- "Eragon." -
Die Stimme, die sich in Eragons Gedanken schlich, zwangen den jungen Anführer der Reiter aus seinem Wachschlaf in die Realität zurückzukehren.
- "Kleiner, Zeit aufzustehen." -
Nur schleppend kamen die Gedanken des jungen Reiters in Gang. Als ihm klar wurde, welch schelmischer Unterton in der Stimme lag, die ihn weckte, war er sich nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee war die Augen zu öffnen.
Als er sich schließlich doch dazu durchrang, schwebten wie er es befürchtet hatte zwei Drachenköpfe über ihm. Neben ihm begann Arya sich zu regen und blickte schließlich ebenso ertappt zu ihrem Drachen auf. Sowohl in Saphiras als auch in Fírnens Augen spiegelte sich ein belustigter Ausdruck.
- "Ich dachte, die Elfen hätten euch beiden Schlafgemächer aus den Bäumen gesungen. "-
Aryas grüner Drache heuchelte Überraschung.
"Haben Sie auch, aber von dort könnte man den Himmel nicht sehen." Gab Arya mit selten gekannter Offenheit zurück.
- "Wenn man umzingelt ist, ist Angriff und der Wille zu ertragen manchmal der beste Weg." - Flüsterte die Elfe in Eragons Gedanken.
Fírnen schüttelte verwirrt den Kopf, sodass seine Schuppen raschelten.
- "Den Himmel?" -
- "Zweibeiner! Ich denke die machen so verrückte Sachen wenn sie das Brennen des Blutes spüren." - Vermutete Saphira fachmännisch.
- "Zum Teil machen sie noch albernere Sachen." - Warf Dorn nun ein.
Der rote Drache war damit beschäftigt sich ausgiebig an einem Baum zu reiben.
- "Wenn ich da an Murtagh denke..." -
"Ich denke mein Bruder wüsste es zu schätzen, wenn du darüber den Mantel des Schweigens breiten würdest Dorn."
- "So, würde er das? Gut zu wissen, dass sie Zweibeiner darüber nicht gerne reden." - Dorn entblößte seine Zähne und in einem menschlichen Gesicht wäre diese Miene wohl ein verschwörerisches Grinsen gewesen.
"Ich befürchte, gerade hast du deinen Bruder keinen guten Dienst erwiesen." Vermutete Arya die inzwischen bemüht war ihr von der Nacht zerzaustes Haar zu glätten.
"Ich zittere schon vor seiner Rache."
Dreifaches Drachengelächter begleitete diese Feststellung Eragons.
- "Nun sollte die euch aber anziehen, oder wollt ihr Murtagh und Dorn in eurer Nachtgewändern dem Rat und dem wilden Drachen vorstellen?" -
Eragon konnte Saphira nur recht geben, ein Blick zum Himmel machte klar, dass der Morgen bereits weit fortgeschritten war.
Gemeinsam mit Arya erhob er sich und streckte seine Glieder, die von der Nacht im Gras steif waren.
"Es wird wirklich Zeit, dass ein Teil der wilden Drachen aufbricht." Meinte Arya und reichte Eragon seinen Umhang.
"Hat es Vorfälle gegeben während meiner Abwesenheit? "Die Elfe nickte.
"Zum Glück nichts Ernstes. Aber die Reibereien zwischen Voratan und Rahner haben sich doch verstärkt. Die dreißig Drachen, die mit ihm einen eigenen Clan bilden wollen nehmen hauptsächlich nur noch von ihm Anweisungen entgegen.
Für Voratan ist das natürlich eine Herausforderung seiner Autorität.
In diesem Tal ist er das Oberhaupt der Wilden.
Einige Seelenhorten, die einst wilden Drachen innewohnten fungieren zurzeit als eine Art Vermittler. Ihre Autorität wird sowohl von Voratan als auch von Rahner respektiert. Aber es liegt nun mal nicht in der Natur von wilden Drachen sich abzusprechen oder miteinander zu verhandeln. Ihr Zusammenleben wird durch die urwüchsige Vorstellung vom Stärksten geprägt.
Auf lange Sicht befürchten sowohl Rahner als auch Voratan, dass sie Ansehen unter den Artgenossen verlieren, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit Stärke beweisen."
- "Dann wecke ich jetzt besser Murtagh und wir bereiten uns auf das Treffen vor." - Schlug Dorn vor und stellte seine Körperpflege ein. - "Wenn die Wilden einverstanden sind, können wir noch heute Abend aufbrechen oder spätestens morgen früh." -
Sowohl Arya als auch Saphira und Fírnen stimmten diesem Vorschlag ihres roten Artgenossen zu. Nur Eragon wirkte etwas unschlüssig. Nach einigen Momenten spürte er, wie Arya ihm die Hand auf die Schulter legte.
"Was hast du?" Wollte sie wissen.
"Es ist nichts, ich hatte einfach gehofft, dass Murtagh und auch Dorn etwas länger bei uns bleiben könnten."
Dorn trat auf die beiden Drachenreiter zu.
- "Da sagst Du nicht ganz die Wahrheit Murtagh-Bruder-Eragon. Du hoffst, dass Murtagh gefallen am Leben hier findet und dem Orden beitritt, nicht wahr?" -
"Ist das so schlimm?"
Dorn beugte sich zu dem jungen Anführer der Drachenreiter herab, bis sein rubinfarbendes Auge direkt vor Eragons Gesicht schwebte.
- "Nein ist es nicht." - Die Worte des roten Drachens wurden von einer Welle der Sympathie begleitet. - "Ich danke dir für deine Loyalität Murtagh gegenüber. Sie bedeutet nicht nur ihm, sondern auch mir sehr viel Murtagh-Bruder-Eragon.
Doch gibt ihm Zeit.
Seine Wunden sind tief und zu viel auf einmal zu verlangen könnte das Gegenteil von dem bewirken, was du erhoffst. Dass er sich bereit erklärt hat, als Wächter für eine Kolonie der wilden Drachen zu fungieren ist bereits ein erster Schritt in die Richtung, die Du Dir wünschst." -
Eragon nickte verstehend. Er wusste, dass Murtagh Zeit brauchen würde. Er verstand dies und respektierte es. Im Stillen konnte er aber nicht anders, als Galbatorix einmal mehr zu verfluchen. Sein Vater, seine Mutter und sein Onkel hatten ihr Leben verloren, weil sie entweder dem König getrotzt hatten oder einfach nur ein Opfer seiner Grausamkeit geworden waren. Wegen des Massakers, das Galbatorix unter den Drachen angerichtet hatte, war es notwendig geworden, dass Eragon Roran, Katrina und seine neugeborene Nichte Ismira zurückließ.
Murtagh war einer der wenigen Verwandten, die er noch hatte.
Doch selbst nach seinem Tod vermochte Galbatorix es noch sie zu trennen. Er war verantwortlich, dass Murtaghs Seele von so vielen Narben übersät war. Außerdem erschwerte er es ihm, durch die Grausamkeiten zu denen er ihn gezwungen hatte, sich nun ein eigenes, neues Leben aufzubauen.
Noch während er seinen Gedanken nachhing, spürte er wie Arya mit dem Handrücken über seine Wange strich. Zunächst hielt er es für eine trostspendende Geste, dann aber sah er die Neugier, mit der die Elfe ihn musterte. Er brauchte einen Moment um zu verstehen, was sie so faszinierte. Er war noch nicht zum Rasieren gekommen. Zwar war Arya auch in Ellesméra bereits neben ihm aufgewacht, doch offenbar war ihr da sein Bartwuchs entgangen.
"Entschuldige, ich werde mich gleich rasieren."
Arya lachte glockenhell.
"Ich bin fast 75 Jahre unter Menschen gewandelt Schattentöter, ich habe durchaus schon bärtige Männer gesehen. Mir ist nur gerade etwas aufgefallen. Saphira, sieh dir deinen Reiter mal aus diesem Blickwinkel an und sag mir was dir auffällt."
Die blaue Drachendame blinzelte überrascht, schob dann aber ihrem gewaltigen Schädel neben Aryas Kopf und beäugte ihren Reiter. Während Saphira ihn prüfend betrachtete spürte Eragon wie Arya ihrer Hand unter sein Kinn legte und seinen Kopf etwas ins Gegenlicht drehte, sodass die Stoppeln in seinem Gesicht noch besser zu sehen waren.
Schließlich schnaubte Saphira erkennend und schüttelte überrascht ihr mächtiges Haupt.
"Was ist denn?" Wunderte sich Eragon über das Verhalten der beiden.
- "Kleiner, wenn du deinen Bart etwas länger wachsen lassen würdest, sähst du fast aus wie Brom. "-
Um ihre Behauptung zu untermauern, schickte Saphira zwei Erinnerungen in Eragons Gedächtnis. Die eine zeigte Brom, welcher in einem ähnlichen Blickwinkel stand wie Eragon nun, die anderen zeigte ihn, so wie Arya ihn platziert hatte.
Eragon konnte es nicht leugnen:
Er sah seinen Vater in der Tat ähnlich.
Wangenknochen, Augen und Kinn entsprachen fast völlig dem väterlichen Vorbild. Nur die Nase war bei weitem nicht so dominant wie die von Brom.
Eragon lächelte etwas verlegen.
"Ich denke ich werde mich trotzdem rasieren gehen." Schelmisch grinsend zog er Arya an der Hüfte an sich. "Oder hättest du nicht lieber mit Bart mein Stern? Ich könnte mir vielleicht Zöpfe hineinfechten wie Zwerge es manchmal tun."
Deutlich konnte man sehen, dass Arya um ihre Selbstbeherrschung rang. Saphiras Kommentar zur Eragons Ausspruch besiegelte allerdings ihre Niederlage und den Beginn eines seltenen Lachanfalls.
- "Eine interessante Idee Kleiner! Wenn Du Dich beeilst, könntest Du schon nach einem Monat genug Essensreste in deinen Borsten hängen haben, dass ein Vogel in deinem Bart nisten könnte, seine Eier ablegen, sie ausbrüten und imstande wäre die Jungen groß ziehen ohne auch nur einmal zur Nahrungssuche ausfliegen zu müssen." -
"Geh dich rasieren!" Kommandierte Arya, nachdem sie wieder etwas Kontrolle über sich gewonnen hatte.
"Wie du wünschst mein Stern." Erwiderte Eragon verschmitzt und wandte sich dann an Dorn. "Du solltest jetzt wirklich Murtagh wecken gehen. Sag ihm bitte, dass wir das Frühstück heute Morgen verschieben und gleich zur Ratsinsel aufbrechen wollen. Er soll uns bitte vor unserem Haus treffen."
Dorn schnaubte zustimmend und erhob sich in die Lüfte.Weder Eragon noch Arya brauchten lange um sich fertig zu machen. Schon kurze Zeit später traten sie aus ihrer gemeinsamen Behausung. Beide trugen Stiefel, Hosen aus dunklem festen Stoff sowie ein Wams in der jeweiligen Farbe ihres Drachens. Dazu selbstverständlich ihre Ratsroben. Murtagh und Dorn erwarteten die Beiden bereits. Auch der Reiter des roten Drachens hatte sich frische Kleider angezogen und wirkte etwas nervös.
"Keine Sorge!" Beschwichtigte Eragon. "Niemand wird dich fressen. Die Ratsmitglieder haben sogar zugestimmt, dass wir die Schutzzauber um die Insel etwas lockern. Du und Dorn könnt mit uns zu Insel fliegen ohne das Boot benutzen zu müssen."
"Wegen der Ratsmitglieder bin ich nicht sonderlich besorgt." Gestand Murtagh. "Es sind mehr die wilden Drachen, die mir Sorgen machen. Ich hab deinen Text über sie gelesen aber so ganz verstehe ich das nicht. Ich kann begreifen, wie man seine augenblickliche Stimmung ausdrücken kann, indem man Gefühle oder Bilder benutzt. Doch wie kann man ein Gespräch führen so wie wir das jetzt gerade tun?"
- "Das geht einfacher als du denkst." - Brummte Dorn verständnislos. - "Es sind vielmehr eure Worte, die unpräzise sind." -
"Das hängt ganz vom Blickwinkel ab Dorn. Für euch Drachen ist das normalste der Welt mit Gefühlen und Bildern zu kommunizieren. Manche wilden Drachen haben überhaupt keinen Namen, der mit Worten auszusprechen wäre. Wir Menschen sind es aber gewohnt Worte zu benutzen.
Dass dich das etwas verwirrt ist verständlich, Murtagh.
Deshalb soll Dorn auch immer an deiner Seite bleiben. Er kann für dich übersetzen und solltest du etwas gar nicht verstehen frage ruhig nach. Vergiss eins nicht: Die wilden Drachen sind genauso klug wie die Drachen der Reiter. Sie sind nur etwas ursprünglicher im Denken."
"In Ordnung." Murmelte Murtagh und ließ sich Eragons Worte durch den Kopf gehen. "Aber wie soll ich Ihnen antworten, wenn sie mich etwas fragen? Verstehen kann ich ihre Sprache ja vielleicht noch, aber sie sprechen? Soll ich Dorn für mich antworten lassen?"
Eragon schüttelte energisch den Kopf. Inzwischen waren er und Arya dabei ihre Drachen zu satteln.
"Nein Bruder. Das würden die Wilden im besten Fall als Zeichen der Schwäche von dir sehen, im schlimmsten Fall würden sie es als Beleidigung auffassen. Sie könnten denken, dass Du der Meinung bist, sie wären keine direkte Antwort von dir wert.
Glaub mir, einen wilden Drachen zu beleidigen ist eine sehr, sehr schlechte Idee."
"Das glaube ich dir unbesehen Eragon. Ich vermute so etwas endet mit Bisswunden und Verbrennungen."
"Du hast es erfasst Bruder. Genau so ist es. Am besten gehst du folgendermaßen vor:
Die wilden Drachen kommunizieren nicht nur durch Gefühle und Bilder. Auch die Körperhaltung und die Laute, die sie von sich geben, spielen eine Rolle."
"Du meinst so wie gestern bei Dorn und Fírnen?" Erkundigte sich der Dunkelhaarige.
"Ganz genau! Was du gestern nämlich nicht mitbekommen hast, ist, dass Fírnens Körperhaltung und sein Knurren zwar bedrohlich waren, auf der geistigen Ebene hat der Dorn aber zu verstehen gegeben, dass er im Grunde keinen wirklich in Streit wünscht.
Er hat also nur seine Haltung gezeigt und eine Antwort erwartet.
Die hat Dorn ihm gegeben. Für uns ist das natürlich etwas schwierig und für die wilden Drachen ist es ebenso kompliziert unsere Körperhaltung zu interpretieren.
Weder haben wir Flügel, noch peitschende Schwänze und es ist schwierig für sie den Unterschied zwischen einem Grinsen von uns Zweibeinern und einem Zähnefletschen bei ihnen zu unterscheiden.
Wie gesagt, mach am besten folgendes:
Sprich zu ihnen in der alten Sprache. Selbst ein Vogel versteht, wenn ich ihm verspreche ihm nichts zu tun. Er begreift vielleicht nicht jedes Wort aber den Kontext, den Sinn der Worte.
Außerdem wissen die Wilden, dass du in dieser Sprache nicht lügen kannst. Auf der geistigen Ebene solltest du Gefühle übermitteln, die deiner Worte untermauern. Wenn du also sagst, dass du entschlossen bist die neue Kolonie ihrer Art zu schützen und zu verteidigen solltest du ein Gefühl der Entschlossenheit mit übermitteln. So machst du ihnen klar, dass du hinter dem stehst, was du sagst."
"Muss ich auch einen Schwur in der alten Sprache leisten?" Wollte Murtagh wissen.
Das Unbehagen welches seinen Bruder befallen hatte konnte Eragon gut nachfühlen.
"Ich kann verstehen, dass dir das Sorgen bereitet. Ich kann dir dazu nur eins raten:
Wähl deine Worte mit Bedacht und sagt nur, dass was du wirklich meinst und wo du auch wirklich mit ganzem Herzen hinter stehst. Die Wahrheit respektieren die wilden Drachen immer aber sie verachten nichts mehr als Lügen."
"Na das kann ja heiter werden."
"Keine Sorge." Beschwichtigte Eragon und Arya nickte zustimmend. "Wir sind schließlich die ganze Zeit bei dir und helfen dir."2126 Wörter
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Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang
Fanfiction|Abgeschlossen| Rechtschreibung und Grammatik überarbeitet. Die ersten Dracheneier haben ihre Reiter erwählt und der Orden wächst. Eragon und Arya werden ihre neuen Schüler ausbilden, um Alagaësia zu beschützen, denn etwas Böses wächst heran... Dies...