Schlechte Nachrichten und eine Aussprache

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Kapitel 20


*** Schlechte Nachrichten und eine Aussprache ***


15. Dezember 1762


Am Morgen nach der Schlacht mit der Fregatte, konnte Alex sich kaum bewegen und ich sah, dass sie wirklich überall blaue Flecken hatte. Sie ließ sich aber nichts anmerken und biss die Zähne zusammen.


Diese Tage an Bord der Jackdaw waren ein wenig wie eine Lehrstunde im Kennenlernen. Wir mussten uns noch annähern, wir kannten uns noch nicht wirklich. Ich muss gestehen, ich kannte Alex vermutlich besser als so manch anderer Herr, doch das betraf die Dinge, welche wir im Bett taten. Ihre Persönlichkeit, ihre Art im Alltag oder auch einfach ihre eigenen Gepflogenheiten kannte ich nicht wirklich. Umgekehrt ging es ihr nicht anders, aber ich ertappte mich immer wieder dabei, dass ich es Alex leichter machen wollte. Auf der anderen Seite hatten wir ab jetzt genügend Zeit für dieses tiefe Kennenlernen und ich freute mich immer noch wie ein kleiner Junge!


Alex begann nun auch, mir von ihrer Zeit zu berichten, als sie wieder daheim war. Sie beschrieb wie sie mal eben nach Russland „geflogen" sei, mit so einem Metallvogel wie aus meiner Vision damals, oder dass sie in Finnland war für ein paar Tage.
Und wieder wünschte ich mir, ich könnte das alles mit eigenen Augen sehen und wäre dabei gewesen! Heute sah sie mich plötzlich fragend an und stand dann auf.
„Du wirst jetzt einen kleinen Einblick in mein Leben bekommen." war das einzige was sie sagte, ging zu ihrer gesicherten Truhe und holte diesen kleinen schwarzen Kasten heraus. Damit setzte sie sich zu mir wieder aufs Bett.
Alex drückte auf einen Knopf und dieses Ding leuchtete plötzlich und machte komische Geräusche, sie selber kicherte, als sie meinen erstaunten Gesichtsausdruck sah.


Dann zeigte sie mir Bilder von ihrer Wohnung, oder auch von ihrem Sohn und dessen Freundin. Oder auch von einer Feier, Halloween nannte sie es, bei Rafael! Als ich sie darauf ansprach, dass sie sehr beengt gewohnt habe und ja kaum Platz da war, sah sie mich ihrerseits überrascht an.
„Also mir hat es gereicht, ich musste es ja auch alleine sauber halten, Haytham. Vergiss das nicht."
In meinen Augen immer noch unverständlich, wie soll man das völlig alleine alles schaffen? Alex erwähnte Geräte, welche ihr einige Arbeiten abnahmen, wie das Geschirr spülen zum Beispiel oder die Wäsche waschen.
„Damit ist es dann schon zu schaffen, aber man braucht trotzdem eine gewisse Disziplin und Struktur, sonst klappt es nicht." Worte einer wahren Templerin und das sagte ich auch so.


An manchen Tagen konnte ich ihre Launen dann erleben, umgekehrt war es nicht anders. Es war halt etwas beengt hier und es war kalt, bitterkalt muss ich mir selber eingestehen und ich freute mich auf die Wärme im Fort Arsenal!
Doch Nachts genoss ich ihre Nähe, ihren Körper und die Wärme, auch wenn wir nicht immer über einander herfielen. Ich erwähnte es ja schon, der Winter war unerbittlich!



*********************


16. Dezember 1762





Heute endlich legten wir beim Fort Arsenal an und ich war mehr als dankbar dafür, wieder festen Boden unter meinen Füßen spüren zu können.
Gerade als wir von Bord gingen, eilte uns schon Christopher entgegen und begrüßte uns hektisch mit den Worten, wir seien wie gerufen gekommen. July sei schwer krank, es ginge ihr immer schlechter und Faith hätte sie nicht eine Minute seitdem mehr aus den Augen gelassen.
„Master Gist, ganz langsam... WAS ist hier los...?" fragte Alex völlig irritiert, doch antworten konnte Master Gist nicht mehr, Shay war ebenfalls schon hierher geeilt!
„Alex, ich bin so froh, dass ihr wieder hier seid. July ist erkrankt und Faith hat die Medizin an dieses Blag gegeben... jetzt liegt meine Tochter im Sterben..." meinte der Ire außer Atem und ich konnte Alex gerade noch halten bevor ihre Beine unter ihr nachgaben. Das waren Neuigkeiten, welche man nicht gleich bei der Ankunft erfahren möchte!


„Shay... was hat Faith getan? Ihr hattet doch eine ausreichende Dosis... warum?" anstatt einer Antwort, zog Shay sie einfach hinter sich her mit den Worten
„Ihr werdet es sehen und ich hoffe, ihr könnt noch etwas tun. Faith weicht July seit Tagen nicht von der Seite und ist völlig geschwächt und ebenfalls kaum ansprechbar... ich weiß nicht mehr weiter!" und ich folgte den beiden, nachdem ich Anweisungen für die Mannschaft gab, sich Unterkünfte bis auf weiteres zu suchen!


In der Eingangshalle wurden wir kalt von Master Williams begrüßt, was ich aber überging und einfach Shay nach oben folgte.
Dann standen wir im Kinderzimmer und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine kleine Schwester saß auf dem Fußboden, blass mit tiefen Augenrändern und ihr Mann kniete neben ihr. Maggie hatte July auf dem Arm, welcher es besser zu gehen schien... ich verstand gerade gar nichts, ich nahm lediglich eine leises „Danke Freya!" von Shay wahr.
Bei Gott, was war hier bitte alles geschehen? Doch eine Erklärung erhielten wir nicht, stattdessen verließen wir alle das Zimmer, nachdem meine kleine Schwester den Kindern noch eine gute Nacht gewünscht hatte.
Master Williams, Shay und ich gingen schon einmal hinunter, Alex wollte noch auf Faith warten. Einer Eingebung folgend blieben wir aber am Fuße der Treppe stehen und gerade als ich fragte, was passiert war, erschienen Alex und Faith auf dem Absatz und kamen hinunter.


Es war nur ein Bruchteil einer Sekunde, doch wir sahen alle, wie Faith die Augen plötzlich verdrehte, Alex ihr noch zurief, sie solle aufpassen und Shay und Lucius konnten sie gerade noch auffangen.
Man trug sie wieder hinauf ins Schlafzimmer und brachte sie ins Bett, wo sie jetzt schweißnass und schwer atmend lag.
In einem Ton, welcher keine Widerworte duldete, fragte Alex, was hier passiert sei. Doch auch der Ire druckste nur herum. Dann schrie sie ihn schon fast an mit den Worten „Shay... SPRECHT!"
Und er antwortete, aber sehr leise.
„Anscheinend hat Freya ihr die Krankheit von unserer Tochter gegeben!" ... Freya? Was hatte diese Göttin nun damit zu tun?
„Wo sind die Medikamente die ich euch gab?" kam es mit einem bösen Tonfall von Alex. Als Shay nun erzählte, dass nur noch diese Schmerzmittel vorhanden seien, trat in die Augen meiner Verlobten ein alarmierter Ausdruck.
Faith hatte Cillian das Medikament für July gegeben, somit war kein Vorrat mehr vorhanden und jetzt verstand ich auch, warum Master Cormac so zornig war.


Meine Verlobte bat dann auf einmal einen der Diener, eine Tasche von Bord der Jackdaw zu holen, auf welcher ein rotes Kreuz war. Ich würde sie später darauf ansprechen, was es damit auf sich hatte.
Sie saß weinend auf der Bettkante und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wir konnten eigentlich nur beten und hoffen, dass es nicht schlimmer wurde. Meine Hand lag nach wie vor auf ihrer Schulter und ich versuchte sie so ein wenig zu beruhigen.
Alex setzte sich jetzt ganz auf das Bett und wechselte in einem fort die kalten Tücher, damit das Fieber nicht noch mehr stieg.
Dann endlich erschien der Diener mit der besagten Tasche und sie wühlte nervös darin herum. Ein erfreuter Aufschrei und sie hielt triumphierend ein kleines Glasfläschchen in die Höhe.


Dann nahm sie so eine Spritze, wie sie mir erklärte, und zog das Mittel auf. Bevor sie uns aber bitten konnte, wir mögen uns umdrehen, taten wir es schon, dieses Medikament wurde in den Allerwertesten verabreicht. Wie es DA wirken sollte entzog sich mal wieder meiner Kenntnis, doch ich war ja auch kein Arzt!
Kurz erklärte sie nun, dass noch 6 weitere Dosen verabreicht werden müssen, alle 6 Stunden ungefähr, dann sollte es überstanden sein. Das beruhigte uns alle ein wenig, auch wenn man immer noch diese tiefsitzende Angst verspürte.
„Shay, was war bitte hier los in den letzten Tagen. Ich meine, ich kann es mir jetzt so langsam denken, aber ich will es genauer wissen!" fragte Alex mit Tränen in den Augen und strich Faith eine Strähne aus dem schweißnassen Gesicht.


Gerade als der Ire antworten wollte, fing Faith an zu reden und Alex' Blick deutete uns, wir mögen bitte hinausgehen. So gingen wir drei nun hinunter in den Salon und die ganze Situation war mehr als angespannt.
Lucius war mir immer noch nicht wohlgesonnen und Shay, ja mit ihm hatte ich noch ein Hühnchen zu rupfen, wegen seines unerlaubten Verschwindens! Er ließ aber nur den Kopf in seine Hände gleiten und atmete schwer, als er wieder hoch sah, merkte ich, dass er eigentlich etwas sagen wollte.
„Master Cormac, was war hier los? Man kann die Anspannung förmlich spüren hier!" meinte ich jetzt fordernd.
„So wie es aussieht, hat sich meine Tochter bei dem Blag von Caroline angesteckt!" kam es in einem so schnippischen Ton von ihm, welchen ich mir eigentlich verbiete.
„DAS haben wir schon verstanden und weiter? Das wird ja nicht alles gewesen sein."


Er erzählte, dass alles ein wenig ruhiger wurde, als er wieder hier war. Nur kam er nicht wirklich mit Cillian zurecht, man setzte ihm Liam in klein vor die Nase, was ihn immer wieder an seine Tat erinnerte. Diese Wut konnte ich nachvollziehen, auch mir würde so etwas schwer fallen zu akzeptieren!
Als der Junge dann aber krank wurde, hatte er Faith immer wieder verboten das Medikament, welches für July angedacht war zu nutzen. Doch irgendwann sah seine Frau keinen anderen Ausweg mehr und verabreichte ihm doch die Spritzen. Er erholte sich schnell, doch kurz darauf wurde seine Tochter krank, obwohl sie eigentlich nicht in die Nähe des Kranken gekommen war! DAS war tatsächlich etwas seltsam, aber ich hoffte, würden wir dafür bald eine Erklärung bekommen.


Ab diesem Zeitpunkt wich Faith keinen Millimeter von der Seite ihrer Tochter, was zum einen löblich war, doch auch ihre Gesundheit litt darunter.
Kurz bevor wir dann alle hier im Kinderzimmer standen, schien mal wieder einer der Vorläufer oder in diesem Falle die Göttin Freya eingegriffen zu haben und hatte meiner kleinen Schwester dieses Scharlach übertragen, damit July überlebte. Deswegen lag sie jetzt krank im Bett!


Wir zogen uns dann aber alle drei für eine kurze Zeit zurück, ein wenig Schlaf sollten wir alle bekommen. Mrs. Marge teilte mir dann noch mit, dass meine Verlobte bei Faith blieb und sie sie in zwei Stunden wieder wecken sollte.
Etwas zerknirscht ging ich in unser Gästezimmer und versuchte in den Schlaf zu finden, doch es wollte nicht so recht gelingen. Immer wieder geisterten mir Bilder von einer immer kränker werdenden Faith im Kopf herum und diese ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Es muss gegen drei gewesen sein, oder auch etwas später, als ich dann aufstand und ich mich wieder anzog. Auf der Galerie traf ich auf die anderen beiden Herren und wir beschlossen, einen Blick auf die Patientin zu werfen. Gerade als wir eintraten, hörte ich noch
„... was du nicht brauchst und schon gar nicht darfst, Faith Cormac!" in einem harschen Befehlston von meiner Verlobten. Da schien es Faith wohl doch schon besser zu gehen.


Shay und Lucius standen nun an ihrem Bett und begutachteten sie eingehend. Für meine Begriffe sah sie tatsächlich etwas besser aus. Natürlich noch blass, aber nicht mehr in Schweiß gebadet.
Neben mir stand Alex und hielt meine Hand, als ich fragte, was als nächste passierte, erklärte sie mir, dass noch 5 weitere Spritzen anstehen würden. Wir mussten abwarten, was dann geschah, doch man sah, dass dieses Medikament gut anschlug und ich muss gestehen, dass ich darüber doch mehr als froh war.


Dann stand Master Williams vor uns und bat uns, ihm zu folgen. Über Alex Gesicht huschte ein ängstlicher Blick gefolgt von einem „Muss das jetzt sein" Ausdruck.
Wir gingen gemeinsam hinunter in Shays Arbeitszimmer, Lucius schloss hinter uns die Tür und bat uns Platz zu nehmen. Und er kam auch gleich auf den Punkt!
„Master Kenway! Ihr wisst, ich bin nicht glücklich mit dieser neuen Konstellation, die ihr und meine Tochter getroffen habt. Und ich weiß, ich hatte die Verlobung lösen lassen, doch... es widerstrebt mir immer noch, dass ihr und auch Faith so einfach VOR meiner offensichtlichen Entscheidung über meinen Kopf hinweg bestimmt habt."
Mir lag auf der Zunge, dass er ja nicht anwesend war und wir alle davon ausgehen mussten, dass er verstorben sei, weswegen wir ihn auch schlecht hätten fragen können! Doch bevor ich etwas sagen konnte, funkelte er Alex giftig an, welche nun wirklich am wenigsten dafür konnte. Nunja, ein wenig war es schon ihre Schuld, aber das brauche ich sicherlich nicht auch noch ausführen.
„Mrs. Frederickson, ihr wollt also Master Kenway ehelichen? Warum, wenn ich fragen darf?" in diesem Moment spürte ich, wie Alex sich verschloss und sich im Geiste zurückzog, ihre Ruhe strahlte plötzlich auch auf mich ab.
„Weil ich ihn liebe und gelernt habe, was es heißt, Kompromisse einzugehen!" knappe Worte und ich wusste, mehr würde sie ihm nicht erlauben zu erfahren, vorerst nicht!


„Ihr seid Assassine, wie soll das gut gehen? Für ein paar Monate wird es sicherlich funktionieren und dann? Es wird immer eine Barriere, ja gar eine Mauer geben, welche ihr nicht überwinden werdet." das fragte ausgerechnet ER?
Wie hatte sich Lucius bitte seine Ehe damals vorgestellt? Ich tat meinen Gedanken kund und erntete einen bösen Blick, welcher mich aber nicht mehr in Angst und Schrecken versetzte.
„DAS waren andere Zeiten, Master Haytham, denkt ihr nicht?"
Natürlich dachte ich nicht so, die Zeiten ändern sich, das ist richtig, doch die Liebe zu einem Menschen bleibt bestehen. Neben mir merkte ich, wie Alex eine Augenbraue anerkennend hochzog. Ich stand für sie und mich ein, machte klar, dass wir zusammengehörten. Egal ob es den Leuten nun passte oder nicht!

 Egal ob es den Leuten nun passte oder nicht!

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Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten Part 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt