65. Epilog (1/2)

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Eragon blickte Dorn nach, der bereits am Horizont zu einem winzigen dunklen Punkt verschmolzen war. Murtagh hatte kurz nach ihrer Rückkehr in die Hauptstadt Ilirea beschlossen aufzubrechen. Nun da die Gefahr gebannt war wollte er sein Glück mit den Zwergen nicht überstrapazieren.
Dabei gab es Eragons Meinung nach für seinen Halbruder durchaus Anlass zur Hoffnung. Nicht nur Menschen waren in Dras Leona von den Drachenreitern beschützt worden, sondern auch einige Zwerge. Nachdem der Krieg beendet war, trieb das Volk der Knurlan intensiven Handel mit den Menschen und, auch nachdem der Sklavenhandel verboten worden war, blieb die Stadt am Leona-See ein wichtiges Zentrum für Handel aller Art. Zwei komplette Handelskarawanen waren in Dras Leona anwesend zu dem Zeitpunkt als die Ra'zac in die Stadt einfielen. Sie alle hatten gesehen, mit welcher Leidenschaft Murtagh alle Lebewesen verteidigt hatte. Selbst Mitglieder der Dûrgrimst Quan kamen nicht umhin sich lobend über Murtaghs Leistungen zu äußern.
Orik hatte diese Berichte einige Zeit wirken lassen und dann vorsichtige Erkundigungen eingezogen wie die einzelnen Grimstborithn sich das weitere Vorgehen im Falle von Eragons Halbruder vorstellten.
Auf Nachfrage seines Clanbruders hin hatte Orik vorsichtigen Optimismus gezeigt. Besonders die Tatsache, dass die ablehnende Haltung der Dûrgrimst Quan wankte, unterstützte denselben. Dabei spielte besonders die Verwandlung des Helgrinds eine Rolle. Das Verschwinden eines Berges und seine Wiedergeburt als weißer Marmor sahen viele der Priester der Knurlan als eine Manifestation der Macht von Helzvog, dem Gott des Steins. Murtagh und Dorn hatten also praktisch einem Gott geholfen sich der Welt zu offenbaren. Deutlich hatte der Zwergenkönig Eragon aber auch zur Geduld aufgefordert und ihn daran erinnert, dass Entscheidungen bei den Zwergen ihre Zeit brauchten.
Dies hatte der junge Anführer der Drachenreiter akzeptiert. In jedem Fall hatte sich Murtaghs Situation durch die zurückliegenden Ereignisse verbessert. Auch nahm seine Idee im Bezug auf die schwierige Situation mit dem Kind, das Nasuada erwartete, immer mehr Gestalt an. Eine Nachricht, die er aus der Ostmark erhalten hatte kam seinen Plänen sehr entgegen und würde es sogar ermöglichen, Murtaghs Wunsch, seiner Ausbildung als Reiter zu vervollkommnen, zu entsprechen.
Im Hinblick darauf hatte Eragon seinem Halbruder gebeten zunächst mit ihnen zu Ostmark zurückzukehren bevor er sich wieder in den Norden zurückzog. Dorn und sein Reiter waren nun vorausgeflogen und die übrigen Drachenreiter würden im Laufe des Tages folgen.
Als Dorn endgültig mit dem Himmel verschmolzen war, ließ Eragon seinen Blick durch den Innenhof des Drachenreiterquartiers schweifen. Nasuada hatte bereits angekündigt, dass diese alte Kaserne auch weiterhin Reitern zur Verfügung stehen sollte die Ilirea besuchten. Die Königin hatte auch bereits mit einigen Architekten gesprochen, um die Gegebenheiten gerade den Drachen noch besser anzupassen.
Aus der Unterkunft der Offiziere ertönten Kriegsgesänge der Urgals. Tar feierte mit seinesgleichen seinen ersten großen Sieg. Nar Garzhvog und seine Gehörnten hatten mit Begeisterung den Erzählungen ihres ersten Reiters gelauscht. Von Herzen gönnte Eragon seinem jungen Schüler die Bewunderung seines Volkes.
Narie und Marek sowie ihre Drachendamen lagen in der Nähe von Saphira und Fírnen. Im Schatten der beiden älteren Drachen würde sich bald etwas Interessantes zu tragen. Auch Eragon wollte das nicht verpassen und suchte deshalb Arya um auch sie hinzuzubitten. Er entdeckte seine Gefährtin auf der äußeren Befestigungsmauer der alten Kaserne. Die Elfe schien in weite Ferne zu blicken.
Vorsichtig trat Eragon hinter Arya und legte die Arme um sie. Zunächst sagte die ehemalige Prinzessin der Elfe nichts. Sie entspannte sich lediglich etwas und lehnte den Kopf an ihren Gefährten. Einige Minuten blieben, die beiden einfach so stehen. Eragon hatte akzeptiert, dass seine Beziehung zu Arya immer etwas anders sein würde als das was beispielsweise Roran und Katrina verband. Dabei ging es weniger um die Unterschiede zwischen Menschen und Elfen. Aryas Herz war in ihrem Leben mehr als einmal verwundet worden. Wem auch immer sie es jetzt öffnete musste akzeptieren, dass wilde Leidenschaft nicht wirklich in der Natur der Elfe lag. Inzwischen schätzte der junge Anführer der Drachenreiter aber die feine, zärtliche Natur ihrer Liebe und vertraute gleichzeitig auf die Kraft, die ihr innewohnte.
"Du bist weit weg mein Stern. Woran denkst du?" Fragte er schließlich.
"An das was auf dem Helgrinds geschehen ist. Ich kann es immer noch nicht ganz einordnen. Glaubst du wir haben wirklich den Beweis dafür gesehen, dass es nach dem Tod noch etwas gibt? Nasuada hat Berichte erhalten, die darauf hindeuten, dass die Stelle wo der Helgrind einst war zur Pilgerstätte werden wird. Es ist sogar möglich, dass sich eine völlig neue Religion dort entwickelt."
"Es kann nur besser werden als das, was bisher dort verehrt wurde." Gab Eragon trocken zurück.
Arya nickte.
"Die neuen Götter werden hoffentlich nicht so grausam sein wie die Ra'zac. Welche Namen und Formen die Menschen ihn wohl geben werden?"
"Vielleicht wird diese Religion gar keine Götter haben." Überlegte Eragon. "Glaube an ein Leben nach dem Tod muss nicht unbedingt auch Glaube an einen Gott bedeuten. Wenn ich einen Tropfen Farbe in Wasser gebe, löst sie sich auf und färbt die ganze Flüssigkeit. Vielleicht es ähnlich mit dem Tod. Vielleicht gehen wir einfach in ein größeres Ganzes über, ohne dass ein allmächtiges Wesen über uns zu Gericht sitzt."
Arya sprach weiter, ohne wirklich auf Eragons Vermutungen einzugehen.
"Narie hat einen Teil ihrer Fröhlichkeit wieder gefunden. Sie hat die Hoffnung, dass sie und ihre Mutter sich jetzt eines Tages wiedersehen werden."
"Und du? Verluste haben auch dein Leben bestimmt? Hoffst du nicht auch ein wenig?"
Arya drehte sich in Eragons Armen um, sodass sie sich anblickten.
"Ich würde es gern." Flüsterte die Elfe. "Meine Mutter wiederzusehen meinen Vater kennenzulernen... Es ist nur, dass ich für Glaube nie viel Verwendung in meinem Leben hatte. Was ich nicht genau einordnen kann, könnte gefährlich für mich werden. Seine Schritte in eine Richtung zu lenken ohne zu wissen, ob das Ziel, welches man anstrebt, wirklich existiert erscheint mir als ein Risiko."
"Deshalb habe ich dir auch vorgeschlagen zu hoffen, mein Stern. Das ist ein Unterschied."
Arya wirkte leicht verwirrt.
"Worin besteht der Unterschied?"
"Glaube kann einen blind machen für die Wahrheit." Erklärte Eragon. "Das kann dann solch üble Folgen haben wie die Religion, die die Jünger des Helgrinds ausübten. Hoffnung ist anders. Sie entbindet einen nicht von der Verantwortung für das Hier und Jetzt. Ich bin der Meinung, man sollte sein Leben so gut leben wie es eben möglich ist. Nach Glück streben und Erfüllung und sich nicht der Grausamkeit des Schicksals ausliefern im Versprechen auf etwas Besseres nach dem Tod. Nein, man sollte seinen Teil dazu beitragen die Grausamkeiten die uns die Welt manchmal auferlegt, für sich und andere zu mildern. Doch wenn die Probleme einfach übermächtig werden, kann man sich von der Hoffnung trösten lassen, dass dieses Leben nicht alles ist, was wir haben."
Arya hatte die Arme um Eragons Hals gelegt und betrachtete ihn nachdenklich.
"Wo ist eigentlich dieser Bauernjunge aus Carvahall geblieben? Verrat mir das, weiser Mann?"
"Oh, bei dem ist ein Drache geschlüpft und er hat eine weite Reise hinter sich und eine noch längere vor sich. Es freut ihn aber sehr, dass er auf dieser Reise nicht allein ist."
Der zärtliche Kurs, den Arya ihm für seine Worte schenkte, versetzte Eragon in einen Zustand wo er mit sich und der Umwelt in völligem Einklang zu sein schien.
- "Kleiner es geht los!" -
Saphiras Worte holten den jungen Anführer der Reiter in die Realität zurück.
"Es geht los!" Sagten Eragon und Arya wie aus einem Mund. Offenbar war die Elfe von ihrem Seelengefährten ebenfalls in Kenntnis gesetzt worden.
Die beiden Gefährten eilten zu der Stelle an der Saphira und Fírnen sich bis eben gesonnt hatten.
Saphira-Eldunari hatte ihrer Namensschwester noch einige andere Dinge übermittelt bevor sie mit Tenga aufgebrochen war. Für Eragon hatte sie einige Erinnerungen an Brom im Geist der jungen Drachendame verankert. Zum anderen hatte sie den Wunsch geäußert, dass die Reiter sich gut um ihre Tochter kümmern sollten. Gefühle und Bilder wann der Träger gewesen nicht Worte. Eragon vermutete, dass die Seelengefährtin seines Vaters deshalb auf diese Art ihre Wünsche übermittelt hatte, damit sie nicht missverstanden wurde. Es war nicht ganz die Wahrheit gewesen als sie sagte, sie wünsche sich wirklich, dass ihre Tochter als gebundener Reiterdrachen aufwächst. Ein Leben als wilde Drachendame erschien ihr ebenso reizvoll. Doch die langen Jahre in Galbatorix Knechtschaft hatten sie misstrauisch gemacht. Sie wollte die Welt erst kennenlernen und in Erfahrung bringen, ob sie sicher genug für ihr Küken wäre. Ob sie es waren, konnte die alte Drachendame nicht sagen aber sie war sich sicher, dass ihr Kind bei den Reitern in den allerbesten Händen wäre.
Nach kurzer Beratung waren alle Drachenreiter überein gekommen, dass dieses Drachenmädchen lange genug auf sein Leben gewartet hatte. Murtagh beherrschte noch das Wort der Wörter und entfernte auf Eragons Bitte hin den Zauber, der ein Drachenküken auf die Suche nach einem Reiter schickte.
Als Eragon und Arya ihre Partner erreichten schaukelte das weiße Ei bereits kräftig hin und her. Mit einem gutmütigen Summen fixierte Saphira das Drachenei mit der Schnauze, damit es der kleine Schlüpfling leichter hatte die Schale zu durchstoßen.
Schon bald bildeten sich Risse und kleine Stücke der Schale brachen heraus. Eine winzige Vorderpfote war das erste, was ich in die neue große Welt vortastete. Schließlich platzte die Eierschale unter lautem knacken und ein schneeweißes Drachenmädchen kullerte hervor. Blaue Kulleraugen flogen von einem der Anwesenden zum anderen und wirken ein wenig ängstlich. Erst als Saphira ein zärtliches Brummen von sich gab, schien das Kücken etwas Vertrauen zu fassen und rieb seinen Kopf an die Schnauze der blauen Drachendame. Dabei hinterließ sie eine klebrige Spur auf den Schuppen von Saphira. Entsetzt stellte das Drachenmädchen fest, dass es noch über und über mit der Eihülle bedeckt war. Sofort begann sie sich intensiv zu säubern. Saphira half ihrem jüngsten Schützling, indem sie warme Luft aus den Nüstern strömen ließ. Das machte die klebrige Eihülle etwas weicher und sorgte dafür das die kleine Drachenzunge sie besser entfernen konnte.
- "Haste du schon einen Namen für sie?" - Wollte Eragon wissen.
Saphira musterte das Küken mit schief gelegten Kopf.
- "Maranie." - Stellte sie schließlich fest.


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Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt