37. Gemeinsame Entscheidungen

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Bereits einige Minuten bevor die Weckkugel, die Eragon einst von Oromis erhalten hatte, den jungen Anführer der Drachenreiter mit ihrem wütenden Summen aus dem Schlaf reißen konnte, war Saphiras Reiter aus seinen Wachträumen in die Realität zurückgekehrt.
Mit einem tiefen Gefühl von Zufriedenheit im Herzen betrachtete Eragon Arya, wie sie entspannt in seinen Armen lag. Selten hatte er die Elfe so ruhig und ausgeglichen erlebt. Leider kündigte sich am Himmel bereits der Sonnenaufgang an.
Mit einem schelmischen Grinsen auf dem Gesicht ergriff Eragon einer von Aryas seidigen Haarsträne und begann die Elfe an der Nase zu kitzeln. Schon nach wenigen Augenblicken schnellte Aryas Arm vor und ihre Finger schlossen sich um Eragons Handgelenk.
"Scheusal." Flüsterte die Elfe als sie sah, wer sie so geweckt hatte. Ein zärtlicher Kuss von ihr verriet allerdings, dass sie nicht wirklich böse auf ihren Gefährten war.
"Wir müssen bald aufstehen, mein Stern." Erklärte Eragon sein Verhalten. "Murtagh und die wilden Drachen wollen sicher bald aufbrechen und es wäre unhöflich sie nicht zu verabschieden. Es gibt er auch noch zwei oder drei Punkte die ich gern mit dir besprechen möchte."
"Geht es um uns oder Angelegenheiten der Reiter?"
"Ein Punkt betrifft die Reiter, die anderen eher uns."
"Dann fangen wir mit den Angelegenheiten der Reiter an. Die Pflicht kommt zuerst."
Arya drehte sich auf die Seite und stützte ihren Kopf auf ihren linken Ellenbogen. Eragon begann zu berichten, was er über Nasuadas Probleme erfahren hatte. Sehr zum Missfallen des jungen Anführers der Reiter verfinsterte sich Aryas Gesichtsausdruck. Als er seinen Bericht beendet hatte ließ sich die Elfe resigniert zurück in die Kissen sinken.
"Ich hätte niemals zustimmen sollen Königin zu werden." Murmelte sie gedankenverloren.
Eragon schlang den Arm um ihre Hüften und brachte Arya dazu ihn anzublicken.
"Es ist nicht deine Schuld.
Denk mal an Hope's Geburt.
Damals warst du nicht Königin.
Es hat mich selbst überrascht, wie allgegenwärtig das Misstrauen gegen dein Volk ist. Ich kenne die Leute aus Carvahall. Sie halten zusammen und würden alles füreinander tun. Trotzdem waren sie bereit eine der ihren, Elain und ihr Kind sterben zu lassen, bevor sie dir gestatten wollten zu helfen. Diese Gerüchte hat es schon immer gegeben und Galbatorix hat sie noch genährt. Es passte ihm wohl in seiner Angelegenheiten, dass man dein Volk als Bedrohung sah. Ein hundertjähriger schlechter Einfluss verschwindet nicht über Nacht."
"Da hast du wohl recht Eragon." Lenkte Arya ein. "Aber ich habe meinen Teil dazu beigetragen diesen Gerüchten zusätzlichen Nährboden zu geben. Meine Rolle als Königin hat diese Angst nur noch verstärkt."
"Deshalb bin ich auch der Meinung, dass wir etwas tun sollten, um eben diesen Nährboden wieder abzugraben."
"Was schwebt dir vor?"
"In etwa fünf Monaten ist in Ilirea ein Jubeltag. Das vierjährige Jubiläum von Nasuadas Thronbesteigung. Alle Völker werden Abordnungen stellen, um diesen Tag zu feiern. Die Urgals, die Elfen, die Zwerge und die Menschen. Auch König Orrin, der ja wohl seinen Vorteil aus diesen Gerüchten zieht, wird da sein. Ich denke, es wäre eine gute Möglichkeit für den neuen Orden sich vor diesem Hintergrund der Welt vorzustellen. Insbesondere seine neuen Mitglieder. Es würde sicherlich viel dazu beitragen verlorenes Vertrauen gutzumachen. Entscheidend ist für mich nur, dass Narie, Marek und Tar bis dahin einen bestimmten Stand ihrer Ausbildung erreicht haben."
Arya überlegte einen Moment bevor sie antwortete.
"Die Idee an sich finde ich nicht schlecht. Wenn wir bei diesem Fest in Erscheinung treten und allen Völkern unsere Ehrerbietung erweisen wird das in der Tat Vertrauen fördern. Und da so viele Gäste aus allen Teilen Alagaësia's da sein werden, wird sich die Nachricht von unserem kommen überall verbreiten. Es scheint mir wirklich eine gute Idee zu sein. Aber welchen Stand der Ausbildung meinst du müssen unsere Schüler erreichen um mit uns auf dieser Reise gehen zu können."
"Ich habe mir darüber bereits Gedanken gemacht." Erklärte Eragon. "Ich halte es für nötig, dass sie hören können bis es nichts mehr zu hören gibt. Sie werden sich in Menschenmengen bewegen müssen und auf diese Weise können sich am besten vor Individuen schützen, die ihnen feindlich gesonnen sind.
Was die Magie betrifft, möchte ich das in der Lage sind Schutzwälle zu errichten und die Kunst beherrschen sich Reserven in Edelsteinen anzulegen. Außerdem will ich sie noch vor unserer Abreise dem Rat vorstellen und sie damit in das Geheimnis der Eldunari einführen."
"Ein anspruchsvolles Ziel." Bewertete Arya die Situation. "Sie sind jetzt seit ungefähr vier Monaten in der Ausbildung und fünf stehen uns noch zur Verfügung. Was du forderst, ist praktisch das Pensum, das erst am Ende des ersten Jahres vorgesehen war."
"Traust du es ihnen nicht zu?"
"Das habe ich nicht gesagt." Wehrte Arya ab. "Alle haben sich als talentierter erwiesen als wir es ihnen zugetraut hätten.
Marek und Tar haben schon ein gutes Stück in der Magie geschafft.
Ich denke das es durchaus möglich ist.
Narie beherrscht es bereits auf die Stimmen, um sie herum zu hören und alles wahrzunehmen. Marek muss vor allem den Lärm in seinem Kopf unter Kontrolle bringen. Es hat ihn schon dabei behindert seine Magie zu entdecken. Bei Tar ist das Problem ein anderes. Er hat eine Liebe zur Natur, wie ich sie von einem Urgal niemals erwartet hätte. Aber seine geistige Wahrnehmung wird dadurch etwas behindert. Er ist so fasziniert von dem was sich ihm offenbart, wenn er die Umgebung mit seiner geistigen Wahrnehmung erkundet, dass er sich zu sehr in Details verliert. Er konzentriert sich zu sehr auf Einzelheiten und vernachlässigt das große Ganze."
Eragon musste schmunzeln. Dasselbe hatte Oromis einmal über ihn gesagt.
"Ich hatte, mit dieser Übung, dasselbe Problem. Ich denke ich werde etwas mit Tar arbeiten und ihm helfen es zu überwinden. Ich bin auch der Meinung, dass wir unseren Schülern mitteilen sollten, warum wir in den nächsten Monaten so viel von ihnen verlangen werden. Die Aussicht etwas Gutes für ganz Alagaësia zu tun sollte sie anspornen. Wenn wir das von uns gesetzte Ziel erreichen, sind wir mit unserem Pensum drei Monate voraus. Da wir auch eine gewisse Zeit für den Aufenthalt in Alagaësia einplanen müssen und die Reise auch Zeit beanspruchen wird, sind wir dann weiterhin im Zeitplan und uns entsteht kein Verlust durch den Besuch."
Arya nickte zustimmend.
"Ich werde deinen Plan bei der nächsten Ratsversammlung unterstützen. Wir können einiges bewirken ohne unsere Schüler einem übergroßen Risiko aussetzen zu müssen."
"Würdest du mich für selbstsüchtig halten, wenn ich auch einen Besuch in Carvahall einplanen würde?"
Arya lächelte milde.
"Es hätte mich gewundert, wenn du keinen eingeplant hättest. Ich nehme an, Du willst sehen wie groß deine Nichte inzwischen ist."
"Das auch." Lächelte Eragon schluckte dann aber schwer. Seit er von dem Gespräch zwischen Arya und Fürst Däthedr erfahren hatte, ließ eine Idee ihn nicht mehr los. Er hoffte inständig, dass Arya sich über seinen Vorschlag freuen würde. "Ich möchte auch Katrina um etwas bitten."
"Möchtest du mir sagen um was?" Fragte die Elfe interessiert.
"Das geht gar nicht anders. Es geht dabei nämlich um dich. Katrina ist schließlich das älteste weibliche Mitglied meiner Familie. "
Eragon ließ seine Worte wirken. Aryas Gesichtszüge blieben ruhig, doch an ihren Augen konnte man deutlich ablesen wie sich Verständnis und schließlich Aufregung breitmachte.
"Du hast wirklich viel bei meinem Volk gelernt Eragon. Du kennst unsere Bräuche gut. Weißt du was du mir anbietest?"
Eragon nickte. Er wusste es sehr genau. Oromis hatte ihm die Sitten der Elfen mit größter Sorgfalt gelehrt.
Elfen heirateten nicht, sie wählten sich Gefährten.
Doch es gab sehr wohl Schritte in einer solchen Beziehung, die die Verbundenheit des Paares stärkte, und sich nicht einfach wieder auflösen ließen.
Eben hatte Eragon Arya einen solchen Schritt angeboten. Wenn sich zwei Liebende unter den Elfen sicher waren, dass ihre Beziehung von längerer Dauer sein würde konnten sie einander anbieten, dem Haus des Anderen beizutreten. Selbst, wenn ihre Beziehung endete, blieben beide Partner Mitglieder derselben Familie. Es war üblich, dass jeweils das älteste Mitglied des Hauses über den Eintritt entschied. Der älteste Mann hatte das Recht männlichen Partnern die Aufnahme zu gestatten, die älteste Frau den weiblichen. Damit lag die Entscheidung, die endgültige Entscheidung, bei Rorans Frau Katrina.
"Arya, ganz egal wohin uns unser gemeinsamer Weg noch führt oder wie lange er dauern wird, wir haben zu viel erlebt, als dass ich mir vorstellen könnte, dass du jemals ganz aus meinem Leben verschwinden wirst. Und was mich betrifft, ich möchte immer jemand sein dem du vertraust."
Arya legte eine Hand an Eragons Wange und strich mit den Daumen über sein Gesicht.
"Narie und ich sind zwar verwandt, aber sie gehört, wie ihre Mutter zum Haus meines Onkels. Ich habe keine Großeltern mehr und auch mein Vater und meine Mutter sind tot. Ich frage dich nochmal:
Weißt du was du mir anbietest? Du bietest mir an, wieder Teil einer Familie zu sein. Einen Ort zu haben, an den ich immer gehöre ganz gleich was passiert. Im Grunde hatte ich das noch nie. Du weißt wie schwierig das Verhältnis zu meiner Mutter war."
Eragon legte die Arme um Arya und zog sie näher an sich.
"Mein Stern, für mich gehörst du schon zu meiner Familie. Ich achte aber die Tradition deines Volkes und möchte das es auch für dich keinen Zweifel mehr gibt. Wenn es also das ist, was Du Dir wünschst, dann werde ich mit Katrina sprechen und sie bitten dich offiziell..."
Ein zärtlicher Kuss verhinderte, dass Eragon zu Ende sprach.
"Ich deute das als ein Ja." Vermutete er als sich ihre Lippen wieder trennten.
"Das kannst du auch. Ich nehme an, das war der erste persönliche Punkt, den du mit mir besprechen wolltest. Was ist der Zweite?"
Wieder spürte Eragon einen Knoten in seinem Magen und leichte Verlegenheit stieg ihm auf. Dieser zweite Punkt hatte eine wesentlich unmittelbare Wirkung.
"Ich würde gern jeden Morgen neben dir aufwachen. Versteh das nicht falsch, wann immer Du Zeit für dich brauchst, musst du es nur..."
Wieder unterbrach ein Kuss von Arya Eragons Redefluss.
"Muss ich mich daran gewöhnen, dass ich jetzt keinen Satz mehr beenden kann. "
"Wenn du willst, dass ich von jetzt an dein Bett teile wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben."
Eragon freute sich über Aryas kleinen Scherz fast ebenso, wie über die Antworten die er erhalten hatte. Humor war bei Arya ein sicheres Zeichen dafür, dass sie im Moment sehr glücklich war.
-"Zweibeiner! Auf eure ganz eigene Art seid ihr recht niedlich."- Fírnens dunkle Stimme unterbrach, die traute Zweisamkeit.
Der grüne Drache streckte seinen Kopf noch weiter durch das Fenster und Liebkoste seine Reiterin mit seiner Schnauze.- "Also das wird deine neue Höhle. Ich freue mich für dich."-
"Danke mein Großer." Erwiderte Arya und kraulte ihren Drachen zärtlich zwischen den Augen.
- "Ich störe euch auch nur ungern, aber die wilden Drachen beginnen sich zu versammeln. Ich werde gleich Dorn und Saphira wecken und ihr solltet die Reiter versammeln. Alle sollten bei dem Abschied dabei sein." -
"Dann müssen wir jetzt wohl leider aufstehen." Seufzte Eragon.
- "Du wachst ja morgen wieder neben ihr auf." - Neckte Fírnen. - "Und übermorgen, und auch am Tag darauf." -
"Du solltest jetzt lieber Saphira wecken gehen."
Aryas Stimmen war deutlich anzumerken, dass die Drohung nur gespielt war.
- "Kann ich euch denn wirklich allein lassen. Ich werde wohl von jetzt an jede Nacht nach euch sehen müssen, damit ihr auch genug Schlaf bekommt!" - Stichelte der grüne Drache weiter.
"Fírnen Smaragdfeuer!" Nun klang Aryas Drohung schon ernster.
- "Ihr könntet ja einen unterrichtsfreien Tag einführen, dann könnte den ganzen Tag in diesem Ding verbringen, dass ihr Bett nennt und abends den Himmel betrachten im feuchten Gras." -
Arya hatte offenbar genug, sie griff sich ein Kissen und drohte Fírnen damit, es nach ihm zu werfen. Sofort wollte der grüne Drache seinen Kopf nebst Hals aus dem Zimmer ziehen, scheiterte jedoch. Nur ein hässliches Kratzen und Knacken war zu hören.
- "Oh nein! Nein nein nein nein!" -
Leicht panisch wanderten die Augen des grünen Drachen hin und her. Verwirrt ließ Arya das Kissen sinken.
"Was ist los, Großer!" Die Elfe klang besorgt.
Eragon legte von hinten die Arme um Arya und kämpfte mühsam einen Lachanfall nieder. Die Elfe saß nun aufrecht vor ihm im Bett.
"Ich denke ich weiß was los ist Arya." Sagte Eragon und deutete auf eine von Fírnen's Rückenzacken. Das dolchartige Gebilde hatte sich am Fensterrahmen verhakt. Eragon legte seinen Mund direkt neben Aryas Ohr und flüsterte: "Er steckt fest."
- "Ja ich stecke fest!" - Donnerte der grüne Drache in die Gedanken der beiden Reiter. - "Und ich warne dich Arya: Wenn du jetzt lachst, verrate ich deinem Liebsten wo du kitzlig bist!
Helft mir lieber!
Wenn Saphira mich so sieht werden wir beide dieses Tal für immer verlassen müssen Arya. Ich würde mich sonst zu Tode schämen." -
Wieder konnte Eragon Aryas Selbstbeherrschung nur bewundern. Sie verzog nicht eine Miene als sie neben ihren Drachen trat und Fírnen aus seiner Lage befreite.
Wütend betrachtete der Grüne den Fensterrahmen und schnaubte eine Rauchwolke aus.
- "Wenn du tatsächlich hier schlafen willst, müsst ihr dieses Ding größer machen!" -
Mit diesen Worten trollte sich der grüne Drache.
Eragon blickte Arya an und die Elfe ihn. Ohne dass der eine den anderen dazu auffordern musste, brachen beide in schallendes Gelächter aus.

2180 Wörter

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt