Nervös bemühte sich Arya die Verschnürung am Rücken ihres Kleides zu schließen. Sie hatte das Kleid aus einfacher grüner Seide eingepackt, da bei Nasuadas Jubiläum festliche Anlässe zu erwarten waren. Sie hatte nicht damit gerechnet es bereits in Carvahall zu brauchen. Eigentlich jedoch hätte sie es voraussehen müssen. Auch bei ihrem Volk wurde die Aufnahme eines Gefährten in ein Haus von einem Fest begleitet.
Arya trug nicht oft Kleider. Es war nicht, dass sie sich nicht gefiel, wenn sie eines trug, doch im Grunde waren diese Kleidungsstücke recht unpraktisch. Sie behinderten beim Laufen und schränkten auch beim Kämpfen die Bewegungsfreiheit ein. Dieser Umstand sorgte immer dafür, dass sich die Elfe etwas verwundbarer fühlte. Ein Zustand für den sie in ihrem bisherigen Leben nie Verwendung gehabt hatte.
"Soll ich dir helfen?"
Arya sah sich nach der Quelle der Stimme um und entdeckte Katrina die im Türrahmen stand und sie freundlich anlächelte. Rorans Gattin hatte sich bereits für das Fest umgezogen. Sie trug ein Kleid aus brauner, schimmernder Seide, welches am Ausschnitt und an den Ärmeln mit gelb-goldenen Stickereien verziert war. Ihr Haar fiel ihr offen über die Schultern.
"Das wäre sehr freundlich." Erwiderte Arya neutral.
Katrina trat hinter sie und begann an der Verschnürung zu arbeiten.
"Du hast nicht viel gesagt, seid ihr heute hier angekommen seid." Stellte Katrina nach einem Moment der Stille fest. "Ich hoffe Du bist der Eragon nicht böse, dass er dich nicht vor unserer Feier bewahren konnte. Wir haben ihm einfach keine Wahl gelassen."
Es beschämte Arya etwas, dass sie einen möglicherweise unhöflichen Eindruck gemacht hatte. In der Tat waren sie und die Schüler des Drachenreiterordens sehr herzlich von den Bewohnern von Carvahall begrüßt worden. Erst hatte die Elfe etwas Sorge gehabt, dass ein Urgal hier vielleicht einen schweren Stand haben würde aber nach kurzer Zeit hatte sich jeder an Tar gewöhnt. Vermutlich verblasste der junge Gehörnte sowieso im Angesicht von so vielen Drachen.
Man hatte ihnen Quartiere in der Burg des Dorfes zugewiesenen und die Bewohner hatten sich große Mühe gegeben den Hof der Befestigungsanlagen mit weichem Stroh für die Drachen zu einem angenehmen Ort zu machen.
"Ich bin Eragon nicht böse." Beruhigte Arya schließlich. "Auch bei meinem Volk wird so ein Anlass gefeiert. Ich danke dir übrigens, dass du und dein Gatte mich wirklich aufnehmen wollt."
"Es kommt von Herzen Arya." Erwiderte Katrina. "Sowohl Roran als auch mir ist aufgefallen, dass es eine Verbindung gab zwischen dir und Eragon. Wir haben uns um euch beide Sorgen gemacht als ihr euch trennen musstet. Wenn Du aber nicht gänzlich überrascht von einer Feier bis, warum wirkst Du dann so unruhig?"
"Eragon hat es vielleicht schon erwähnt, aber bei meinem Volk gibt es sehr strikte Regeln. Das gilt auch für unsere Feste. Solche Veranstaltungen laufen meistens nach einem genau festgelegten Programm ab. Ausnahme bildet höchstens die Blutschwurfeier. Sie ist aber eben etwas ganz besonderes. Da lassen wir alle wirklich los."
"Und du bist nicht gut darin loszulassen, oder?" Vermutete Katrina und schloss die letzte Verschnürung ein Aryas Kleid.
"Das stimmt leider." Bestätigte die Elfe.
Auf Katrinas Einladung hin nahmen die beiden Frauen am Fenster platz. Fragend blickte die junge Gräfin die Elfe an. Arya verstand die unausgesprochene Frage, die in der Luft hing.
"Mitglied des Adels zu sein ist bei unserem Volk nicht leicht. Besonders nicht für ein Kind. Meine Mutter war eine sehr strenge Lehrerin, wenn es um Fragen der Etikette ging. Mein Volk liebt die Schönheit in all ihren Formen. Das bedeutet auch, dass man einfach ein bestimmtes Verhalten erwartet. Ein Verhalten, das dem idealen Bild entspricht, was der Adel aufrechterhält."
"Das stelle ich mir schwer vor, besonders für ein kleines Kind." Erwiderte Katrina verständnisvoll.
Arya dachte einen Moment nach.
"Eine Sache ist nur seltsam. Ich bin als ich ein Kind war immer gern in die Werkstatt einer Schmiedemeisterin unseres Volkes geschlichen. Ich habe ihr bei der Arbeit zugesehen und ihr manchmal sogar ein bisschen helfen dürfen. Ich habe es geliebt! Der Geruch des Feuers und des heißen Eisens! Ich dachte früher immer, dass meine Mutter das gar nicht gemerkt hätte. Heute erscheint mir der Gedanke eigentlich ziemlich lächerlich, da ich jedes Mal rußverschmiert nach Hause gekommen bin. Nun weiß ich, dass obwohl mein Verhalten das Missfallen mindestens eines Adelsvertreters hervorgerufen hat, meine Mutter nie etwas unternommen hat, um meine Besuche zu beenden."
Katrina ergriff Aryas Hände.
"Vielleicht weil deine Mutter wusste, dass man manchmal einfach loslassen muss. Es ist wichtig, gerade für ein Kind, das es Freiräume hat. Vielleicht ist heute Abend auch wieder so ein Anlass. Ja es gibt keine Regeln bei uns. Warum auch? Hier geht es nicht darum einen guten Eindruck zu machen. Heute wollen einfach dich und Eragon und eure Liebe feiern. Du liebst ihn doch, oder?"
"Ja." Auch diese Antwort kann Arya nicht leicht über die Lippen. So offen über ihre Gefühle zu reden, war etwas Fremdes für sie.
Katrina jedoch schien mit der Antwort sehr zufrieden zu sein.
"Wundervoll. Dann gibt dich doch heute einfach mal ganz diesen Gefühlen hin! Morgen kannst du dir wieder den Kopf zerbrechen über die hohe Politik und das Schicksal von Alagaesia."
Der sanfte Druck von Katrinas Händen verstärkte sich etwas.
"Ich weiß, dass wir heute keine Hochzeit feiern sowie es mein Volk tut. Trotzdem ist ein wichtiger Schritt für dich und Eragon. Wenn bei meinem Volk jemand einen solchen Schritt wagt ist es üblich, ihm eine Lebensweisheit mit auf den Weg zu geben. Lass mich dir jetzt etwas mit auf den Weg geben, was ich an einem sehr dunklen Ort gelernt habe. An einem Ort, an dem ich nie sein wollte und doch länger dort war als mir lieb ist."
Arya konnte sich denken von welchem Ort die junge Frau sprach. Der Helgrind. Auch ihre Augen, ihr leer gewordener Blick, sprach dafür, dass sie sich an die Zeit ihrer Gefangenschaft erinnerte.
Als Arya noch überlegte, ob sie etwas sagen sollte, sprach Katrina bereits weiter: "Genau wie der Wechsel zwischen Tag und Nacht ist unser Leben ein ständiger Wechsel zwischen Momenten des Lichts und des Glücks und dunklen Momenten in denen uns Einsamkeit, Schmerz und Trauer umfangen. Genießt jeden Moment des Lichts, koste ihn aus und nimm ihn in dich auf. Diese Momente sind es, die uns die Kraft geben die dunklen Tage zu überstehen. Du würdest es bereuen, kostbare Momente, die dir Kraft verleihen können nicht ausgenutzt zu haben."
Schweigen breitete sich aus, nachdem Katrina verstummt war. Deutlich sah man der jungen Gräfin an, dass es ihr nicht leicht gefallen war etwas auszusprechen, was sie mit der Erinnerung an die Ra'zac verband. Ihre Augen hatten begonnen feucht zu glänzen und so wie sie gegen die Tränen ankämpfte, schien sie bemüht zu sein die Erinnerung an ihrer Gefangenschaft wieder sorgfältig in ihrem Geiste zu verschließen.
Der Anblick der jungen Frau, die nicht davor zurückgeschreckt war auf den dunkelsten Pfaden ihrer Erinnerung zu wandeln, um ihr einen Rat zu geben, machte Arya schlagartig etwas kann: Heute würde sie kein bedeutungsloses Ritual durchlaufen. Es handelte sich hier nicht nur um eine Geste. Katrina und wohl auch ihr Mann waren von ganzem Herzen bereit sie in ihrer Familie aufzunehmen.
Dieser Umstand berührte die Elfe tief. Es mochte sein, dass Menschen kurzlebiger waren als Elfen. Sie waren als Volk jünger und vielleicht weniger entwickelt aber ihre Herzen hatten eine beeindruckende Kraft.
Arya wollte etwas tun und Katrina zu zeigen, dass sie den Wert des Geschenkes, welches sie gerade erhalten hatte, zu schätzen wusste. Daher ergriff sie nun ihrerseits Katrinas Hände und drückte sie sanft.
"Du hast deine Worte nicht verschwendet." Sagte sie als Katrina sie anblickte. "Ich werde sie mir zu Herzen nehmen und nicht vergessen."
Die dunklen Schatten, welche Katrinas Gesicht gefallen waren, lösten sich zur Erleichterung der Elfe auf.
"Na dann kommen." Lächelte Aryas Gegenüber. "Dein Fest wartet Schwester."
1260 Wörter
A/N: Sorry das dieses Kapitel vergleichsweise kurz ausgefallen ist
Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen. Lasst in dem Fall ein Vote da :)
DU LIEST GERADE
Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang
Fiksi Penggemar|Abgeschlossen| Rechtschreibung und Grammatik überarbeitet. Die ersten Dracheneier haben ihre Reiter erwählt und der Orden wächst. Eragon und Arya werden ihre neuen Schüler ausbilden, um Alagaësia zu beschützen, denn etwas Böses wächst heran... Dies...