"Also echt, es ist ja nicht so, dass du nicht schreiben kannst, aber worüber du schreibst ist krank und ich finde, dass du mal zum Arzt gehen solltest."
Ich hörte ihr schon lange nicht mehr zu. Katherin ist nur einer der Klassenkameraden, die als sie erfahren haben, dass ich Geschichten schreibe und veröffentliche, sich diese durchgelesen haben. Aber was taten sie nicht? Genau, sie laßen sich alle nur meine Geschichten durch, merkten dabei nicht, dass es auf dieser App hunderte Geschichten gibt, die die selben Themen beinhalten und nur darauf warten gefunden und gelesen zu werden. Ich war dadurch zu der Kranken geworden. Sogar eine Deutschlehrerin, welche zeitgleich meine Musiklehrerin war, hatte sich mein Aufgeschriebes durchgelesen. Und ich bekam, entgegen aller Erwartungen, Lob. Lob dafür, dass ich eine komplett andere Sichtweise in Betracht ziehe, dafür, dass man merkt, wie viel Arbeit ich hineinstecke. Man sollte nicht denken, dass es mir egal ist, wenn die Leute meine Geschichten lesen. Ich schäme mich sogar dafür. Wenn Fremde es lesen, so ist alles in Ordnung, sie kennen mich nicht, sie wissen nicht welches Gesicht und welcher Charakter sich hinter den Wörtern versteckt. Aber die Menschen, die einen kennen, die die wissen, wie man Tickt und die sowas nie vermutet hätten, dass solche Gedankengänge in einen sind, dann, ja dann ist es peinlich. Es ist zwar schön zu hören, dass ich einen schönen Schreibstil habe, aber zu hören, dass man krank sei, dass verletzt einen. Jeder ist doch irgendwo krank oder? Hat nicht jeder seine dunklen Gedanken?
Ich stocherte lustlos in meinem Essen rum und dachte mal wieder darüber nach. Schon hunderte Male hab ich über das selbe nachgedacht, eigentlich immer, wenn mir jemand Psychologische Hilfe anreden will, immer wenn einer meiner Klasse oder einer der anderen Schüler mich auf die Geschichten anspricht. Ich hab schon schlimmeres gelesen. Krasseres, Geschichten die einen so mitreißen, dass man selbst zusammenzuckt, dass man die Welt um sich vergisst und komplett in der Story ist. Meine Schreibkünste kommen da noch lange nicht dran. Aber sind wir nicht alle ständig dabei uns zu verbessern?
Als Katherin nicht aufhörte darüber zu reden, stand ich einfach auf und brachte das Essen weg. Es war nicht mehr viel übrig, aber trotzdem schmiss ich es weg. Ich stabelte die Teller und legte das Besteck in den Eimer mit Wasser. Beim rausgehen rammte ein Junge mich an der Schulter, aber ich sagte nichts und ging einfach nach oben. Schüchtern, unscheinbar, aber Achtung, wenn ihr was nicht passt wird sie zum Biest, so hat man mich zuvor beschrieben, jetzt bin ich einfach das Mädchen mit den kranken Geschichten. Ich hab schon ein paar aus meiner Klasse erwischt, wie sie meine Geschichten gelesen haben und jedes Wort verschlungen hatten, aber ich war die kranke. Oben vor den Klassenraum traf ich auf meine beste Freundin. Ria war einer der wenigen, die keine meiner Geschichten gelesen hatten. Trotzdem wusste sie alles aktuelle darüber, Sachen die kein Leser weiß oder je erfahren wird. Schließlich muss man sich ja mit jemanden darüber unterhalten. Ich hockte mich neben sie auf den Boden und holte meinen Tee raus. Ich goss die rote Flüssigkeit in den Deckel und der Geruch von Waldfrüchten schoss mir in die Nase. Deutsch war das nächste Unterrichtsfach, was wir hatten und damit das letzte für heute. Ich lehnte mich an die Wand und sah zu der schwarzhaarigen Schönheit neben mir auf.
"Du hast mal wieder was ganz schönes in Gang gesetzt." Gab sie ihren Kommentar.
"Ich kann nichts dafür, dass die Leute von mir erwarten, dass die Opfer Stockholmsytrom entwickeln. Da ist die schmerzhafte Realität, dass sobald man nicht mehr gebraucht wird, getötet wird sehr brutal. Aber nicht alles hat ein happy end." Erinnerte ich sie und trank aus meinen Tee.
"Wolltest du nicht, dass sie ein Gedächnisverlust erleidet und dann einen zweiten Teil schreiben? Das Ende von den zweiten Teil fänden wahrscheinlich viele besser."
"Keine Lust. Zudem keine Ideen für Handlung. Wenn ich eine einfache Bad boy Geschichte schreiben würde, wäre die innerhalb eines Kapitels beendet. So viel hätte ich nicht im zweiten Teil einbringen können und er wäre viel kürzer als der erste, da mach ich lieber ein schmerzvolles Ende, als einen zweiten Teil zu haben der halb so lang ist wie der erste. Aber lassen wir das, wie geht es deinen Freund?" Ich strich eine Strähne von Rias Haar hinters Ohr.
Ihr Verband war weiß und bildete einen schönen Kontrast, morgen sollte er abkommen. Ich hoffe es bleibt keine Narbe, sie hat so ein zartes Gesicht, eine Narbe passt nicht hinein.
"Ihn geht es gut. Er scheint sich zwar nicht an den Unfall zu erinnern, aber sonst geht es ihn gut. Ende der Woche kann er nach Hause." Infomierte sie mich
"Das ist gut." Ich trank den letzten Schluck von meinen Tee aus und schraubte den Deckel auf die Thermoskanne als unsere Deutsch Lehrerin kam.
Hinter ihr lief unsere Musiklehrerin. Ich sah verwirrt zu Ria, welche aber nur mit den Schultern zuckte. Ich schulterre meinen Ranzen und nahm ihren, da sie noch nicht schwer heben soll. Als der Raum aufgeschlossen wurde, gingen wir als letztes in den Raum um den Gedränge auszuweichen. Ich stellte die Tasche zu ihren Platz. Die Tische standen in Reihen. Immer zwei Zweiertische nebeneinander. Ich setzte mich zwischen Ria und Katherin auf den Platz und holte einen Block und mein Mäppchen raus. Unsere Bücher für Deutsch lagen hier in einen Schrank, sodass wir sie nicht immer mitschleppen mussten. Ich sah zu den beiden Frauen. Wärend die eine kurz vor der Rente war, so war die andere um die Mitte vierzig.
Frau Nimmerswert, unsere Deutschlehrerin, war eine groß gewachsene Frau mit schwarzgefärbten Haaren. Frau Vogt hingegen, unsere Musiklehrerin, war klein und mollig, hatte ein liebenswerte Lächeln, jedoch besaß sie die unangenehme Eigenschaft, Psychologe spielen zu wollen. Meistens verbrachte sie ihren Unterricht damit, mit Schülern über ihre Probleme zu reden. Ich mochte sie aus diesen Grund nicht besonders. Aber wenn sie nicht gerade versuchte, mir einzureden, dass ich auf Badboys stand, war sie ganz in Ordnung.
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Just ask me, little one
RandomWenn die Leute mich beschreiben lachen sie und sagen ich sei krank, das etwas in meinen Kopf nicht stimmt. Und wieso? Ich schreibe Geschichten. Geschichten über Folter, Vergewaltigung, Versklavung und Missbrauch von Personen. Aber wer ist gestörter...