion seines Bruders als dieser die Titel überflog. Verständnislos hob der Dunkelhaarige die Augenbrauen.
""Das Verhalten von wilden Drachen" kann ich ja noch verstehen aber was soll ich bitte mit einer "Sammlung von elfischen Liebesgedichten"?"
Dorn konnte ein heiseres Lachen nicht unterdrücken als er den Titel des Buches hörte. Die Heiterkeit seines Drachen schüttelte Murtagh kräftig durch.
"Dir werden diese Gedichte vielleicht weniger bedeuten aber ich könnte mir vorstellen, dass es in deinem Leben jemanden gibt, dem Du vielleicht daraus vorlesen kannst."
Eragon grinste vielsagend zu Murtagh hinauf. Befriedigt beobachtete er, wie die Wangenfarbe seines Bruders mehr und mehr begann Dorns Schuppen zu ähneln.
Murtagh presste ein verlegenes "Danke" hervor und verstaut die beiden Bücher in den bereits übervollen Satteltaschen.
"Wo wir gerade von Nasuada sprechen,..."
"Ich meinte eigentlich Dorn, aber wenn du über Nasuada sprechen willst..."
"Vorsicht kleiner Bruder, treibt es nicht zu weit." Drohte Murtagh, kehrte dann aber zum Thema zurück. "Ich habe gestern noch mit ihr gesprochen. Ich habe ihr von deinem Vorschlag erzählt und sie war begeistert. Es ist eine Weile her, dass ich sie so euphorisch gesehen habe.
Sie bitte dich, so bald wie möglich mit ihr in Verbindung zu treten damit ihr Einzelheiten besprechen könnt. Am besten meldest du dich am frühen Abend. Sie sei meist allein in ihrem Arbeitszimmer und geht noch einige Dokumente durch."
"Gut, ich werde die Angelegenheit gleich mit dem Rat besprechen und vermutlich noch heute Abend kontaktieren." Nickte Eragon.
"Was wollt ihr mit dem Rat besprechen Meister?"
"Und wen kontaktieren?"
Die neugierigen Fragen kam von Narie und Marek die gemeinsame Tar und ihren Drachen nun ebenfalls erschienen waren, um von der Gruppe der wilden Drachen Abschied zu nehmen.
"Das werdet ihr zur richtigen Zeit erfahren." Legte Arya mit strenger Stimme fest als sie gemeinsam mit den Elfenmagiern zum Rest der Gruppe trat. Eragon schmunzelte in sich hinein. Was Strenge und Autorität betraf, hatte Arya ihm einiges voraus. Selbst Marek nickte nur und versuchte keine weitere Diskussion zu beginnen.
Während Dorn und Kira ihre Köpfe aneinander rieben und sich so voneinander verabschiedeten, traten Enerun und Talea auf Eragon zu.
"Meine Gefährtin und ich wollten uns auch noch von euch verabschieden Schattentöter." Setzte der männliche Elf an.
"Es war uns eine Ehre mit euch zu kämpfen und für das Überleben der Drachen einzutreten." Vollendete Talea.
Eragon verneigte sich respektvoll vor den beiden und sagte:"Die Ehre war ganz auf meiner Seite. Ich hätte mir keine bessere Unterstützung wünschen können. Ich hoffe, dass das Glück weiterhin euren Weg begleitet und wir uns eines Tages wieder sehen. Ich betrachte jeden aus eurer Gruppe, die mich durch den Krieg begleitet hat als meine Freunde."
Nicht nur die beiden Elfen, die die Gruppe am heutigen Tag verließen, sondern alle Mitglieder von Eragons ehemaliger Garde fühlten sich sichtlich geehrt durch seine Worte.
"Ihr seid sicher, dass ihr den Weg zu Fuß zurücklegen wollten?" Vergewisserte sich Murtagh. "Ich weiß, dass euer Volk dank seiner Stärke große Entfernungen schnell zurücklegen kann, aber Dorn hat mich gebeten euch nochmals versichern, dass er auch bereit wäre euch zu tragen."
"Wir danken eurem ehrenwerten Drachen für das Angebot Reiter, doch wir bevorzugen die Reise zu Fuß." Erklärte Talea. "Ein Drache und besonders eine so große Gruppe erregt einiges an Aufmerksamkeit unter den Tieren. Mein Gefährte und ich werden aber kaum bemerkt werden. Es ist uns wichtig einen Eindruck von den Stimmen der Natur zu bekommen ohne, dass sie in heller Aufregung sind. Auf diese Weise können wir über weit größere Entfernungen Störungen oder mögliche Gefahren ausmachen. Würden wir auf eurem Drachen fliegen, gemeinsam mit einer großen Gruppe wilder Drachen, würden wir nur ein sehr verzerrtes Bild wahrnehmen können."
"Ich verstehe." Murtagh war sichtlich dankbar für die Erklärung der Elfe. Im Stillen vermutete Eragon, dass ein Bruder der Meinung gewesen war, Talea und Enerun würden ihn meiden, aufgrund der Rolle, welche er bei Oromis und Glaedrs Tod gespielt hatte.
Im Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit hatte Eragon aber bereits im Vorfeld darauf geachtet, dass die Elfenmagier keine Vorbehalte gegen Murtagh und Dorn mitbrachten.
"Also Bruder! Dir und Dorn eine gute Reise und lasst euch mal wieder bei uns sehen!"
- "Darauf kannst du dich verlassen Eragon!" - Antwortete Dorn für sich und seinen Reiter. - "Ich will schließlich nicht, dass dies das letzte Mal war, dass ich meine Schwester gesehen habe." -
Murtagh zog ein Gesicht, welches einem "dem ist nichts mehr hinzuzufügen" gleichkam, und hob zum Abschied die Hand. Dann stieß Dorn sich vom Boden ab und gesellte sich zu der Gruppe der wilden Drachen, die noch immer am Himmel kreiste.
Aus dem Pulk der mächtigen Wesen stieß Rahner mit donnernden Gebrüll hernieder. Der schwarze Drache landete in einiger Entfernung zu Eragon und der Gruppe, die sich um ihn versammelt hatte. Schnell bedeutete der junge Anführer der Reiter allen Anwesenden sich in einer Reihe aufzustellen, sodass das neue Oberhaupt der jungen Brutgruppe vor jeden einzelnen hintreten und jedem in die Augen blicken konnte. Schnell reihten sich alle Anwesenden nach den Anweisungen von Saphiras Reiter auf, während die Drachen, die an ein Reiter gebunden waren sich hinter ihrem Partner platzierten.
Rahner trat zuerst auf die beiden Elfen zu, die sein Clan begleiten würden. Die beiden Magier hielten dem prüfenden Blick stand mit denen er sie bedachte. Beide übermittelten ein Gefühl, welches ihre tiefe Bereitschaft ausdrückte alles zu tun, um die Sicherheit seiner Brutgruppe zu gewährleisten. Rahner kommentierte dies mit einem dankbaren Schnauben.
Der Schwarze schritt weiter, blickte jeden der Anwesenden an und übermittelte jeweils kurz Bilder und Gefühle welche Wohlwollen, Freundschaft und das Versprechen zum Ausdruck brachten, dass die Anwesenden bei seinem Clan willkommen wären, solange sie als Freunde kämen.
Schließlich baute sich Rahner vor Eragon und Saphira auf. Zur allgemeinen Überraschung aller Anwesenden rollte plötzlich eine mächtige kraftvolle Stimme durch den Geist der versammelten Wesen.
- "Saphira Schimmerschuppe ich benutze die Sprache deines Reiters um dich und auch ihn zu Ehren. Mehr als allen Anderen schulde ich euch meinen Dank.
Nicht nur habt ihr Beide die Dunkelheit vertrieben, die uns hinderte das Licht der Welt zu erblicken, sondern ihr habt auch für uns gesorgt.
Jedes Mitglied unserer Art sieht dich Saphira als die Mutter unserer Zukunft.
Du lehrtest uns vieles und hast uns aufgezogen wie dein eigenes Blut. Wir werden das Wissen, dass durch dich überlebt hat, die Liebe, die du uns erwiesen hast und deinen Namen an unsere Nachkommen weitergeben. Kein Drache wird in unserem Clan geboren werden ohne zu wissen wie viel er dir verdankt. Dir und deinem Reiter! Auch dein Name wird in unserer Erinnerung immer lebendig sein Eragon.
Wir wissen, wie viel du geopfert hast, damit unser Volk leben kann. Es freut mich, dass dein Herz nun im Frieden mit sich ist, an dem Tag, an dem sich unsere Wege fürs Erste trennen. Du bist für uns kein Zweibeiner und auch nicht einfach nur ein Drachenreiter. Wir betrachten dich als einen Teil unseres Volkes. Ich weiß, dass ich damit nicht nur für die Drachen spreche die dieses Tal nun verlassen, sondern auch für die, die zurückbleiben. "-
Ein Moment wusste Eragon nicht was er sagen sollte. Schließlich entschied er sich zu schweigen und verstärkte die Welle der Dankbarkeit, welche Saphira Rahner übermittelte, mit seiner eigenen Freude über diese Ehrerbietung und dem Gefühl der Zuneigung welches er für die Drachen empfand.
Rahner summte zufrieden über diese Reaktion und blickte sowohl Eragon als auch Saphira noch einmal tief in die Augen. Dann stieß er sich vom Boden ab und begab sich gemeinsam mit Dorn an die Spitze der wilden Drachen, die nun in einer engen Formation Richtung Norden aufbrachen.
Auch die beiden elfischen Magier verabschiedeten sich nun und folgten den Drachen am Boden mit der Geschwindigkeit, zu der nur ihr Volk imstande war.
Eragon spürte wie Arya neben ihm trat.
- "Auch ich bin froh, dass in deinem Herzen nun Frieden herrscht."- flüsterte ihre Stimme in seinen Gedanken.
Dankbar legte Eragon den Arm um Aryas Hüfte und zog die Elfe sanft an sich während er der Gruppe von Drachen nachblickte, die, in der Ferne immer kleiner werdend, dem Horizont zustrebten.

1981 Wörter

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt